Kommentar zur scharfen AsylrhetorikDer Wahlkampf wäre dann übrigens vorbei
Die Asylpolitik verschärfen: Diese Forderung ist bei Bürgerlichen en vogue. Sie ignorieren, dass die Situation in der Schweiz ganz anders ist als in Deutschland.
Am Abend des Wahlsonntags stellt FDP-Präsident Thierry Burkart eine klare Forderung in den Raum: abgewiesene Asylsuchende konsequent zurückführen! Burkarts Partei hat eben eine Niederlage eingefahren, und dennoch tönt er bereits wieder wie die SVP – so wie schon im Wahlkampf (Stichworte: Eritreer nach Ruanda ausschaffen, neue Asylpraxis für Afghaninnen rückgängig machen). Andere Bürgerliche wiederholen das Plädoyer im Verlauf der Woche.
Manche scheinen es noch nicht realisiert zu haben: Der Wahlkampf ist vorbei. Jetzt wäre der Moment, sich seriöser Politik zuzuwenden. Die Forderung nach konsequenter Ausschaffung abgewiesener Asylsuchender mag auf den ersten Blick sinnvoll klingen. Sie ist auch in Deutschland gerade en vogue. Bloss: Im Unterschied zur Schweiz hat Deutschland hier tatsächlich ein Problem.
Deutschland zählt über 300’000 Ausreisepflichtige, die das Land noch nicht verlassen haben. In der Schweiz sind es gerade mal 4000. Die Schweiz hat eine rekordhohe Rückkehrquote von fast 60 Prozent. Das ist nicht einfach ein bisschen besser als andere: Die Schweizer Quote ist doppelt so hoch wie jene der EU. Zählt man die unkontrollierten Ausreisen dazu, ist der Prozentsatz jener, die nach einem negativen Entscheid das Land verlassen, noch erheblich höher.
In Sachen Konsequenz und Härte beim Vollzug kann sich die Schweiz kaum noch steigern.
Die Schweiz setzt auf Zusammenarbeit mit den Herkunftsstaaten. Zuletzt hat sie mit Algerien verhandelt und einen Durchbruch erzielt: Erstmals konnten Sonderflüge durchgeführt werden. Auch in den Irak sind neu zwangsweise Rückführungen für alle Weggewiesenen möglich. Kurz: In Sachen Konsequenz und Härte beim Vollzug kann sich die Schweiz kaum noch steigern.
Zweifellos ist Migration ein grosses Thema, und Probleme gibt es auch in der Schweiz. Zum Beispiel die kriminellen Asylsuchenden: eine Minderheit zwar, aber ein Problem für Zentren und Gemeinden. Hier soll der Staat Härte zeigen und die Möglichkeiten des Gesetzes ausschöpfen. Zum Beispiel die vielen unbegleiteten Minderjährigen: Gelingt es nicht, sie zu integrieren, wird sich das rächen.
Jetzt, nach den Wahlen, ist es Zeit für echte Lösungen – und nicht Zeit für Parolen auf Kosten von Menschen, die geflüchtet sind. Echte Lösungen basieren auf Fakten. Ein Anfang wäre, diese zur Kenntnis zu nehmen. Fakten wie: Die allermeisten Asylsuchenden mit negativem Entscheid verlassen die Schweiz. Vielleicht wäre eine faktenbasierte Politik auch im Sinne der bürgerlichen Wählerinnen und Wähler. Die populistische Rhetorik deckt nämlich schon eine andere Partei ab.
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