Strategiewechsel bei SolarfirmaMeyer Burger kommt nicht aus der Dauerkrise
Der Hersteller von Solarpanels hangelt sich von einer Kapitalerhöhung zur nächsten. Nun musste er seine hochfliegenden Ziele ändern – nicht zum ersten Mal.
Hoffnung und Enttäuschung liegen bei Meyer Burger nahe beieinander. Noch im Juni sprach der Schweizer Hersteller von Solarmodulen von bedeutenden Fortschritten bei der Verlagerung seiner Produktion in die Vereinigten Staaten. Zwei Monate später sind die hochfliegenden Pläne bereits wieder Makulatur.
Der Grund: Die Finanzierung für den Aufbau der Produktion in den USA ist gescheitert. Nach Bekanntgabe der Kehrtwende verloren die Aktien am Montag 45 Prozent ihres Wertes. Seit Jahresbeginn haben sie insgesamt mehr als 90 Prozent eingebüsst.
In den USA hätte Meyer Burger Steuergutschriften bei einer Bank als Sicherheiten für einen Kredit hinterlegen wollen. Diese sogenannten X45-Finanzierungen hatte die Regierung von Präsident Joe Biden als Teil des Inflation Reduction Act verabschiedet, um die Herstellung von erneuerbaren Energien zu fördern. 1,4 Milliarden Dollar versprach sich der Solarhersteller davon.
Geld, das Meyer Burger dringend benötigt hätte. Noch im Juni vermeldete die Firma, eine US-Grossbank habe ihre Sorgfaltsprüfung (Due Diligence) abgeschlossen. Die Auszahlung der Kredite werde bis zur Mitte des dritten Quartals angestrebt. Wie sich jetzt herausgestellt hat, war das Unternehmen offenbar zu optimistisch.
Nun geht es um Restrukturierungen und Kostensenkung – wieder einmal. «Die Ankündigung vom Montag war bereits der x-te Strategiewechsel», sagt Eugen Perger, Analyst bei Research Partners. Meyer Burger häuft Jahr für Jahr hohe Verluste an. Zuletzt waren es 2023 rund 291 Millionen Franken.
Das einst stolze Industrieunternehmen aus dem bernischen Thun ist an der Börse heute nur noch ein Schatten seiner selbst. 2011 lag der Aktienkurs bei 1439 Franken, am Freitag waren die Papiere noch 1.85 Franken wert. Das Unternehmen habe in den vergangenen Jahren kein einziges Ziel erreicht, lautet die Kritik von Aktionärinnen und Aktionären.
Immer wieder müssen sie neues Geld einschiessen. Trotzdem halten sie Meyer Burger die Stange. Die überwiegende Mehrheit der mehr als 20’000 Anlegerinnen und Anleger kommt aus der Schweiz. Viele sind seit Jahrzehnten in die Firma investiert.
Auch bei der letzten Kapitalerhöhung im April sind sie mitgezogen. 206 Millionen Franken gab es nochmals für Meyer Burger. Diese sollten in den mittlerweile auf Eis gelegten Aufbau der Produktion in den USA fliessen.
Dabei gehörte das Unternehmen einst mit seinen Diamantdrahtsägen zur Weltspitze. Verwendet wurden sie zum Schneiden von Siliziumwafern, hauchdünnen Scheiben, aus denen Solarzellen hergestellt werden. Der Vorsprung hielt jedoch nicht lange. Gegen die günstigere Konkurrenz aus China kam Meyer Burger nicht an und geriet in finanzielle Schieflage.
Das Überleben des Unternehmens gesichert hat der russische Geschäftsmann Pjotr Kondraschew. 2016 beteiligte er sich über seine Finanzgesellschaft Sentis Capital an Meyer Burger. Seit der letzten Kapitalerhöhung hält Sentis rund 15 Prozent an dem Solarproduzenten.
Sie wollten Marktführer in Europa werden
2020 kam der grosse Strategiewechsel. Meyer Burger beschloss, nicht mehr nur Maschinen, sondern auch Solarmodule herzustellen. An zwei Standorten in Ostdeutschland wurden Produktionsstätten aufgebaut.
