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Sorge um Astronauten
Achtung, der Mond bebt

In this image, a mosaic composed of many images taken by NASA's Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO), and released by NASA on May 13, 2019, show new surface features (outlined) of the Moon, discovered in a region called Mare Frigoris. The Moon is steadily shrinking, causing wrinkling on its surface and quakes, according to an analysis of imagery captured by NASA's Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) published Monday May 13, 2019. (Photo by HO / NASA / AFP) / RESTRICTED TO EDITORIAL USE - MANDATORY CREDIT "AFP PHOTO / NASA/ HO" - NO MARKETING NO ADVERTISING CAMPAIGNS - DISTRIBUTED AS A SERVICE TO CLIENTS
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Als hätte die Nasa nicht schon genug Probleme damit, im September 2026 Astronautinnen und Astronauten erneut zum Mond zu schicken. Nun muss sie das Personal womöglich auch noch auf Mondbeben vorbereiten. Genau in der anvisierten Landeregion in der Nähe des Südpols drohen Mondlawinen aus Staub und Geröll. Infolge der Beben löst sich offenbar der nur locker geschüttete Mondboden häufig, berichtet ein Team von Forschenden der Nasa sowie US-amerikanischer Universitäten in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins «The Planetary Science Journal». Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler hochauflösende Bilder ausgewertet und anschliessend an ausgewählten Mondkratern am Computer simuliert, wie sich der Mondboden auf deren Hängen bei bestimmten Erdbebenstärken verhalten würde.

Dabei ist der Mond tektonisch weitgehend inaktiv. Anders als auf der Erde wandern keine Platten über seine Oberfläche. Seine Höhenzüge stammen vornehmlich von Asteroiden und Kometen, die auf ihm eingeschlagen sind und hohe Kraterwände aufgeworfen haben. Der Erdtrabant gilt daher als eingefrorenes Zeugnis seiner eigenen Entstehungsgeschichte – während auf der Erde geologisch gesehen nahezu nichts lange überdauert.

Auch die Kruste schrumpft

Trotzdem setzten die Apollo-Astronauten Seismometer auf den Mondboden. Bis 1977 arbeiteten sie und registrierten bis dahin insgesamt 28-mal, dass es auf dem Mond eben doch wackelt. Eines der stärksten aufgezeichneten Beben mit der Bezeichnung N9 SMQ erreichte am 13. März 1973 eine Magnitude von 5,6. SMQ steht für Shallow Moonquakes. Solche Beben ausserhalb von Plattengrenzen kennt man auch auf der Erde, beispielsweise aus Westaustralien mit Magnituden von bis gut 6.

Planetologen glauben auch sicher zu wissen, was diese Beben auslöst. Denn auch fast 4,5 Milliarden Jahre nach seiner Entstehung kühlt das heisse Innere des Mondes immer noch aus. Dabei zieht er sich wie eine trocknende Weintraube zusammen. Innerhalb von einigen Hundert Millionen Jahren hat der Mond so etwa 50 Meter seines Umfangs verloren, so das Ergebnis einer 2019 im Fachmagazin «Nature Geoscience» erschienenen Studie.

Dieses Foto – vom Lunar Reconnaissance Orbiter der Nasa aufgenommen – zeigt Faltenrillen in einer Region des Mondes namens Mare Frigoris. Der Mond schrumpft stetig, was zu Faltenbildung und Beben führt (veröffentlicht im Mai 2019).

«Mit dem Inneren muss natürlich auch die Kruste mitschrumpfen», sagt der Planetologe Ralf Jaumann von der Freien Universität Berlin. «Das geht aber nur, indem sich Krustenmaterial überschiebt.» Als Folge faltet sich an vielen Stellen der Boden auf und bildet Aufwerfungen, längliche Runzeln. Die Kameras der Nasa-Mondsonde Lunar Reconnaissance Orbiter hat bereits mehr als 3500 solcher Runzeln erfasst. An diesen klippenartigen Steilstufen entladen sich die Spannungen des Schrumpfungsprozesses schliesslich als Beben.

