American Football in der SchweizMit einem neunfachen Grossvater als Trainer
Die Schweiz hat mit den Helvetic Guards ein erstes international antretendes American-Football-Team. Doch noch wissen sie nicht, wer für sie spielen wird und wo sie zu Hause sind.
Die Namen Norm Chow, Don Clemons oder Mike Wilson sind den meisten hierzulande kein Begriff. In der Welt des American Footballs sind sie aber bekannte Grössen. Wilson (63) hat als Spieler zwischen 1981 und 1989 viermal die Superbowl gewonnen. Seither gelang das nur Charles Haley (fünfmal) und Tom Brady (siebenmal) öfter. Der 76-jährige Chow trainiert seit 1970 College- oder NFL-Teams. Vor wie vielen Menschen er schon gecoacht und gespielt hätten, 80’000?, lautet die Frage. «Locker», antwortet Chow cool.
Künftig stehen die drei gemeinsam mit vier weiteren Trainern an der Seitenlinie des neu gegründeten Schweizer Footballteams Helvetic Guards. Wo diese Seitenlinie sein wird, ist allerdings noch unklar, die Guards haben noch keine Spielstätte in der Schweiz gefunden. Ein Video der europäischen Liga (ELF), in der das Team spielen wird, preist Zürich als Heimatstadt an. Geschäftsführer Toni Zöller sagt jedoch, dass das weiter offen ist.
Am ersten Oktober-Wochenende fand in Emmen (LU) ein zweitägiges Try-out-Training statt, bei dem sich die besten Spieler der Schweiz und Umgebung beweisen konnten, um einen von 50 Plätzen im Kader zu ergattern. Sie würden von ihren aktuellen Clubs zu den Guards wechseln. Über 180 Männer wollten dabei sein. Als «aufregend and spassig» beschreibt Wilson das Auswahl-Training.
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Die europäische Football-Liga ist gerade mal zwei Saisons alt. Angefangen hat sie mit acht Teams, vergangene Saison waren es zwölf und in der kommenden werden es schon 18 sein – eines davon sind die Guards. Ihre Gegner kommen aus Prag, Mailand, Barcelona, Berlin oder Istanbul. Die aktuellen Champions sind die Vienna Vikings.
Anders als die Guards waren die Wiener ein bestehendes Team der heimischen Liga, das sich entschied, der ELF beizutreten. Die neu geründete Mannschaft aus der Schweiz will im Juni 2023 zum Saisonstart in die europäische Meisterschaft einsteigen, im Frühjahr wird das Training aufgenommen. Die Helvetic Guards sind eine Franchise und kein Club. Das heisst, sie agieren nicht autonom, sondern sind ein Lizenznehmer der europäischen Liga. Es ist ein System, das vor allem in der US-amerikanischen Profiligen diverser Sportarten verbreitet ist.
Freunde statt Feinde
Dadurch wird die Schweizer Liga um 50 Spieler geschwächt. Olaf Kupischna, Präsident und Spieler der Zürich Renegades, ärgert sich aber keineswegs darüber. Kurzzeitig werde die Liga zwar wohl der besten Spieler beraubt, aber «die ganze Football-Schweiz profitiert von den Guards». Langfristig soll sogar eine Kooperation entstehen: Kupischna bestätigt Gespräche mit Zöller von den Guards. Die Franchise plane keine Jugendabteilung, sondern wolle mit den Renegades zusammenarbeiten.
Kupischna enerviert sich einzig ein wenig, weil die Zürcher auch der ELF beitreten wollten und im Hintergrund bereits Pläne zur Professionalisierung geschmiedet hatten, diese im Zuge der Lancierung der Guards aber wieder auf Eis legten. «Zwei Teams in der europäischen Liga braucht die Schweiz aktuell aber nicht», erklärt er.
«Viele sind mit dem Verein eng verbunden und verlassen diesen nicht einfach.»
In den Renegades hat Zöller mit seinem Projekt Freunde gefunden. Aber auch beim aktuellen Meister der Schweizer Liga, den Bern Grizzlies, zeigt man sich von den Guards nicht eingeschüchtert. Adrian Fahrni, Teammanager der Grizzlies, weiss, dass einige seiner Spieler beim Vorspielen der Guards waren. Er ist aber sicher, dass sein Team nicht auseinanderbrechen wird: «Viele sind mit dem Verein eng verbunden und verlassen diesen nicht einfach.» Zudem komme dazu, dass alle nebenbei arbeiten und abends die Trainings besuchen. Ein zu langer Weg schrecke ab. «Ich bin aber gespannt», kommentiert Fahrni die Entwicklung der Guards.
Ein Guards-Trainer kennt die Renegades und die Grizzlies bereits – zumindest als Gegner. Don Clemons (68) trainierte während der letzten fünf Jahre die Thun Tigers, nachdem er zuvor 27 Jahre lang für das NFL-Team seiner Heimatstadt, die Detroit Lions, verantwortlich gewesen war. Am Alter und ziemlich sicher auch am finanziellen Polster gemessen, könnte er sich längst komfortabel zur Ruhe setzen.
Das gilt wohl für jeden neu engagierten Coach der Guards, aber das Feuer brennt noch. Und darum steht im Linkedin-Profil des humorvollen Clemons «semi-retired», also nur mit einem Fuss in Pension. «Irgendwann kommt man an einen Punkt in seiner Karriere, wo man merkt, wie viele Leute einem während der ganzen Zeit geholfen haben. Jetzt ist es an uns, etwas zurückzugeben», nennt Chow, ein neunfacher Grossvater, den Grund für sein Abenteuer in der Schweiz. Die Football-Saison dauert circa sechs Monate. Die sieben Coaches haben vor, die Strecke USA-Schweiz im Halbjahrestakt zurückzulegen. Allesamt sind sie in den Staaten zu Hause.
Wie gross wird das?
Aber die europäische Liga wächst schnell und könnte dies auch weiter tun. Es würde helfen, die Sportart populärer zu machen. In Europa – und in der Schweiz, mit den Helvetic Guards als Vorreiter. Auch wenn die Komplexität dieser Sportart potenzielle neue Fans abschrecken könnte, ist die Organisation gewillt, Football hierzulande vielen schmackhaft zu machen. Clemons erzählt, wie er seine Nachbarn aus Thun als Zuschauer habe gewinnen können. «Auch wenn sie nicht verstanden haben, was auf dem Feld abgeht, hat es ihnen gefallen.»
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Die USA zelebrieren Sport auf eine ganz eigene Art. Ein Spieltag ist ein soziales Ereignis, Leute finden zusammen, veranstalten Barbecues auf dem Stadionparkplatz und verfolgen das Geschehen auf dem Feld unter Umständen nur nebenbei. «Sport ist auch eine Flucht aus dem alltäglichen Leben», nennt es Wilson, der glaubt, dass der durchschnittliche amerikanische Fan den Sport nicht wirklich versteht. Gemäss Zöller besteht der erste Schritt darin, den Menschen in der Schweiz zu einer guten «Game Day Experience» zu verhelfen.
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