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Meinung

Kolumne «Fast verliebt»
Legenden der Leidenschaft

Um die Liebe muss man kämpfen, nicht? Claudia Schumacher.
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«Love hurts, love scars», krächzte Dan McCafferty in den Siebzigerjahren und klang so elend, als läge er auf dem Sterbebett. «Love is a battlefield», behauptete Pat Benatar in den Achtzigern, und heute zwitschert Taylor Swift: «Boys only want love if it’s torture.» Schmerz, Narben, Schlachtfeld, Folter: Damit verschlagworten wir im Westen unser Verständnis von der leidenschaftlichen Liebe.

Als ich noch jünger war, folgte ich diesem Mythos in jede Sackgasse. Um die Liebe muss man kämpfen, nicht? Im Umkehrschluss glaubte ich leider auch: Wenn sich die Beziehung zu einem anderen Menschen schwierig bis ausweglos gestaltet, dann muss es wohl Liebe sein. Aber was meinen Sie: Welches Pärchen ist leidenschaftlicher?

Zwei 20-Jährige, die nach einem Eifersuchtsstreit den Küchentisch leer fegen, Liebe machen, danach weiterstreiten, sich trennen, am Abend wieder zusammenfinden, weinen, schluchzen, dann lachen und spontan einen Nachtzug nach Paris besteigen?

Ein Ehepaar, das gemeinsam Kinder gross gezogen hat und immer noch Händchen hält, das auch im Alter zugewandt bleibt und einander unterstützt, wenn Krankheit und Pflegebedürftigkeit aufkommen?

Pärchen A) kreiert seine Dramen selbst, um sich lebendig zu fühlen. Pärchen B) liebt sich hingegen unaufgeregt, bleibt stabil – und ist erst dadurch in der Lage, die wahren Dramen des Lebens zu meistern. «Ich kann entweder ein Drama erleben oder ich kann eines erfinden», sagt die Schriftstellerin Elizabeth Gilbert in ihrem Schreibratgeber «Big Magic»: «Aber ich habe nicht die Kapazität, beides zur selben Zeit zu tun.» Dabei bezieht sie sich auf den Mythos, grosse Literatur könne – genau wie Liebe – nur durch Schmerz, Krisen und Anflüge von Wahnsinn entstehen. Gilbert hält davon nichts. Für Schreibende hat sie den Rat, sich vom Drama zu verabschieden und sich stattdessen an die Arbeit zu machen. Ein guter Rat, auch für Liebe und Leben. Denn erst jenseits von Drama und Wahnsinn wird es doch wirklich interessant!

Diese Woche telefonierte ich mit einer alten Schulfreundin, die ein treffsicheres Händchen für hochdramatische Hund-und-Katz-Beziehungen hatte. Da war immer ein tiefes Problem, von Anfang an. «Das können wir überwinden», sagte sie dann, schliesslich sei man ja auch «verrückt nacheinander». Nur wollte das mit dem Überwinden nie richtig klappen. Stattdessen ging man wieder auseinander, teils verletzt. Jetzt ist sie 36 Jahre alt – und zum ersten Mal mit einem Mann zusammen, mit dem es einfach schön ist. Undramatisch. Anstatt sich schon über der Frage zu zerstreiten, was sie am Wochenende unternehmen wollen, kann sie ihren Neuen an der Hand nehmen, in die Welt hinausziehen und Spass haben.

Liebe kann schwer sein. Aber wenn sie leicht ist, wird sie tragfähiger.