In ihrer Studie machten die Wissenschaftler um Thomas Watters von der Smithsonian Institution eine Gruppe dieser Rücken als wahrscheinlichen Ursprungsort des N9-Bebens aus: die bis zu 80 Meter hoch aufragenden De-Gerlache-Stufen, benannt nach dem belgischen Polarforscher Adrien de Gerlache.

Südpol ist als Landeplatz schwierig

Die Studienautoren nehmen an, dass es auf dem Mond nach wie vor bebt, denn die Steilhänge der überall anzutreffenden Störungen gehören zu den jüngsten geologischen Formationen auf dem Mond. Am Computer simulierten sie ein fünfminütiges Beben in 350 Meter Tiefe entlang der De-Gerlache-Störung mit einer Magnitude von 5,3. Die Simulation zeigte, dass ein solches oberflächennahes Beben auf dem Mond etwa 50 Kilometer weit reichen würde.

Bemerkenswert daran ist, dass die De-Gerlache-Stufen nur etwa 60 Kilometer weit entfernt vom Südpol verlaufen. Die Auswirkungen eines solchen Bebens würden somit auch die angedachten Landeplätze der Artemis-3-Astronauten erreichen. Der lunare Südpol ist als Ziel interessant, weil die Nasa-Forscher in dessen zahlreichen Kratern Wassereis vermuten, ein begehrter Rohstoff im Weltraum. Doch ein leichtes Ziel ist der Südpol nicht. «Für die Nasa ist das eine echte Herausforderung», so Jaumann. «Das ist wie eine Landung irgendwo im Zentrum der Schweiz.»

Noch besorgniserregender dürften für die Nasa-Planer aber die Ergebnisse einer weiteren Simulation der Studienverfasser sein. Gemäss den Berechnungen könnten schon leichte Erschütterungen das Lockermaterial, den sogenannten Regolith, auf den Hängen ab 30 Grad Neigung instabil werden lassen und als meterdicke Schicht ins Rutschen bringen können.

Suche nach Wasser auf dem Mond

«Die Beben sind nicht die eigentliche Gefahr», sagt Jaumann. «Denn Bewegungen mit einer Magnitude von 5 sind nicht besonders zerstörerisch. Eine Mondbasis würde dabei vielleicht ein bisschen wackeln, mehr nicht.» Auf den Regolith liesse sich ohne weiteres eine Mondstation bauen, da sich dieser Untergrund mit der Tiefe schnell verdichte. «Aber ist die Station an der falschen Stelle gebaut, kann ihr ein Hangrutsch gefährlich werden.»

Eine gute Nachricht für die Missionsplaner: Schon geringe Anteile von nur etwa 0,3 Prozent Wassereis im Regolith sorgten dafür, dass sich der Boden auf solchen Hängen stabilisiere, so die Studienautoren. Tatsächlich haben die Instrumente des Lunar Reconnaissance Orbiter in den Kratern des Südpols auch Wasser detektiert. Doch ein direkter Nachweis steht noch aus. Diesen wird frühstens der Mondrover Viper erbringen können, den die Nasa Ende dieses Jahres starten will.

Dass es sich bei den simulierten Hangrutschen keineswegs um reine Gedankenspiele handelt, zeigen hochauflösende Bilder des Lunar Reconnaissance Orbiter. Da die Verwitterung Landschaften auf dem Mond dunkel einfärbt, lassen sich geologisch junge Veränderungen häufig gut erkennen, weil sie vergleichsweise hell sind. Fast leuchtende Spuren im Inneren grosser Einschlagkrater weisen darauf hin, dass der Boden und ganze Felsblöcke an zahlreichen Stellen erst vor kurzer Zeit diese Hänge herabgerutscht sind – zum Teil mehr als zehn Kilometer weit.