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Streit um neuen Ärztetarif
Müssen die Versicherten bald höhere Ärztelöhne finanzieren?

Greift die Ärztin zu ihren Instrumenten, wird es kompliziert mit den Taxpunkten.
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Wie viel sollen Ärztinnen und Ärzte verdienen? Und vor allem: Wie soll ihr Lohn berechnet werden? Die Antwort ist mitentscheidend dafür, wie hoch die Prämienrechnung ausfällt, die alle monatlich zu bezahlen haben.

Einen wichtigen Entscheid hierzu wird der Bundesrat voraussichtlich diesen Mittwoch treffen. Auf dem Tisch von Gesundheitsminister Alain Berset (SP) liegt ein neues Tarifmodell, Tardoc genannt. Erarbeitet haben es der Ärzteverband FMH sowie Curafutura, einer der beiden Dachverbände der Krankenversicherer (der andere ist Santésuisse). Gedacht ist es als Ablösung des heutigen Modells Tarmed, das als veraltet und intransparent gilt. Wie schon Tarmed sieht auch Tardoc vor, dass ambulante ärztliche Leistungen – also solche ohne Übernachtung im Spital – über ein fein verästeltes Taxpunktesystem abgerechnet werden. Tardoc soll aber gewisse überholte Strukturen und Fehlanreize des Modells Tarmed beseitigen.

Ob der Bundesrat Tardoc absegnen wird, ist allerdings fraglich. Ein Prüfbericht aus Bersets Departement kommt nämlich zu einem vernichtenden Fazit: Tardoc könne «in der vorliegenden Form nicht genehmigt werden», schreibt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in dem vertraulichen Papier, das dieser Redaktion in Auszügen vorliegt. Insbesondere erfüllt Tardoc demnach die «Rahmenbedingung der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit nicht». Der Vorschlag werde ein Kostenwachstum von 6 bis 7 Prozent zulasten der Prämienzahlenden bewirken.

Die laut BAG «ungerechtfertigte» Kostensteigerung kommt unter anderem dadurch zustande, dass Tardoc zu hohe Referenzeinkommen für Ärztinnen und Ärzte vorsieht. In deren Berechnung seien unzulässigerweise auch Gehälter von hoch bezahlten Spitalkadern eingeflossen. Überdies hält das BAG die Wochenarbeitszeit für zu tief angesetzt.

Anders gesagt: Bersets Beamte halten der Ärzteschaft vor, dass sie zu wenig arbeiten und zu viel verdienen will.

Verbände wehren sich

Der Bericht datiert vom November 2020; er wurde Curafutura und FMH zugestellt, worauf die Verbände ihr Konzept punktuell anpassten. Der BAG-Vorwurf jedoch, wonach die Referenzeinkommen zu hoch und die Wochenarbeitszeit zu tief sei, treffe nicht zu, sagt Urs Stoffel vom FMH-Zentralvorstand. «Im Gegenteil: Wir haben zwei Expertengutachten in Auftrag gegeben, die das klar widerlegen.»

In das Referenzeinkommen – eine «rein rechnerische Grösse», wie Stoffel sagt – spielten viele Faktoren hinein, etwa die Sozialleistungen. Mit einer Lohnerhöhung habe das nichts zu tun. Stoffels Schlussfolgerung: «Unser Vorschlag erfüllt alle inhaltlichen und formalen Vorgaben des Bundes. Es gibt keinen Grund für den Bundesrat, Tardoc zu verwerfen.»

Dass «Wirtschaftlichkeit und Billigkeit nicht erfüllt» seien, wie das BAG schreibt, weist auch Curafutura «in aller Form zurück». Tardoc basiere auf aktualisierten betriebswirtschaftlichen Daten und bilde den aktuellen medizinischen Stand gut ab, sagt Direktor Pius Zängerle. Er verweist auch darauf, dass die Kosten in den ersten zwei Jahren eng überwacht würden – liege das Jahreswachstum über 3 Prozent, werde das Volumen korrigiert.

Natürlich könne man jeden Tarif noch verbessern, resümiert Zängerle. «Die Frage ist: Wollen wir in Schönheit sterben oder die krassen Fehlanreize des Tarmed endlich angehen?»

Allerdings hat Tardoc noch ein weiteres Problem: Der Spitalverband H+ und der Kassenverband Santésuisse lehnen ihn ab. Damit sind zwei der wichtigsten Akteure des Schweizer Gesundheitswesens nicht mit an Bord. Es ist daher denkbar, dass der Bundesrat den Vorschlag als zu schwach abgestützt betrachtet und darum verwirft.

Wie es dann weitergeht, ist offen. Santésuisse und andere hoffen, dass künftig über Pauschalen statt über Einzelleistungen abgerechnet wird. Vielleicht trifft aber auch die Prognose von Urs Stoffel ein: «Wird Tardoc abgelehnt, läuft es darauf hinaus, dass in Zukunft bald der Bundesrat die Tarife festlegen wird. Dann haben wir den Staatstarif, von dem alle sagen, dass sie ihn nicht wollen.»