Mit dem Rollstuhl im NationalratPhilipp Kutter wird mit stehender Ovation begrüsst
Nach seinem Skiunfall hat der Wädenswiler Philipp Kutter (Die Mitte) wieder an einer Sitzung im Nationalrat teilgenommen. Das war nicht nur für ihn emotional.
Geschickt manövriert Philipp Kutter seinen Elektrorollstuhl durch die Gänge des Bundeshauses. Dankbar lächelt er den Kolleginnen und Kollegen zu, die ihm die Tür zum Nationalratssaal aufhalten – und steuert gezielt einen Platz bei der SP-Fraktion an, wo er an diesem Mittwoch Asyl bekommt und freundlich begrüsst wird. Denn der Mitte-Nationalrat und Stadtpräsident von Wädenswil ist zum ersten Mal nach seinem Skiunfall wieder im Nationalrat. Seinen angestammten Platz erreicht er mit seinem Rollstuhl nicht.
An seinem provisorischen Platz findet Kutter Blumen und Schöggeli. Und kurz nach Kutters Ankunft spricht Nationalratspräsident Martin Candinas (Die Mitte) warme Begrüssungsworte: «Lieber Philipp, deine Rückkehr in den Nationalrat nach sieben Monaten freut uns ausserordentlich. Für mich und wohl für viele andere gehört deine Rückkehr zu den Höhepunkten dieser Herbstsession.»
Und die Emotionen schwingen in seiner Stimme mit, als er hinzufügt: «Du machst vielen Menschen mit Behinderungen Mut und bist für sie ein Vorbild.» Worauf im Saal eine stehende Ovation losbricht, die fast eine Minute dauert und die Philipp Kutter sichtlich gerührt geniesst.
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Zwar schwenkt Candinas unmittelbar darauf zurück auf die politische Debatte. Traktandiert ist das Bundesgesetz über das Gesichtsverhüllungsverbot. Doch ein guter Teil der Aufmerksamkeit im Saal ist bei Philipp Kutter.
Händeschütteln und Schulterklopfen
Bei seinem Platz herrscht ein reges Kommen und Gehen. Politikerinnen und Politiker aller Couleur und aus allen Landesteilen begrüssen ihn persönlich – oft per Handschlag, Küsschen oder Schulterklopfen. Kutter seinerseits ist ganz in seinem Element, hat ein Dauerlächeln im Gesicht und antwortet eloquent in Deutsch, Französisch und Italienisch.
So vertieft ist Kutter in die Gespräche, dass er die Begrüssung durch Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (SP), die ebenfalls an der Sitzung teilnimmt, verpasst. Sie wird diese später in der Wandelhalle persönlich nachholen.
Auch in der Wandelhalle ist Kutter ein gesuchter Gesprächspartner. Er steht zahlreichen Medien Rede und Antwort. Dieser erste Tag, den er im Rollstuhl im Parlament verbringe, sei für ihn sehr emotional, schliesslich sei der Weg ein Meilenstein auf seinem Weg zurück in den politischen Alltag. «Ich war nervös», sagt er.
Es sei berührend, wie herzlich er begrüsst werde und wie hilfsbereit alle seien. «Normalerweise bekommt man als Nationalrat nur zweimal eine Standing Ovation, beim Eintritt und beim Austritt. Heute habe ich nun noch ein Zusätzliche bekommen…»
Die Krux mit der Abstimmung
Kutter, der sagt, dass er die politische Debatte sehr vermisst habe, hat an seinem ersten Tag im Nationalrat auch bereits wieder abgestimmt. «Ich bin sehr froh, dass das funktioniert.»
Weil er sich bei seinem Unfall am 3. Februar zwei Halswirbel gebrochen hat und das Rückenmark erheblich verletzt worden ist, kann er seine Hände nur minimal verwenden. Das elektronische Zwei-Punkte-Abstimmungssystem im Nationalratssaal könnte er nur schwer bedienen. Dank einer neuartigen Software kann er via sein Tablet abstimmen. «Ich bin der Anlass, dass diese Lösung gesucht und gefunden wurde. Dafür bin ich sehr dankbar.»
Kutters Besuch im Nationalrat am Mittwoch hatte erst den Charakter eines Praxistests. Er hat den Tag in Begleitung seiner Frau und zweier Fachleute aus dem Schweizerischen Paraplegiker-Zentrum absolviert.
Viele offene Fragen
Es ging darum, herauszufinden, welche baulichen Anpassungen allenfalls noch nötig sind, damit er sich im Bundeshaus möglichst selbstständig bewegen kann. Und ob er einen ganzen Tag überhaupt durchsteht.
Es sind noch viele Fragen offen. Zum Beispiel kommt Kutter mit seinem Elektrorollstuhl nicht ans Rednerpult im Nationalrat, obwohl erst kürzlich eine Rampe installiert worden ist. Kutters Parteikollege Christian Lohr, der ebenfalls im Rollstuhl sitzt, kommt diese zu Gute. Kutters Rollstuhl ist aber zu gross.
Der Wädenswiler, dessen Rehabilitation in Nottwil noch in vollem Gang ist, möchte ab der Wintersession wieder ins politische Geschehen in Bundesbern eingreifen – vorausgesetzt, er schafft am 22. Oktober die Wiederwahl in den Nationalrat oder die Wahl in den Ständerat.
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