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Luftig essen in der Kantine Hermetschloo
Mittagsfreuden über den Dächern von Altstetten

Auf der Terrasse der Kantine Hermetschloo kann man sich die Zeit mit Hochhaus-Raten vertun. 

Der Vegi hypert vor Euphorie. Gerade hat er die neue Velovorzugsroute vom Bullingerplatz nach Altstetten abgeradelt. Auf dieser, jubiliert er, sei das Velo nicht nur Beilage wie sonst in Zürich, sondern …

… «spar dir die Vergleiche», bremst der Karnivore. Hauptzutat bleibe auf dem Teller das Fleisch und auf den Strassen das Auto.

Weiter wird nicht gestritten. Zu toll ist der Ort, an dem sich die zwei getroffen haben. «Dieser Himmel, diese Aussicht», schwärmen die beiden, wie es wahrscheinlich 99 Prozent der Neuankommenden in der Kantine Hermetschloo tun. 

Drei Generationen von Zürcher Hochhäusern

Der Blick durch die fast durchgehenden Fenster des Dachrestaurants reicht von der neuen Skyline Altstettens über die bereits angejahrten Hochhäuser im Kreis 5 bis zum fast historischen Lochergut. Den Hintergrund bilden die Glarner Alpen. Dies zumindest behauptet der Vegi. Denn an diesem Maitag Jahrgang 2023 bedecken Wolken den weiten Himmel von Zürich-West. Das hat ebenfalls seinen Reiz. Gerade zieht sich spektakulär ein Schauervorhang zu. 

Die Kantine liegt im obersten Stock eines Gewerbehauses, in das sich seit Jahrzehnten die Kreativwirtschaft eingemietet hat. Früher fanden über den Dächern von Altstetten Partys statt. Sowohl der Karnivore wie der Vegi erinnern sich vage, hier in tiefer Vergangenheit gefeiert zu haben. 

Über Mittag geht es um Kalorien statt Promille, was sich nicht überriechen lässt. Ein Back-Öl-Nebelchen liegt im Raum, trotz weit offenen Fenstern. Schiene die Sonne, könnte man auf die grosse Terrasse ausweichen. Der Regen legt das Drinnenbleiben nahe.

Ein Tagesteller in der Kantine Hermetschloo: Samosa im Blätterteig, Karotten-Chutney, Kokos-Kirchererbsen und Spinat-Soja-Salat. 

Die Tische sind an diesem Donnerstagmittag fast alle besetzt. Bestellt wird an einem Selbstbedienungstresen, vor dem die beiden eine kleine Pause einlegen müssen. Knapp vor ihnen hat sich eine Gruppe Büromenschen eingereiht. So viel Überlegungszeit wäre nicht nötig gewesen. Denn es gibt nur eineinhalb Menüs: Edamame-Lauch-Gemüse und Curryreis, einmal mit überbackenem Poulet (23.50), einmal mit überbackenem Blumenkohl (21.50 Franken). Inbegriffen ist eine Tagessuppe.

Weil das Poulet gerade am Ausgehen ist, als der Karnivore bestellt, kann er später einen Zuschlag abholen. Dieses Angebot bereitet ihm ähnlich viel Freude wie dem Vegi die Velovorzugsroute. «Toll, dieser Knuspermantel», schwärmt er kauend. «Bist du nicht langsam zu alt für Chicken-Nuggets?», fragt der Vegi. Um gleich selber zu loben: Alles schmecke frisch und knackig, einfach hervorragend. «Das könnte man geradeso gut in einem Restaurant im Zentrum bekommen, einfach viel teurer.» Dies gilt auch für das Dessert aus Safranmousse mit Rhabarber-Ingwer-Kompott (5.50 Franken für eine kleine Portion), dessen Geschmäcker nicht von zu viel Zucker verschüttet werden.

Die zwei könnten noch lange auf dem Dach sitzen und dem Tanzen der Wolken zusehen. Aber Mittagessen lassen sich im Gegensatz zu Partys nicht ewig strecken.

Draussen hat sich der Regen verstärkt. «Angenehmes Heimfahren auf deiner Vorzugsroute», wünscht der Karnivore. Nasse Kleider trockneten rasch, entgegnet der Vegi. Dafür rieche er dank der Durchlüftung für den Rest des Tages nicht mehr nach überbackenen toten Hühnern.

In der wöchentlichen Gastrokolumne «Bon App» lesen Sie, was wir bei unserem anonymen Besuch in Zürcher Restaurants erlebt und gegessen haben.

Beat Metzler und Marcel Reuss