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Experte zu Missbrauchsfällen in Pfadis
«Diese Gruppen sind Hochrisikozonen»

Zürich, 21.07.2020 
Stefan Loppacher Präventionsbeauftragter gegen sexuellen Missbrauch für die katholische Kirche im Kanton Zürich und das ganze Bistum Chur.
Bild: Johanna Bossart
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In der katholischen Pfadigruppe «Feuerkreis Niklaus von Flüe» bewegten sich bis vor kurzem zwei Priester, gegen die es schwere Vorwürfe von Übergriffen gibt. Einer hat seine Handykamera auf die Brust von Mädchen gerichtet. Die Pfadigruppe gehört nicht den Verbänden Schweizer Pfadibewegung oder Katholischer Pfadi an. Sie gilt als erzkonservativ.

Stefan Loppacher, hat die Pfadigruppe «Feuerkreis Niklaus von Flüe» die Präventionskonzepte gegen sexuelle Übergriffe der Bischofskonferenz übernommen?

Wir hatten noch nie Kontakt mit dem «Feuerkreis». Weder haben sie uns für Kurse oder Lehrmaterial für Leitungspersonen angefragt noch selber ein Konzept vorgelegt. Es lässt sich auch nichts auf der Website finden, was auch nur ansatzweise zeigt, dass sie sensibilisiert sind.

Was müsste jetzt passieren?

Wenn es auch nur schon einen Vorfall gibt oder eine Grenzverletzung von Klerikern, die in einer solchen Pfadfindergruppe aktiv sind, dann muss man das absolut ernst nehmen. Man muss Schutzkonzepte überprüfen, klären, welche Anforderungen es für die Priester gibt, um Zugang zu den Minderjährigen zu erhalten, und man muss prüfen, welche Qualitätssicherung es dort gibt.

Wer muss das prüfen?

Da liegt das Problem. Für eine private Pfadigruppe, in der Priester aktiv sind, fühlt sich in der Kirche niemand zuständig. Die Priester fragen den Bischof nicht, ob sie das dürfen und unter welchen Bedingungen. Und die Gruppe und die Familien sind froh, dass ein Pfarrer dabei ist, der den Kindern den Glauben beibringt.

Es gibt in der Schweiz mehrere solche eher abgeschottete katholische Pfadigruppen, die nicht dem Pfadiverband angehören. Die katholische Kirche fühlt sich für ihre Priester da nicht zuständig?

Verantwortungsdiffusion ist eines der grossen Themen im Kontext der Prävention gegen sexuelle Übergriffe. Das zeigt sich auch an diesem Beispiel. Man muss wissen, dass diese problematischen Priester in der Regel von konservativen kirchlichen Kreisen gedeckt werden. Und mit denen will sich kein Bischof anlegen, weshalb sie lieber die Augen schliessen. Man sieht es aber auch bei neuen geistlichen Gemeinschaften, die ähnlich im Privaten entstehen und die landesweit aktiv sind. Es fühlt sich in der katholischen Kirche niemand zuständig, um das Gespräch mit den Verantwortlichen dort zu suchen, damit Präventionskonzepte überhaupt thematisiert werden. Hier besteht dringend Handlungsbedarf.

Was muss die Kirche unternehmen?

Derartige Gruppen sind Hochrisikozonen. Ein erster Schritt wäre, dass die Kirche landesweit Präventionsstellen mit genügend Ressourcen schafft. Sie könnten sich dieser Gruppen annehmen. Denn man sollte an die Verantwortlichen den Anspruch stellen, dass sie solche Aktivitäten für Minderjährige nur anbieten dürfen, wenn sie eine Qualitätssicherung und Präventionsmassnahmen vorzeigen können. Aber davon sind wir noch weit weg.

Was bedeutet es, wenn sich eine Pfadigruppe keinem Verband in der Schweiz anschliesst und dort erzkonservative Priester verkehren?

Je geschlossener ein System ist, desto grösser ist das Risiko von Grenzüberschreitungen – besonders wenn das gepaart ist mit starken Abhängigkeitsverhältnissen. Besonders heikel ist es, wenn der Priester, wie das in konservativen religiösen Kreisen der Fall ist, eine stark überhöhte Rolle hat und ihm deshalb niemand zu widersprechen wagt.

Warum?

Wenn der Priester eine absolute Autoritätsperson ist, gibt das ein Machtgefälle nicht nur zu den Minderjährigen, sondern auch zu den anderen Leitenden in der Pfadi. In solchen Kreisen gibt es eine Ordnung mit verschiedenen Klassen. Die oberste Klasse, die Kleriker, hat von Amtes wegen und mit göttlicher Vollmacht immer das letzte Wort. Das ist hochgefährlich, ganz besonders in einem Umfeld wie einer Pfadigruppe, wo das Verhältnis zwischen Erwachsenen und Minderjährigen sowieso schon heikel ist und besondere Sorgfalt erfordert.

Nachträgliche Anpassung im Artikel: Die Box «Der Feuerkreis Niklaus von Flüe wehrt sich» ist am 21. Juni 2024 eingefügt worden.