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KMU- und Arbeitgeberverbände warnen
Zürich prüft Mutterzeit vor der Geburt. Schadet das der Wettbewerbs­fähigkeit von Firmen?

Schwangere Frau füllt Dokumente am Tisch im Sozialdienst aus.
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In Kürze:
  • Der vorgeburtliche Mutterschutz für Staatsangestellte soll im Kanton und in der Stadt Zürich durch Steuergelder finanziert werden.
  • KMU-Verbände kritisieren mögliche Wettbewerbsnachteile für Unternehmen durch die geplante Regelung.
  • Unternehmen äussern sich zurückhaltend zu den potenziellen wirtschaftlichen Auswirkungen.

Von «verzerrtem Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt», einem «erhöhten Personalbedarf» und einer «Verstärkung des Fachkräftemangels» sprach der Verband Arbeitgeber Zürich (VZH) im Zusammenhang mit dem vorgeburtlichen Mutterschaftsurlaub. Diesen wollen der Kanton und die Stadt Zürich für ihre Angestellten im Unfang von 2 bis 3 Wochen einführen – finanziert durch Steuergelder.

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern kennt die Schweiz keinen Mutterschaftsurlaub vor der Geburt. Anläufe für eine Gesetzesänderung scheiterten bisher auf Bundesebene.

Mehrere KMU- und Arbeitgeberverbände sehen durch die geplante Besserstellung der Staatsangestellten einen Wettbewerbsnachteil für die kleinen und mittelgrossen Unternehmen. Der KMU-Verband Winterthur und Umgebung repräsentiert mehr als 600 Unternehmen. Präsidentin Désirée Schiess beurteilt die Pläne kritisch: «Einmal mehr würden Staatsbetriebe versuchen an Arbeitgeberattraktivität zu gewinnen, und zwar finanziert durch Steuergelder», sagt sie.

Der Staat, ob Gemeinden, Städte oder Kanton, zahle heute schon höhere Löhne als die Privatwirtschaft und konkurrenziere damit viele kleine und mittelgrosse Unternehmen, heisst es beim KMU- und Gewerbeverband des Kantons Zürich. «Gerade für die KMU bringt der Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaub neben den direkten Kosten hohe indirekte Mehrkosten und Belastungen durch die zusätzlichen Abwesenheiten am Arbeitsplatz», sagt Geschäftsführer Thomas Hess.

Mutterschutz vor der Geburt schon heute möglich

Doch wie nehmen die Unternehmen den Vorstoss von Stadt und Kanton zum vorgeburtlichen Mutterschutz für Staatsangestellte wahr? Diese Redaktion hat bei Firmen unterschiedlicher Grösse im Kanton Zürich nachgefragt. Sie betonen ihre Bemühungen, werdenden Müttern entgegenzukommen und gemeinsame Lösungen zu finden.

Zurückhaltend fallen hingegen die Reaktionen zu allfälligen Wettbewerbsnachteilen für das eigene Unternehmen aus: Kaum eines der 17 angefragten Unternehmen nahm konkret dazu Stellung.

Offen für «neue Wege und Massnahmen» ist Rudi Bindella, Chef von Bindella. Das Zürcher Gastronomieunternehmen beschäftigt rund 1500 Angestellte. Einen vorgeburtlichen Mutterschaftsurlaub gebe es nicht, aber man betrachte «jede Situation individuell, um gemeinsam die bestmögliche Lösung zu finden».

Schwangere Frau arbeitet in einem Archiv in Zürich, 20. September 2003. Thema der Kampagne ’infoMutterschaft’ von Travail.Suisse.

Bei der Confiserie Honold in Küsnacht erhalten Mütter statt der gesetzlich vorgeschriebenen 14 Wochen 2 Wochen mehr. Doch: «Eine allgemeine Regelung mit einer fixen vorgeburtlichen Mutterzeit von 3 Wochen wäre für KMU eine wirtschaftliche Herausforderung», sagt Inhaberin und Geschäftsführerin Cristina de Perregaux.

Bereits heute fallen Kosten für die Arbeitgeber an, wenn eine werdende Mutter aus gesundheitlichen Gründen nicht oder nur reduziert arbeiten kann. Neben der Kollektivtaggeldversicherung hat der Arbeitgeber eine Lohnfortzahlungspflicht. Laut einer Studie des Bundesrats von 2018 sind rund 70 Prozent der Schwangeren hierzulande spätestens 2 Wochen vor der Geburt krankgeschrieben.

In manchen Branchen besteht indirekt die Möglichkeit auf einen Mutterschaftsurlaub vor der Geburt. Allerdings nicht zusätzlich zur sowieso geltenden Dauer. Laut dem Gesamtarbeitsvertrag in der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie haben Mütter Anspruch auf 16 Wochen. Beim Winterthurer Unternehmen Burckhardt Compression, das rund 780 Angestellte beschäftigt, können werdende Mütter die Mutterschaftszeit «frühestens 2 Wochen vor der Geburt» beziehen, sagt Sprecherin Tina Witteczek.

Winterthur will es Zürich gleichtun

Auch beim Kantonsspital Winterthur, dem drittgrössten Arbeitgeber in Winterthur, können Mitarbeiterinnen ihren Mutterschaftsurlaub von 16 Wochen heute schon 2 Wochen vor dem ärztlich errechneten Geburtstermin antreten.

Wie die Stadt Zürich will auch die Stadt Winterthur für ihre Mitarbeiterinnen einen vorgeburtlichen Mutterschaftsurlaub von 3 Wochen einführen. Mitte 2022 haben Parlamentarierinnen und Parlamentarier von SP, Grünen, EVP und GLP eine Motion eingereicht. Die Umsetzungsvorlage muss das Stadtparlament noch verabschieden.

Die zusätzliche Mutterschaftszeit wird zu Mehrkosten führen: Der Winterthurer Stadtrat rechnet mit «begrenzten Mehrkosten in der Grössenordnung von etwa 50’000 Franken pro Jahr». Das entspricht rund einem Prozent der Gesamtlohnsumme. Im Kanton Zürich schätzt der Regierungsrat die Kosten auf 1,3 Millionen Franken pro Jahr. Weitere 1,5 Millionen Franken fielen bei den Gemeinden an.