Heftige Toleranz-DebatteFans und Flitzer mit Regenbogenfahnen, einzelne Festnahmen in München
Die Partie Deutschland gegen Ungarn wird zum Kampf um Toleranz und Symbolik. München setzt jetzt auf Fahnen, sogar der Fussballbund zieht mit.
Die EM-Partie Deutschland gegen Ungarn hat einen grossen Schatten geworfen. Nachdem die Uefa der Stadt München verboten hatte, das Stadion in Regenbogenfarben erleuchten zu lassen, setzte man auf Fahnen. Und tatsächlich: Die Stadt ist voller Regenbogenfarben.
Trotz einiger Festnahmen ist es vor dem EM-Spiel aber vergleichsweise ruhig geblieben. «Es ist auch heute einiges los, aber es ist nicht so voll wie am Wochenende», sagte ein Polizeisprecher eine Stunde vor dem Anpfiff. Lediglich auf einem Platz, an dem für die ungarischen Fans ein Corona-Testzentrum aufgebaut worden war, habe es einige wenige Festnahmen etwa wegen des Zündens von Rauchtöpfen gegeben.
Grössere Probleme mit den erwarteten ungarischen «Problemfans» seien ihm keine bekannt. Etwa 2000 Fußballfans aus Ungarn sollen zum Spiel in München sein, davon etwa 200 teils rechtsextreme Hooligans. Die Polizei hat 1500 Kräfte rund um das Spiel im Einsatz.
Auch im Stadion ist die Regenbogenfahne präsent. Während der ungarischen Nationalhymne lief ein Flitzer aufs Feld und hielt eine Regenbogenfahne hoch. Er wurde aber sofort abgeführt - unter dem Applaus vieler deutscher Fans.
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Orban äussert sich
Hintergrund der Münchner Regegenbogen-Aktion ist ein Gesetz, das die Informationsrechte von Jugendlichen in Hinblick auf Homosexualität und Transsexualität in Ungarn einschränkt und in der vergangenen Woche vom ungarischen Parlament gebilligt wurde. Das Gesetz gilt als besonderes Anliegen von Ministerpräsident Viktor Orban.
Orban hat an die deutsche Politik appelliert, das Uefa-Verbot für eine Beleuchtung des Münchner EM-Stadions in Regenbogenfarben zu akzeptieren. «Ob das Münchner Fussballstadion oder ein anderes europäisches Stadion in Regenbogenfarben leuchtet, ist keine staatliche Entscheidung», sagte Orban am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Auch in Budapest gehören Orban zufolge «die Regenbogenfarben selbstverständlich zum Strassenbild».
Zuvor hatte die Europäische Fussball-Union Uefa einen Antrag von Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter abgelehnt, die Münchner Arena am Mittwoch beim Spiel der deutschen Mannschaft gegen Ungarn in Regenbogenfarben zu erleuchten. Sie sei «aufgrund ihrer Statuten eine politisch und religiös neutrale Organisation. Angesichts des politischen Kontexts dieser speziellen Anfrage – eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen Parlaments abzielt – muss die Uefa diese Anfrage ablehnen», teilte sie mit.
Dabei twitterte die Uefa im August 2019 anlässlich der Pride in Amsterdam noch, dass die EM 2020 ein Turnier für alle sein werde – und fügte ein Regenbogenfahnen-Emoji hinzu.
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«Aufgabe des Elternhauses, nicht des Staates»
Die Regenbogenfahne steht als Symbol für die Akzeptanz und Gleichberechtigung von Menschen, die sich nicht mit dem traditionellen Rollenbild von Mann und Frau oder anderen Normen rund um Geschlecht und Sexualität identifizieren.
Dazu sagte Ungarns Regierungschef der dpa: «Im kommunistischen Ungarn wurden homosexuelle Menschen verfolgt. Heute garantiert der Staat nicht nur die Rechte von Homosexuellen, sondern er schützt sie aktiv. Die Freiheit des Einzelnen ist das höchste Gut.» Jeder Mensch müsse sich «fraglos» frei für seinen Lebensweg entscheiden dürfen. Die Aufklärung heranwachsender Kinder gehöre aber ins Elternhaus. «Wir schützen diese Aufgabe der Eltern», sagte Orban.
