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Raumfahrt zum Mond
Der teuerste Anzug aller Zeiten

Für alle Eventualitäten gerüstet: Vorführung eines neuen Astronautenanzugs der Nasa. 
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Das weisse Kleid der Marilyn Monroe, das in Billy Wilders «Das verflixte 7. Jahr» im Luftstrom wirbelt, erzielte bei einer Versteigerung 2011 umgerechnet 3,1 Millionen Franken. Die Ingenieurinnen und Ingenieure, die derzeit an einem neuen Raumanzug der Nasa tüfteln, dürften da nur milde lächeln. Ihre Objekte werden ein Vielfaches davon kosten.

Das wohl teuerste Kleidungsstück der Welt soll 2025 oder später bei der Artemis-3-Mission zum Einsatz kommen, wenn nach mehr als 50 Jahren wieder Menschen den Mond betreten sollen. Den Auftrag für die Raumanzüge hat die Nasa kürzlich an das Unternehmen Axiom Space vergeben. Allein für die Anzüge der ersten zwei Mondspaziergänger soll Axiom umgerechnet 222 Millionen Franken erhalten. Für weitere Missionen auf dem und am Mond sowie für die Internationale Raumstation ISS stellt die Nasa bis 2034 Aufträge im Wert von knapp 3,4 Milliarden Franken in Aussicht.

Für Kritiker einer neuen Mondlandung mag das Preisschild an der exklusiven Arbeitskleidung ein Beleg für den Irrsinn der ganzen Unternehmung sein. Es liegt jedoch daran, dass Raumanzüge nicht weniger sind als Raumschiffe in Miniaturform. Die Hightech-Bekleidung – nicht zu verwechseln mit den simplen Druckanzügen für Start und Landung – soll Astronauten und Astronautinnen in einer Umgebung von kaum zu überbietender Lebensfeindlichkeit schützen: Weltraumstrahlung, die von keiner Atmosphäre gefiltert wird, Oberflächentemperaturen zwischen plus 100 Grad und minus 180 Grad Celsius und dazu feinster, scharfkantiger Mondboden erfordern aufwendigste Technik.

Aussen stört Mondstaub, innen Schweiss

Der Regolith genannte Mondstaub setzt sich derart fest in das Gewebe von Raumanzügen, dass schon die Apollo-Astronauten am Ende ihrer Ausflüge aussahen wie Kumpel im Kohlebergbau. Der Staub gilt auch heute noch als akute Gefahr für Dichtungen, Gelenkverbindungen und Ventile. Dazu kommen die Ausdünstungen. «Astronauten schwitzen und atmen feuchte Luft aus», sagt der deutsche ESA-Astronaut Matthias Maurer. «Diese Luft mit weniger Sauerstoff und mehr CO₂ muss abtransportiert und durch das Lebenserhaltungssystem im Rucksack gereinigt und entfeuchtet werden.»

Raumanzüge sind daher in einer Art luftdichtem Zwiebellook aufgebaut, durch dessen Schichten zahlreiche Kabel und Schläuche führen, damit die Astronauten nicht überhitzen oder erfrieren und dabei immer trocken bleiben – wobei: Eine Toilette im Anzug gibt es nicht, Weltraumspaziergänger tragen Windeln.

Zwar besitzt die Nasa ein aktuelles Raumanzug-Modell, welches sie vor fast 50 Jahren für die US-Raumfähren produziert und später für die Reparatureinsätze ausserhalb der ISS weiterentwickelte. Aber die EMUs («Extravehicular Mobility Unit») genannten Kleidungsstücke sind für den Mond ungeeignet. «Die ISS-Anzüge sind für die Schwerelosigkeit entwickelt worden, nicht für die Mondoberfläche», sagt Maurer. Ihnen fehlen also die erforderlichen Moonboots, da ihre Träger nur im All umherschweben. «Ausserdem sind sie viel zu schwer und sperrig. Wenn ich mich damit hinknien wollte, um einen Stein anzuschauen, würde ich umkippen.»

«In den Anzug reinzugehen, ist wie eine Geburt im Rückwärtsgang, eine richtige Qual.»

