Analyse zum Regenbogen-Verbot der UefaMünchen muss sich eine unangenehme Frage gefallen lassen
Die Uefa untersagt München, das Stadion zum Spiel gegen Ungarn in Regenbogenfarben erstrahlen zu lassen. Die Begründung ist scheinheilig. Die Initiatoren setzen sich dafür dem Opportunismus-Vorwurf aus.
Nein, man muss kein Verständnis für die Entscheidung der Uefa aufbringen. Überraschen sollte das Verbot, die Münchner Fussballarena während des Spiels der deutschen Nationalelf gegen Ungarn in Regenbogenfarben erstrahlen zu lassen, aber auch niemanden.
Der europäische Fussballverband, der immer die Macht in Händen halten muss, will natürlich auch nie die Macht der Bilder abgeben. Und welch wirkungsvolles Bild hätte das abgegeben, wenn die Aussenkameras am Mittwochabend das hell und bunt leuchtende Stadion gefilmt und in Millionen Wohnzimmer – in Ungarn und in der ganzen Welt – übertragen hätten.
Als Zeichen der Solidarität hätten die Bilder zweifelsohne die Herzen vieler berührt, die seit Jahren oder Jahrzehnten für die Gleichstellung der LGBTIQ-Community kämpfen. Die Aktion aber als angeblich unzulässige Vermischung von Sport und Politik abzustempeln, wie es ungarische Medien und Politiker seit Tagen versuchen und wie es die auf ihre «politische Neutralität» pochende Uefa in ihrer Ablehnung andeutet, ist schlicht Quatsch.
Für Rechte und Grundrechte aller Menschen einzutreten, ist kein politisches Statement, das wie andere politische Aussagen so oder so ausfallen könnte. Es ist eine Selbstverständlichkeit, zumal in einer Demokratie.
Dass der Fussballverband sich nicht entblödet, Alternativtermine vorzuschlagen, zu denen das Stadion doch gerne in Regenbogenfarben beleuchtet werden dürfe, setzt dem Ganzen eine scheinheilig-absurde Krone auf. Zur Wahl stehen der Stadt München nun von Funktionärs Gnaden der 28. Juni sowie der 3. und der 9. Juli. Solidarität im Kampf um Gleichstellung? Gerne – aber bitte nur, wenn's terminlich passt.
Warum erstrahlte München nicht bei allen Spielen?
Womit man beim Hauptproblem des ganzen Unterfangens aus Sicht der Gutmeinenden angekommen wäre. Im Antrag der Stadt München an die Uefa ist zwar richtigerweise von einem «Zeichen im Sinne der Weltoffenheit und Toleranz» und einem «weithin sichtbaren Signal für unser gemeinsames Werteverständnis» die Rede. Schön und gut, aber: Wieso setzte man dieses Zeichen der Toleranz im «Pride Month» Juni nicht einfach konsequent bei allen drei Vorrundenspielen der Deutschen?
Oberbürgermeister Dieter Reiter versuchte gar nicht zu verschleiern, worum es den Antragstellern auch – oder primär? – ging. Das Augenmerk habe den Einschränkungen gegolten, «die in Ungarn zu Lasten der Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender (LGBTIQ) gegeben sind».
Dabei sollten einem die «Zeichen der Toleranz» nicht erst in den Sinn kommen, wenn in autoritär geführten Staaten Gesetze verabschiedet werden.
Der Kampf um Gleichstellung, das Eintreten gegen Diskriminierung, Rassismus und Schwulenfeindlichkeit sollte immer unterstützt und nicht termingebunden politisch instrumentalisiert werden – also nur dann, wenn es politisch opportun erscheint und wenig Risiko birgt.
Es ist ja nicht so, dass man in Deutschland oder der Schweiz schon besonders weit wäre. Am Montagabend wurde bekannt, dass sich der erste aktive Spieler der amerikanischen Profi-Footballliga NFL als schwul geoutet hat.
Die Videobotschaft von Carl Nassib war allen grossen US-Medien eine Eilmeldung wert. Auf den ersten aktiven Spitzen-Fussballspieler, der ohne Angst zu seiner sexuellen Orientierung steht, warten Deutschland und die Schweiz bis heute.
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