TV-Kritik «Tatort»Udo Lindenberg singt, Charlotte Lindholm kämpft
Im neuen «Tatort» wird LKA-Ermittlerin Charlotte Lindholm des Mordes verdächtigt, und Udo Lindenberg tröstet sie. Kein Witz.
Keine Frage: Der Regisseur und Schauspieler Detlev Buck («Die Vermessung der Welt», «Hände weg von Mississippi») hat Spass an seinem ersten «Tatort». Und er liebt es ganz offensichtlich, in einem Hotel zu filmen: diese langen leeren Gänge, diese Spiegel und Glastüren, dieser riesige Ballsaal mit nichts drin als Angst. Da dürfen auch Stanley Kubricks Geister-Zwillinge nicht fehlen, obwohl sie rein gar nichts mit der Story von «Alles kommt zurück» zu tun haben – ausser vielleicht als kleiner Scherz, eben als Illustration des Titels.
Lust hat Buck auch auf zackige, flimmernde Rückschnitte, Pardon: Rückblicke. Bald sehen wir die Eiskönigin unter den «Tatort»-Ermittlerinnen, Charlotte Lindholm – Maria Furtwängler –, im Verhör. Und nein, sie verhört nicht, sie wird verhört! In Shortcuts wird das Fernsehpublikum hingeruckelt bis zu der absurden Situation: Die LKA-Ermittlerin gilt als mordverdächtig und wird von einer sichtlich genervten Hamburger Kommissarin auseinandergenommen – etwas over the top gespielt von Anne Ratte-Polle.
Die Lindholm hat sich nach heissen Sex-Chats auf ein physisches Treffen mit einem Unbekannten eingelassen. Sie fährt dafür von Göttingen nach Hamburg, denn dort tanzt der Bär. Oder zumindest bietet Hamburg die schärfere Kulisse, Buck liebt die Ansichten aus der Speicherstadt. Und das Hamburger Vergnügungsviertel samt überkandideltem Puffbesitzer, gegeben von Buck höchstselbst, ist gleichfalls eine Conditio sine qua non. Aufgeregt schleicht sich die Lindholm also in ein Hotelzimmer ein, umarmt dort im Dunkeln den nackten Mann im Bett – und greift in Blut hinein.
Wie das Drehbuch von Uli Brée die Sache am Ende aufdröselt – mit traumatischen Vergangenheiten und irren Zufällen –, überzeugt nicht recht, trotz robustem Rückgriff auf Lindholms berufliche Biografie. Aber es kommt Freude auf, wenn Udo Lindenberg singend im eleganten Nebenbei sein «Tatort»-Debüt gibt und im Hotel zudem ein Udo-Doubles-Treffen mit abgedrehter Komik aufwartet. Der Regisseur jongliert so gern mit grossen Kulissen und grossen Namen – wie ein Entertainer eben. Und wir bleiben gut unterhalten steh’n und lassen es uns gefallen, wie hier ein Plot aus Korruption, Sex und Rache zusammengeworfen wird.
Zwischendurch gibts Klassikeinlagen: kleiner Gruss an Maria Furtwänglers Grossonkel, den (verstorbenen) Dirigenten Wilhelm Furtwängler. Das eigentliche Lob aber gebührt dem aktuellen Träger des Ifflandrings, dem grossartigen Jens Harzer, als überraschendes Highlight unter all den hübsch hergerichteten erwartbaren Attraktionen. In seiner Rolle als verschupfter, ziemlich kaputter Sidekick der herumpöbelnden Hamburger Kommissarin ist er hinreissend: Kein Wunder, dass die kühle Lindholm ihm erliegt. Netter Dreh in einem Film, der vor allem um sich selbst und seine Spezialeffekte kreist.
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