Analyse eines kontroversen BegriffsMuss das M-Wort auch weg?
Migros verkauft keine Mohrenköpfe mehr. Ein Blick zurück zeigt: Die Sache ist komplex.
«Neger» darf und soll man nicht mehr sagen. Das Wort bedeutet zwar nichts anderes als «Schwarzer» (von lateinisch niger = schwarz), es schleppt aber eine schreckliche Diskriminierungs- und Ausbeutungsgeschichte mit sich, mit der man sich keinesfalls gemeinmachen möchte. Aber was ist mit «Mohr»? Ist das genauso schlimm, muss es als «M-Wort» aus dem Sprachgebrauch verbannt werden, weil sich «people of colour» verletzt, ihre weissen Interessenvertreter davon provoziert fühlen?
Es ist etwas komplizierter. Ein Mohr ist nämlich nicht das Gleiche wie ein, nun ja, N-Sternchen. Es hat eine eigene Wort- und Kulturgeschichte. «Mohr», althochdeutsch und mittelhochdeutsch «mor», kommt von lateinisch «maurus», griechisch «mauros», und bedeutet «dunkel, braun». Es bezeichnete in der antiken Welt die Bewohner Nordwestafrikas. Die Mauren, das waren dann später die Araber, die Europa immer wieder heimsuchten, «moros» im Spanischen (ein bei der Reconquista besonders erfolgreicher Feldherr hiess dann «matamoros», Maurentöter).
Bei Luther ist das «Mohrenland» das Land Kusch, südlich von Ägypten. Dieses geografische Schillern setzt sich im Wortverständnis fort. Immer mehr dominiert die Bedeutung «schwarz», ab dem 16. Jahrhundert vollends, und als im 18. Jahrhundert «Neger» hinzutritt, erhält der Mohr eine Bedeutungserhöhung: der «edle Mohr».
Schwarze Heilige und Madonnen
Die Kulturgeschichte, gerade die christliche, zeigt ein breites Bedeutungsspektrum des Schwarzen. Zwar wird die Farbe auch mit dem Teufel verbunden (in der Literatur des Mittelalters gibt es den «Höllen Moor»), aber einer der Heiligen Drei Könige ist schwarz, auch die Königin von Saba, der heilige Mauritius und etliche schwarze Madonnen.
Natürlich spiegelt auch das Wort «Mohr» die Kolonialgeschichte, aber eine andere als die der amerikanischen Sklaven. Im 18. Jahrhundert hielten sich viele europäische Höfe schwarze Diener, die in der Ikonographie bis heute überlebt haben: Oft noch halbe Kinder, in (anachronistische) orientalische Gewänder gekleidet, mit einem Tablett in den Händen, Kaffee und Gebäck servierend. Ein solcher war Abraham Petrowitsch Hannibal, Sekretär und Patensohn Peters des Grossen und Urgrossvater von Alexander Puschkin.
Folkloristisch überlebt hat der Mohr in der Heraldik und in Firmenlogos, als «Sarotti-Mohr» und in Café-, Süssspeisen- oder auch Biernamen. Vielfach wurde er bereits getilgt, der Vernichtungskampf gegen die letzten Überreste sind im Gange. Sie richten sich allerdings gegen ein Wort, das aus dem Sprachgebrauch vollkommen verschwunden ist und deshalb im Alltag auch niemanden kränken kann. Für tapfere Antirassisten eigentlich kein würdiger Gegner.
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