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Winterthurer Youtuber
Mit einem 5-Franken-Budget entlarvte er die Corona-Verschwörer

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Es ist gerade nicht einfach, Corona-Verschwörer zu sein. Seit Wochen kursiert in den einschlägigen Kanälen die Warnung eines selbst ernannten Wunderheilers: «Im September sind fast alle Geimpften tot.» Und nun scheint die Oktobersonne golden vom Himmel – und die Impfüberlebenden feiern ausgelassen ins Wochenende.

Und dann ist da noch «Sputim». Oder Sasha, wie der 33-jährige Winterthurer mit bosnischen Wurzeln im echten Leben heisst. «Ein Secondo, der in die Sek B ging, hat es mit 5 Stutz geschafft, Tausenden von Leuten einen absoluten Quatsch-Artikel unterzujubeln», triumphiert er in einem Youtube-Video.

Hintergrund der Aussage: Sasha entlarvte mit gefälschten Berichten über angebliche Impfschäden die Mechanismen der Verschwörungsindustrie.

So platzierte er eine frei erfundene Geschichte bei einem Schweizer Telegram-Kanal, der sich nach eigenen Angaben der Dokumentation von Impfschäden widmet und über 31’000 Mitglieder zählt. Der Administrator veröffentlichte die Behauptungen ungeprüft.

Das sei der Startschuss gewesen, erzählte der junge Mann dem Onlineportal «Watson», das zuerst über den Stunt berichtet hat. Er habe sehen wollen, wie weit er mit seinen absurden Storys gehen könne.

Erfundene Ärzte und Popkultur

Also bastelte Sasha, der als Freelancer im Bereich Webdesign tätig ist, «eine billige Newsseite mit dem üblichen Querdenker-Flair», wie er im Video ausführt. Die notwendigen Bausteine waren schnell beieinander: Die Website erstellte er mit Wordpress, für die Domain wendete er die besagten5 Franken auf. Ein esoterisch angehauchter Name – Lichtmacher.info – war rasch gefunden, das dazupassende Logo, eine ikonisierte Sonne, ebenfalls.

Sasha sagt: «Ein Secondo, der in die Sek B ging, hat es mit 5 Stutz geschafft, Tausenden von Leuten einen absoluten Quatsch-Artikel unterzujubeln.»

Die meisten Inhalte kopierte Sasha ganz einfach von US-Verschwörungsseiten und übersetzte sie mithilfe eines kostenlosen Onlinetools automatisch ins Deutsche. Dazu verfasste er einen Artikel, «in dem es darum geht, dass Kinder wegen der Impfung auf brutalste und unlogischste Weise sterben». Da explodieren schon einmal Gehirne.*

Garniert hat Sasha das Ganze mit popkulturellen Referenzen, erfundenen Ärzten und Wörtern, «die ich noch nie in meinem Leben gehört habe und auch nicht weiss, was sie bedeuten». Und natürlich mit «Quellenangaben, die nichts mit dem Thema zu tun haben».

«Ich möchte eine Diskussion über das Thema Medienkompetenz anstossen.»

Sasha aka Sputim

Er habe den Leserinnen und Lesern «mehr als genug Chancen gegeben, zu merken, dass da etwas nicht stimmt», bilanziert der 33-Jährige. Dennoch dauerte es nur wenige Minuten, bis sich der Artikel rasant zu verbreiten begann. Selbst der deutsche Sänger Xavier Naidoo teilte ihn mit seinen über 104’000 Abonnenten auf Telegram.

Wer den Link heute anklickt, findet nur noch eine kurze Notiz von Sasha vor: «Liebe Schwurbler, danke, dass ihr die Fake-Story mit dem Sputim-Krankheitsverlauf so fleissig geteilt habt. Lichtmacher.info hat seinen Zweck erfüllt und euch blossgestellt.»

Leider glaube er nicht, dass er mit der Aktion diejenigen erreiche, die «schon richtig tief im Verschwörersumpf stecken», sagt Sasha im Gespräch mit dieser Redaktion. Aber er hoffe, dass jenen Personen ein Licht aufgehe, die sich fragten, ob an all den scheinbar kritischen Berichten nicht vielleicht doch etwas dran sein könnte. «Und ich möchte eine Diskussion über das Thema Medienkompetenz und die Glaubwürdigkeit von Quellen anstossen.»

Seine Aussagen kontrastieren mit der teils vulgären Sprache im Video. «Das ist Absicht – Teil meiner Kunstfigur Sputim», sagt Sasha, der vor rund zehn Jahren bereits einige Erfolge mit Parodien auf bekannte Filme und Serien feierte. Im Alltag rede er nicht so.

Nach Publikation seines jüngsten Videos wurde er von einem Lehrer angefragt, ob er eine hochdeutsche Version ohne Kraftausdrücke produzieren könnte. «Warum auch nicht», meint Sasha. «Das passt dann zwar nicht mehr wirklich zur Marke. Aber hey: Wenn man sieht, wie viel Schaden die Verschwörungstheorien gerade anrichten, sollte ich mir das vielleicht überlegen.»

*Anmerkung: Youtuber Sputim räumt ein, seinen Artikel über angebliche Impfschäden bei Kindern nach der Veröffentlichung noch modifiziert und um abstruse Beispiele ergänzt zu haben. So war etwa die Passage, wonach die Gehirne der geimpften Kinder explodieren, in der ursprünglichen Fassung nicht enthalten. Eine Telegram-Gruppe, die die Inhalte verbreitet hat, legt wert auf die Feststellung, man habe den Artikel vor dieser Abänderung gepostet. Allerdings strotzte auch der ursprüngliche Artikel des Youtubers vor erfundenen Begriffen. Gewarnt wurde etwa vor dem neuartigen «Sputim-Krankheitsbild».