Kommentar zu Ukraine-FlüchtlingenMisstrauen dominiert die Willkommenskultur
Die Betreuung der Gastfamilien ist minimal und wird von den kantonalen Sozialbehörden so kompliziert gemacht, dass es nur noch peinlich ist.
Als Schweizer Gastfamilie kommt man mit den Untiefen des hiesigen Asylwesens näher in Kontakt, als einem lieb sein kann. Da muss man feststellen, dass das Amt für Migration und Bürgerrecht, das im Kanton Baselland immerhin 36 Vollzeitstellen umfasst, seinen Serviceauftrag so auffasst, dass es an vier von fünf Nachmittagen telefonisch einfach nicht erreichbar ist. Begründung von höchster Stelle: Die Angestellten müssen auch einmal arbeiten.
Man muss auch feststellen, dass dieses Migrationsamt irgendwo in einem hässlichen Gebäude mitten in einem Gewerbegebiet verlocht ist, als wollte man die Möglichkeit, dass man als Ausländer hier Aufnahme findet, nicht nur vor diesen Ausländern, sondern auch vor der schweizerischen Öffentlichkeit verstecken.
Knausrigkeit als oberstes Gebot
Als Gastfamilie erlebt man zudem hautnah, dass im Asylwesen Knausrigkeit oberstes Gebot ist. Der monatliche Betrag, der einem Flüchtling von der Sozialhilfe zusteht, liegt irgendwo zwischen 200 und 500 Franken. Die genaue Höhe ist abhängig vom Kanton und von der Grösse der Wohngemeinschaft. Es handelt sich oft um ein beschämendes Trinkgeld, peinlich in jeder Hinsicht. Die Höhe der Entschädigung wurde mit Sicherheit von Leuten entschieden, bei denen solche Beträge wohl nicht einmal für eintägige Geschäftsreisen ausreichen.
Auch der Umgang der Sozialbehörden mit den Gastfamilien spottet jeder Beschreibung. Obwohl der Bund 1500 Franken pro Flüchtling und Monat an die Kantone überweist. Obwohl er für jeden Flüchtling auch noch 3000 Franken zum Erlernen der deutschen Sprache zur Verfügung stellt. Obwohl die Gastfamilien nicht nur bei der Unterbringung, sondern auch bei der Integration der ukrainischen Flüchtlinge unschätzbare Dienste übernehmen, werden sie von den Sozialbehörden weder mit Rat noch Tat unterstützt. Und wenn es darum geht, sie in minimalster Weise für ihre Dienste zu entschädigen – denn sie übernehmen ja mit der Flüchtlingsbetreuung eine genuin staatliche Aufgabe –, macht man das so kompliziert wie nur möglich.
Beispiel: Im Kanton Bern steht den Gastfamilien zwar ein Betrag von 195 Franken pro Person und Monat zu, aber nur rückwirkend und nur bei einem Mindestaufenthalt von drei Monaten – ein Beitrag, den die Gastgeber dann auch noch selber beim Staat beantragen müssen. Wer nichts fordert, bekommt auch nichts, obwohl die Behörden bestens im Bild sind über die Namen und Leistungen der Gastfamilien. Eine proaktive Information der Gastfamilien gab es bisher nicht. Viele von ihnen werden von ihrem Anrecht auf einen Unkostenbeitrag gar nichts wissen. Das ist umso stossender, als die Kantone vom Bund ja gerade auch für die Unterbringung der Flüchtlinge Geld erhalten.
Gastfamilien erhalten keine Anerkennung
Der Staat schenkt den Gastfamilien für ihre Dienste keine Anerkennung, sondern behandelt sie wie Bittsteller, indem er sie zwingt, die hohle Hand zu machen. So auch im Kanton Zürich. Da gibt es in den ersten Monaten überhaupt kein Geld für die Gastfamilien. Wer Geld will, der muss mit seinen Flüchtlingen, die er zuerst drei Monate gratis beherbergt hat, einen Mietvertrag abschliessen. Zudem muss er der Sozialbehörde seinen Jahreshaushalt transparent machen, also wie ein Sozialhilfeempfänger die Hosen runterlassen. Die für die Flüchtlinge anfallende Miete werde dann von der Sozialhilfe übernommen, heisst es.
Auch im Kanton Baselland hat man sich überlegt, wie man den im Vergleich zu den Mietkosten, die in einer Sozialwohnung anfallen würden, geradezu peinlich geringen Betrag von 100 Franken pro Flüchtling und Monat so an die Gastfamilien verteilt, dass es für alle Beteiligten möglichst unangenehm ist. So wird das Geld nicht den Gastfamilien direkt überwiesen, was diese ja als Belohnung für ihre Leistungen missverstehen könnten, sondern geht auf das Konto der Flüchtlinge. Diesen wird dann mitgeteilt, dass sie das Geld an die Gastfamilie abgeben sollen. Schwer vorstellbar, dass die Gastgeber die Habenichtse, mit denen sie unter einem Dach wohnen, zur Kasse bitten werden. Wenn es der Sozialbehörde also wirklich darum ginge, die Gastfamilien (symbolisch) zu honorieren, dann gibt es keinen anderen Weg als die direkte Überweisung.
Das macht der Kanton Basel-Stadt in vorbildlicher Weise. Auch wenn er die monatlichen 250 Franken nicht pro Flüchtling, sondern pro Gastfamilie ausbezahlt – egal, wie viele Flüchtlinge sie beherbergt, so geht dieser Betrag doch direkt an die Gastgeber, die von der Sozialhilfe von Anfang mit Rat und Tat unterstützt werden. Und das schon in den ersten drei Monaten. Wenn die Beherbergung länger dauert, dann sind auch die Basler Gastfamilien dazu aufgefordert, einen Vertrag mit den Flüchtlingen aufzusetzen, der dem Mietverhältnis einen rechtlichen Rahmen gibt.
Bundesgelder in die eigene Tasche
Es gibt keine Gastfamilie, die Flüchtlinge aufnimmt, um daran zu verdienen. Aber es gibt die Pflicht der Kantone und Gemeinden, die Gastfamilien bei ihrer Flüchtlingsbetreuung zu beraten, ihrer Mitarbeit an der schweizerischen Willkommenskultur Anerkennung zu zollen und sie von Anfang an finanziell zu unterstützen. Denn die Beiträge des Bundes sind explizit für die Unterbringung der Flüchtlinge gedacht. Und wenn das in Massenlagern oder Sozialwohnungen geschieht, dann kommt das die Kantone und Gemeinde mit Sicherheit viel teurer zu stehen, als wenn das die Gastfamilien übernehmen.
Last but not least: Es kann doch nicht sein, dass die Kantone die Flüchtlingsbetreuung so knauserig gestalten, dass sie einen beachtlichen Anteil der Bundesgelder von 1500 Franken pro Ukraineflüchtling und Monat in die eigene Tasche wirtschaften können.
Der Autor beherbergt selbst seit sechs Wochen ukrainische Gäste und hat darüber in den Tamedia-Zeitungen ein Tagebuch geführt.
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