Die Geschäftsleitung setzte sich ambitionierte Ziele: «Wir wollen europäischer Marktführer und Global Player in der Herstellung von hocheffizienten Zellen und Modulen werden», sagte Gunter Erfurt, Geschäftsführer von Meyer Burger. Mit Jung von Matt wurde gleichzeitig eine bekannte Werbeagentur verpflichtet, um eine neue Markenstrategie zu entwickeln.
Wenig später wurde der Schritt in die USA angekündigt. Meyer Burger führte eine Kapitalerhöhung durch und investierte in den Aufbau von zwei Standorten: Eine Fertigung für Solarzellen im Bundesstaat Colorado und ein Werk für Module in Arizona.
Seit dem vergangenen Jahr gibt es jedoch zu viele günstigere Solarpanels aus China auf dem Markt. Meyer Burger blieb auf seinem Angebot sitzen. Das Unternehmen sprach von einer Marktverzerrung in Europa, kassierte seine Ziele und sprach eine Gewinnwarnung aus.
Der Solarproduzent hoffte in Deutschland auf Subventionen. Mit dem sogenannten Resilienzbonus, den CEO Erfurt vehement forderte, sollten Kundinnen und Kunden belohnt werden, die Solarpanels aus europäischer Produktion kauften. Dieser blieb allerdings aus. Meyer Burger drohte im Frühjahr gar mit der Schliessung seiner Fabrik im ostdeutschen Freiberg.
«Die Geschäftsführung kann nur noch reagieren»
Nun gab es am Montag also die jüngste Kehrtwende. Meyer Burger will sich vorerst auf das Werk in Arizona konzentrieren. Anders als geplant sollen die Zellen weiterhin aus Deutschland statt aus Colorado geliefert werden.
Damit kann das Unternehmen seinen Geldbedarf zwar etwas senken, rosig schaut die Zukunft aber nicht aus. «Die Geschäftsführung von Meyer Burger kann heute nicht mehr agieren, sie kann nur noch auf die Konkurrenz aus China reagieren», sagt Analyst Perger.
Dazu kommt heftige Kritik von der deutschen Politik. Er habe noch nie ein so aggressives Lobbying nach Subventionen erlebt wie von Meyer Burger, schrieb Torsten Herbst, Abgeordneter der deutschen FDP auf der Plattform X. Die Absage der Produktionsverlagerung in die USA lasse ihn arg an der Seriosität des Unternehmens zweifeln.
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Meyer Burger wehrt sich gegen den Vorwurf der Subventionsjägerei. Im Fall von Deutschland habe die Entscheidung auf einem Geschäftsplan beruht, der solange funktioniert habe, wie es faire Marktbedingungen gab. Anders als europäische Unternehmen, die etwa Zölle auf Komponente oder Vorprodukte zahlen müssten, könnten Konkurrenten aus Asien ihre Module als Endprodukt zollfrei in die EU einführen.
Anlegerschutzverein bereitet rechtliche Schritte vor
Hat das Management von Meyer Burger in den vergangenen Jahren strategische Fehler begangen? «Die Entwicklung des Aktienkurses sagt viel über den Managementerfolg aus», sagt Bernd Laux, Analyst bei der Zürcher Kantonalbank. Das Vertrauen der Finanzmärkte in die Geschäftsführung von Meyer Burger sei in den vergangenen Jahren nahezu vollständig verloren gegangen.
Die Halbjahreszahlen veröffentlicht der Solarproduzent frühestens Ende September. Ebenso, ob Hauptaktionär Kondraschew bei einer erneuten Kapitalerhöhung nochmals mitziehen wird. Mark Kerekes, der Sentis Capital zugeordnet wird, ist am Montag überraschend aus dem Verwaltungsrat ausgetreten. Für Beobachter ein Hinweis, dass Kondraschew beim nächsten Mal kein neues Kapital einschiessen wird. Auf Fragen dazu wollte sich Sentis Capital nicht äussern.
Ungemach droht dem Unternehmen zudem von seinen Aktionärinnen und Aktionären. Der Schweizerische Anlegerschutzverein bereitet rechtliche Schritte gegen das Unternehmen vor. Mehr als 250 Aktionäre hätten sich bis heute registriert, so der Verein auf Anfrage. Diese sehen sich von den Versprechungen der Geschäftsleitung und der Unternehmenskommunikation getäuscht. Den Aktionären von Meyer Burger stehen auch künftig turbulente Zeiten bevor.
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