Kein Kredit für AsylcontainerMüssen Asylsuchende nun in Schutzräumen ohne Duschen wohnen?
Im Parlament zeichnet sich ein definitives Nein zu den Asylcontainern ab. Möglich wäre die Unterbringung in Schutzräumen. Sanitäre Anlagen gibt es dort aber nicht.

Der Bund kann voraussichtlich keine Container für Asylsuchende aufstellen. Der Ständerat hat dreimal Nein gesagt, der Nationalrat dreimal Ja. Die Einigungskonferenz hat sich zwar am Mittwoch für den Kredit von 66 Millionen Franken ausgesprochen. Dass dies den Ständerat umstimmt, scheint aber unwahrscheinlich. Lehnt er den Antrag der Einigungskonferenz ab, ist der Kredit vom Tisch.
Für Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider (SP) wäre ein definitives Nein eine schmerzliche Niederlage. Für die Kantone bedeutet es, dass sie stark gefordert sind: Der Bund rechnet damit, dass im Sommer oder Herbst viel mehr Asylsuchende in der Schweiz ankommen werden als derzeit. Die Kantone müssten nun rasch vieles klären, sagt Gaby Szöllösy, die Generalsekretärin der Sozialdirektorenkonferenz. Zuvorderst: Wie viele Plätze gibt es in Zivilschutzanlagen? Wie viele dieser Anlagen sind überhaupt brauchbar? «Die wenigsten Anlagen sind so ausgerüstet, dass man sie sofort eröffnen kann», sagt Szöllösy.
Unmut in den Kantonen
Im Ständerat argumentierten die Gegner des Kredits, die Container seien unnötig, da es in der Schweiz 9000 öffentliche Schutzräume gebe. Diese sind allerdings nicht zu verwechseln mit Zivilschutzanlagen. Gemäss Bundesamt für Bevölkerungsschutz sind die Schutzräume in der Regel lediglich mit Liegestellen und Trockenklosetts ausgestattet. Duschen gibt es nicht. Als Asylunterkünfte kommen die Schutzräume also kaum infrage.
Möglich ist die Unterbringung in Zivilschutzanlagen. Die Kantone möchten diese aber im Notfall für die kantonale Unterbringung von Flüchtlingen nutzen. Der Kanton Zug zum Beispiel hat 540 Plätze in Zivilschutzanlagen fix dafür eingeplant. «Es gibt eine Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen», sagt Regierungsrat Andreas Hostettler (FDP). «Der Bund muss seinen Teil erfüllen.» Auch in anderen Kantonen macht sich Unmut breit. Viele befürchten, dass eine Unterbringung in diversen Zivilschutzanlagen die Asylverfahren verlangsamen würde. Der Bund und die Kantone sind im Gespräch, doch eine Lösung ist bis jetzt nicht in Sicht.
«Das Asylsystem ist komplett aus den Fugen geraten.»
Der Nationalrat führte am Mittwoch eine Grundsatzdebatte zur Asylpolitik, auf Verlangen der SVP. Roger Köppel sprach von «behördlich toleriertem Asylmissbrauch». Das gefährde die noble Asyltradition. Fraktionskollegin Martina Bircher befand, das Asylsystem sei «komplett aus den Fugen geraten». Darunter leide die Bevölkerung.
Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider wies auf die internationale Dimension hin. Der nationale Handlungsspielraum sei beschränkt. Die Schweiz könne sich vorbereiten, und das tue sie auch – etwa mit schnelleren Verfahren und mit der Suche nach zusätzlichen Unterkünften. Keine Option sei es dagegen, die Grenzen zu schliessen.
Angenommen hat der Nationalrat am Ende Vorstösse der Nationalrätinnen Samira Marti (SP) und Natalie Imboden (Grüne) sowie von Mitte-Nationalrat Marco Romano. Der Bundesrat muss nun unter anderem prüfen, wie die private Unterbringung von Flüchtlingen ausgebaut werden könnte. Die Erfahrung mit der privaten Unterbringung ukrainischer Flüchtlinge zeige, dass diese ein regelrechter «Integrationsbooster» sei, sagte Marti.
SVP-Vorstösse abgelehnt
Ferner soll der Bundesrat mit Österreich ein Abkommen zur erleichterten Rückübernahme von Migranten aushandeln. Der Bundesrat schrieb dazu, eine Anpassung des geltenden Abkommens sei ein offenes Anliegen der Schweiz. Mit anderen Worten: Österreich ist daran nicht interessiert.
Die Vorstösse der SVP lehnte der Nationalrat allesamt ab. So will er an der Aufnahme von Flüchtlingsgruppen aus dem Resettlement-Programm der UNO festhalten. Es handelt sich um besonders verletzliche Flüchtlinge wie Kinder oder ältere und kranke Menschen, die in einem Drittstaat sind – oft in einem Flüchtlingslager – und dort nicht bleiben können.
Die Schweiz gehört zu den europäischen Ländern mit der höchsten Quote bei der Rückführung abgewiesener Asylsuchender.
Die SVP forderte, das Resettlement-Programm in den Jahren 2024 und 2025 auf Vorrat auszusetzen. Der Bundesrat wird demnächst über das nächste Zweijahresprogramm entscheiden. Dem Vernehmen nach ist ein Programm im Umfang der letzten Jahre geplant, also die Aufnahme von bis zu 1600 Resettlement-Flüchtlingen über zwei Jahre. Umgesetzt werden soll das Programm aber weiterhin nur dann, wenn ausreichend Kapazitäten vorhanden sind. Zurzeit nimmt die Schweiz keine Resettlement-Flüchtlinge auf. Das Staatssekretariat für Migration setzte das Programm wegen der starken Auslastung der Asylstrukturen aus.
Ständeratsdebatte am Donnerstag
Die SVP forderte auch eine «Rückführungsoffensive»: Der Bund solle abgewiesene Asylsuchende konsequent zurückschicken. FDP-Nationalrat Kurt Fluri fragte die SVP-Vertreter, ob sie nicht mitbekommen hätten, dass der Bund genau das längst tue. Die Schweiz gehört zu den europäischen Ländern mit der höchsten Quote bei der Rückführung abgewiesener Asylsuchender. Im vergangenen Jahr lag diese Quote bei 57 Prozent. Die Pendenzen beliefen sich per Ende 2022 auf rund 4000 Personen. Deutschland verzeichnete zu diesem Zeitpunkt über 300’000 Ausreisepflichtige.
Vergeblich forderte die SVP ferner, dass die Schweiz wieder systematische Grenzkontrollen einführt, dass sie die Asylverfahren in Transitzonen an den Grenzen durchführt oder dass sie nicht mehr auf Asylgesuche eintritt, wenn Asylsuchende über ein Nachbarland eingereist sind. Hier argumentierte die SVP, Asylsuchende reisten durch mehrere sichere Drittstaaten, bevor sie in der Schweiz ankämen. Der Bundesrat wies darauf hin, dass die blosse Durchreise durch einen Dublin-Staat nicht automatisch zu dessen Zuständigkeit führt. Der Ständerat wird die Asyldebatte am Donnerstag führen.
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