Münchner Rathaus hisst Regenbogenfahnen
Münchens Oberbürgermeister Reiter zeigte sich gestern enttäuscht über die Entscheidung der Uefa: «Ich finde es beschämend, dass die Uefa es uns verbietet, hier in München ein Zeichen für Weltoffenheit, Toleranz, Respekt und Solidarität mit der LGBTQI+-Community zu setzen», hatte er gesagt. Weiter enttäusche ihn, dass der Deutsche Fussball-Bund (DFB) nicht mehr erreicht habe. Der Alternativvorschlag, die Arena an einem anderen Tag zu beleuchten, konterkariere doch jegliche Botschaft.
Auch weitere Spitzenpolitiker wie Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zeigten sich verärgert über das Verbot. Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock von den Grünen twitterte: «Lasst uns ein starkes Zeichen der Vielfalt setzen und den Regenbogen durchs Land tragen.»
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Reiter zufolge will die Stadt nun andere Wege finden: Man werde nicht nur das Münchner Rathaus mit Regenbogenfahnen beflaggen, sondern auch das Windrad an der Arena bunt leuchten lassen und den Olympiaturm. Dutzende Trambahnen und Busse sind heute mit Regenbogenfahnen durch München gefahren, das weithin sichtbare Riesenrad im Werksviertel strahlte bei Einbruch der Dunkelheit ebenfalls.
Am Vormittag hat auch der Münchner Stadtrat getagt – diverse Mitglieder, auch führende Vertreter der grün-roten Rathauskoalition, erschienen in Regenbogenfarben gekleidet oder trugen entsprechende Halsketten, Schals und Masken, hier und da waren Regenbogenfahnen zu sehen.
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Die LGBTIQ-Bewegung hat ein besonderes Verhältnis zu München. Seit den 1960er-Jahren entwickelte sich die Stadt zu einer Schwulen-Metropole. In den 1980er-Jahren wurde sie in einer Reihe mit San Francisco, New York und Amsterdam genannt. Heute hat München da kein Alleinstellungsmerkmal mehr, und auch hier erleben Schwule oder Lesben Diskriminierung, werden auf der Strasse angepöbelt oder sogar körperlich attackiert. Gleichwohl hat das Rathaus die LGBTIQ-Szene stets finanziell und mit eigenen Einrichtungen und Beratungsstellen unterstützt. München hat sich auch um die Ausrichtung der Gay Games im Jahr 2026 beworben.
Fussballstadien in ganz Deutschland sollen bunt leuchten
Auch eine Reihe anderer deutscher Fussballstadien und öffentlicher Gebäude soll am Mittwochabend in Regenbogenfarben erleuchtet werden. So haben Stadionbetreiber in Köln, Augsburg, Düsseldorf und Frankfurt am Main bereits angekündigt, ihre jeweiligen Fussball-Arenen während des EM-Spiels bunt erstrahlen zu lassen. Auch das Berliner Olympiastadion soll zum Anpfiff um 21 Uhr wie bereits am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie in buntes Licht getaucht werden.
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Der Lesben- und Schwulenverband Bayern kündigte Protestaktionen vor der Münchner Arena an. Die Menschrechtsorganisation Amnesty International sagte, sie wolle in Zusammenarbeit mit Christopher Street Day Deutschland 10’000 Regenbogen-Fahnen am Stadion verteilen. Der DFB kündigte an, diese Aktion zu unterstützen.
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Aus diverse Unternehmen und Institutionen tauchen ihre Firmenlogos auf Social-Media-Plattformen in Regenbogenfarben. Darunter etwa BMW, VW, Siemens, die Sparkasse und die Hypovereinsbank. Auch die Twitter-Profile der Münchner Polizei und Feuerwehr erstrahlten in den Farben des Regenbogens.
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In Ungarn wiederum planten mehrere Fussballvereine als Reaktion auf die Uefa-Kritik eine Gegenaktion. Dabei sollten ihre Arenen am Abend in den ungarischen Nationalfarben angeleuchtet werden.
Uefa gibt Statement ab
Mittlerweile hat die Uefa auf die Kritik reagiert. Auf Twitter unterlegte sie ihrem Logo ein Regenbogenmuster. «Manche Leute haben die Entscheidung der Uefa als politische Entscheidung interpretiert», schriebt die Fussball-Union. Ganz im Gegenteil sei das Gesuch politisch gewesen – angelehnt an die Anwesenheit der ungarischen Nationalmannschaft im Stadion. «Der Regenbogen ist für die Uefa kein politisches Symbol», heisst es weiter. Er sei «ein Zeichen unseres festen Engagements für eine vielfältigere und inklusivere Gesellschaft.»
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