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TV-Kritik «Tatort»
#MeToo-Fall mit Schweizer Beteiligung

Was läuft da zwischen Kim Tramell (Ursina Lardi) und ihrem Chef Oliver Jansen (Oliver Wnuk)?
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Am Anfang singt Ursina Lardi mit einem Elchgeweih auf dem Kopf «Everything» von Alanis Morissette. Der Song beginnt mit der Zeile «Ich kann das grösste Arschloch sein». Aber so, wie sie das vorträgt, ist sofort klar: Alle lieben sie.

Alle? Nun gut, sie geht auf dieser Firmen-Weihnachtsfeier noch mit dem Chef für einen Absacker in die oberste Etage. Dort gibts Küsse und mehr. Das ist brisant, weil sie sich um einen Posten bewirbt, bei dem dieser Mann die Auswahl trifft. Und es ist noch brisanter, weil ihr grösster Konkurrent – mit dem sie ebenfalls befreundet ist – sie beim Herummachen mit dem Vorgesetzten filmt.

Zu einem Kriminalfall wird das aber erst, weil der Filmer wenig später tot im Gebäude gefunden wird. Er ist über die Balustrade gefallen und ein paar Stockwerke runtergestürzt. Falls er nicht selbst gesprungen ist, können eigentlich nur zwei Menschen für den Schubser infrage kommen. Und die hatten gerade Sex miteinander.

Alles klar auf dem Video, nicht wahr?

Ein klarer Fall für die Stuttgarter Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare). Zumal die Handydaten des Toten rekonstruiert werden können und die Polizei somit im Besitz des titelgebenden Videobeweises ist, der einvernehmlichen Sex zwischen zwei Menschen zeigt. Aber jetzt behauptet die beteiligte Frau, das stimme nicht. Sie sei vergewaltigt worden.

Vorsicht #MeToo, läuten sofort alle Alarmglocken. Da lauern tausend Fallen, aber Regisseur Rudi Gaul und Drehbuch-Co-Autorin Katharina Adler gelingt es, den Fall vielschichtig abzuwickeln. Und doch spannend zu halten.

Kim Tramell (Ursina Lardi) im Zentrum der Ermittlungen von Thorsten Lannert (Richy Müller, links) und Sebastian Bootz (Felix Klare).

Ursina Lardi ist bis zur letzten Sekunde wunderbar unfassbar. Die Schauspielerin aus Graubünden ist eigentlich auf grossen deutschen Bühnen zu Hause. Aber sie dreht auch Arthouse-Filme wie zuletzt «Das Mädchen und die Spinne». Und zwischendurch – wie sie einst in einem Interview sagte – «u gära» einen «Tatort»: «Wenig Arbeit, guter Lohn und zehn Millionen schauen zu.»

Sie heisst wie Sharon Stone in «Basic Instinct»

In diesem Fall war es aber ziemlich viel Arbeit, denn Ursina Lardi ist in den meisten Szenen zu sehen. Ist sie Täterin oder Opfer? Für die Täterin-Theorie spricht der Name, den sie trägt – Tramell, wie einst die eiskalte Sharon Stone in «Basic Instinct». Aber der «Videobeweis» zeigt vielleicht tatsächlich anderes als zuerst vermutet. Und wir Männer müssen unsere Betrachtungsweise sowieso über Bord werfen.

Dieser Film gehört also ganz Ursina Lardi. Und die Kommissare? Die finden am Ende eine Lösung. Aber nicht im Video. Sondern in einem Haufen Hundekot. Das ist ein fulminanter Schlusspunkt zu einem «Tatort», der zwar der erste des Jahres 2022 ist. Aber ziemlich sicher noch länger der beste bleiben wird.