Matthias Maurer, ESA-Astronaut

Auch der Anzug der ersten Mondlandung lässt sich nicht einfach modernisiert nachbauen. Die Apollo-Astronauten zogen ihn nur für einige Stunden an – und auch nur maximal dreimal pro Mission. Die Artemis-Astronauten sollen aber mehrere Wochen auf dem Mond verbringen und entsprechend häufiger in ihre Outdoor-Kleidung schlüpfen, um bis zu neun Stunden am Stück auf der Oberfläche zu arbeiten.

Ein neuer, xEMU genannter Anzug soll zudem mit aktueller Technik wie hochauflösenden Kameras und Weltraum-WLAN ausgestattet werden. Zudem müssen die Spezialanfertigungen künftig auch Astronautinnen passen, schliesslich soll dieses Mal eine Frau den ersten Schritt auf dem Mond tun. 

Vor allem aber sollen sich die Astronauten nicht mehr verrenken müssen, wenn sie in den Anzug steigen, der bisher quasi in eine Hose und ein recht starres Oberteil unterteilt ist. «Da reinzugehen, ist wie eine Geburt im Rückwärtsgang, eine richtige Qual», so Maurer. Pikanterweise nimmt sich der neue Anzug den russischen Orlan-Raumanzug zum Vorbild, dessen Ursprünge nicht weniger alt sind als die des EMU: «Beim Orlan steigt man durch eine rückwärtige Tür ein, das ist viel einfacher, und ich komme sogar allein hinein. Auch wenn der russische Anzug braun und alt aussieht – das ist Top-Engineering.»

Auch auf der ISS werden die Anzüge knapp

Das Problem der Nasa: Ihre Ingenieure forschen schon seit 15 Jahren an neuen Modellen und gaben dabei gut 386 Millionen Franken aus. Trotzdem gibt es immer noch keinen fertigen Anzug. Denn die Ingenieure kämpfen mit derart vielen technischen und organisatorischen Schwierigkeiten, dass sich die Verzögerungen mittlerweile auf fast zwei Jahre summieren, was der Nasa gleich zwei Probleme beschert.

Denn der xEMU sollte im besten Fall in angepasster Form auch auf der ISS zum Einsatz kommen. Dort geht zumindest den US- und ESA-Astronauten allmählich die Arbeitskleidung aus. Von den ursprünglich 18 angefertigten Anzügen sind nur noch elf einsatzfähig, deren Wartung im Jahr 145 Millionen Franken kostet. Und ein Exemplar fehlt, denn Matthias Maurer lief während seines Ausseneinsatzes Wasser in den Helm, der Anzug musste zur Inspektion auf die Erde geflogen werden.

Das andere Problem ist der Zeitplan: 2025 könnte knapp werden. Das liegt auch daran, dass sich die wechselnden US-Regierungen über Jahrzehnte nicht auf ein konkretes Missionsziel im Weltraum festlegen wollten. So wurde erst vor wenigen Jahren klar, dass die Astronauten in der felsigen Südpol-Region des Mondes landen sollen, erst dann konnte die Nasa mit der Entwicklung der Schuhe beginnen.

All ihre Probleme mit Kostensteigerungen und Verzögerungen versucht die Nasa nun – zur Überraschung des Astronauten-Korps – mit dem Servicevertrag mit dem privaten Unternehmen Axiom Space zu zerschlagen. Axiom darf dabei uneingeschränkt auf die Arbeit der Nasa zugreifen. Im Gegenzug verspricht das Unternehmen, die Anzüge zu einem festen Preis pünktlich zu liefern.

Dieses Beschaffungssystem setzt die Nasa auch bei anderer teurer Hardware ein, etwa bei Raketen und Raumschiffen. Dabei kauft die Nasa nur den Service des Partners, der sein Produkt auch für andere Zwecke verwenden darf. Das hat auch Axiom Space vor. Das Unternehmen organisiert für Weltraumtouristen Millionen Dollar teure Flüge zur ISS und baut eine private Raumstation, um sie in zwei Jahren an die ISS anzudocken. Für deren Wartung werden auch Raumanzüge benötigt.

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