E-Bike-Anbieter Ego MovementMit Retro-Rädern auf der Überholspur
Von einer Zufallsbekanntschaft zur erfolgreichen Firma: Wie sich Marie So und Daniel Meyer im wachsenden Elektrobike-Markt etabliert haben.
Die Firmengeschichte des Zürcher E-Bike- und Scooter-Herstellers Ego Movement beginnt im südchinesischen Sanya auf einem Flughafen. Marie So und Daniel Meyer wollen beide ein Taxi. Doch nur ein Wagen ist verfügbar. Also entscheiden sich beide spontan, das Taxi zu teilen.
Im Wageninnern dreht sich das Gespräch um Käse: Meyer, der seine ETH-Masterarbeit an der Hong Kong University schreibt, schwärmt vom Schweizer Käse. Marie So, ebenfalls Ingenieurin, erzählt, dass sie nach einigen Berufsjahren im Investmentbanking und ihrem Harvard-Abschluss nun Hirtenfamilien im tibetischen Hochland dabei unterstütze, mit der Yak-Zucht ein stabiles Einkommen zu erzielen. Und dass dabei der Yak-Käse eine Schlüsselrolle spiele.
Vom Problem zur Geschäftsidee
Und weil ein Zufall selten allein kommt, finden die beiden im weiteren Gespräch noch heraus, dass sie in der Millionenstadt Hongkong keine 200 Meter voneinander entfernt wohnen. Aus der Zufallsbekanntschaft wird bald eine Beziehung.
Nach gemeinsamen Jahren in Ho-Chi-Minh-Stadt und Peking entscheiden sie sich 2015 für den Umzug in die Schweiz. Statt Elektromotorräder, wie sie sie in China regelmässig benutzt haben, möchten sie sich hier E-Bikes anschaffen. «Bei der Recherche stellten wir fest, dass wir die Qual der Wahl hatten zwischen sündhaft teuer und unattraktivem Design», erinnert sich Daniel Meyer.
Ein formschönes Modell zu einem vernünftigen Preis habe er jedenfalls nicht gefunden. Und das war der Auslöser für ihre Unternehmensgründung. Beide hatten schon unternehmerische Erfahrung gesammelt, zudem kannten sie sich mit Elektrotechnik aus – da lag der Schritt nahe, aus dem persönlichen Bedürfnis eine Geschäftsidee zumachen: ein smartes, leistungsstarkes und formschönes Elektrovelo für unter 4000 Franken in eigenen Läden anzubieten. So ein Velo müsste bei einer jungen, urbanen Kundschaft mit kurzen Pendelwegen Anklang finden, glaubten beide.
Ihre Marktanalysen waren dabei denkbar einfach: Meyer und So befragten einfach ihren Freundeskreis. «Praktisch alle haben uns abgeraten, in diesen Markt einzusteigen», erinnert sich Marie So. Doch die Vorfreude der beiden «unverbesserlichen Optimisten» war da bereits zu gross.
«Die meisten Elektrobikes sind stark auf männliche Kundschaft ausgerichtet, unsere Kundschaft dagegen besteht zu zwei Dritteln aus Frauen.»
Meyer und So entwickelten erste Prototypen und bezogen einen Pop-up-Store in Frau Gerolds Garten bei der Hardbrücke in Zürich. Sie tauften ihre erste Produktelinie Cleopatra & Cäsar, was gut zum Retrolook der Räder passte. Doch deren Innenleben war modern: Ein 350-Watt-Mittelmotor und ein leistungsstarker Akku sorgten für eine Tretunterstützung von bis zu 25 Stundenkilometern und eine Reichweite von 80 bis 100 Kilometer.
Und die Vintage-Modelle kamen besonders bei jungen Frauen gut an: «Die meisten Elektrobikes sind stark auf männliche Kundschaft ausgerichtet», sagt Daniel Meyer, «unsere Kundschaft dagegen besteht zu zwei Dritteln aus Frauen.» Die Resonanz auf die ersten Prototypen, die Meyer und So mit eigenem Erspartem entwickelt und produziert hatten, war so gut, dass sie private Investoren an Bord holen konnten. Mit dem frischen Geld bauten sie eine eigene Produktion auf und mieteten Verkaufsläden.
Komplette Produktpalette
Fünf Jahre nach der Gründung betreibt Ego Movement heute Shops in Zürich, Winterthur, Bern, Basel, Luzern, Zug, Vaduz, Stuttgart, München und Hamburg. Auf der Lohnliste stehen bereits über 40Angestellte. Entwickelt, zusammengebaut und repariert werden die E-Bikes auf 1000 Quadratmetern am Produktionsstandort in Wallisellen; die Vormontage findet in Deutschland oder Asien statt.
Neben den normalen Elektrobikes, die es in den Varianten klassisch und sportlich gibt, stellt Ego Movement auch E-Cargo-Bikes für den Transport von Waren oder Kindern her. Und seit neustem ergänzen Elektro-Scooter das Sortiment. Damit ist Ego Movement laut eigenen Angaben der einzige Anbieter, der alle drei Produktkategorien unter einem Dach anbietet.
Doch eigentlich, so erläutert Marie So beim Gespräch im Showroom in Zürich-Oerlikon, versteht sich Ego Movement nicht primär als Elektrovelo-Verkäufer, sondern als Anbieter für Mobilitätslösungen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die hauseigene Softwareplattform, die es beispielsweise ermöglicht, dass in einem Haushalt oder in einem Unternehmen Fahrräder von mehreren Personen genutzt werden können und dass die Sicherheitssensoren an den Rädern grösstmöglichen Diebstahlschutz gewährleisten. Mittelfristig sollen die Sensoren auch ermöglichen, den Verkehrsfluss in Echtzeit zu messen und so Staus zu vermeiden.
Expansion geplant
Zu den Firmenkunden von Ego Movement gehören die ETH, Zürich Tourismus und Hotels wie das Park Hyatt. Unterstützt wird das Unternehmen indirekt auch vom Bundesamt für Umwelt, das über den Technologiefonds eine Bürgschaft gewährt hatte.
Gemäss einer Studie, die Ego Movement gemeinsam mit Myclimate realisiert hat, ersetzen 53 Prozent der Kunden mit dem E-Bike Autofahrten. «Wir leisten also einen Beitrag zu einem flüssigeren und ökologischeren Nahverkehr in den Städten», sagt Daniel Meyer. Die Studie habe ergeben, dass pro Person und Woche so 5,6 Kilo CO₂ eingespart würden.
Bald will Ego Movement nicht nur in Schweizer und deutschen Städten präsent sein, sondern auch nach Österreich, in die Benelux-Länder und die USA expandieren. Auch Japan und Korea wären spannend, ergänzt Marie So. Der frühere Lebensmittelpunkt Hongkong dagegen ist einstweilen kein Thema: Dort sind E-Bikes per Gesetz verboten.
Mathias Morgenthaler war Wirtschaftsredaktor bei Tamedia und ist heute als Autor, Coach
und Referent tätig. Er ist Autor der Bestseller «Aussteigen – Umsteigen» und «Out of the
Box» und Betreiber des Portals www.beruf-berufung.ch
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