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Shutdown gegen Corona
Merkel setzt «harte Massnahmen» durch

Regeln für ganz Deutschland: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt am Mittwochabend die Beschlüsse der Bundesregierung und der Bundesländer gegen die erneute Verbreitung des Coronavirus vor.
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«Das reicht alles nicht», schimpfte Angela Merkel vor zwei Wochen in der Runde mit den Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer. «Dann sitzen wir eben in 14 Tagen wieder hier.» Die trotzige Prognose der deutschen Bundeskanzlerin traf auf den Tag genau ein. Am Mittwoch beschlossen die Regierungen von Bund und Ländern nun jene «harten Massnahmen» gegen das Coronavirus, vor denen sie bei ihrem letzten Treffen noch zurückgeschreckt waren.

Wäre ein früherer Entscheid also nicht besser gewesen?, wurde Merkel danach gefragt. «Rein theoretisch ist das richtig», antwortete die 66-Jährige. Aber damals habe halt die politische Akzeptanz gefehlt. Nun habe man aber offenbar «den Punkt getroffen», an dem man aufgrund der Infektionslage «noch einen gewissen Spielraum» habe, die Verantwortlichen die Dringlichkeit aber geschlossen einsähen. Es sei jetzt nochmals «eine nationale Kraftanstrengung» nötig.

Andere Prioritäten als im März

Um eine «Gesundheitsnotlage» zu vermeiden, schränkt Deutschland im November die Freiheiten seiner Bürger fast noch einmal so stark ein wie im Frühling: Restaurants, Bars, Clubs, Theater, Konzertsäle, Museen, Kinos, Messen, Freizeitpärke, Schwimmbäder, Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen müssen für vorerst vier Wochen schliessen. Profisport ist nur noch ohne Zuschauer erlaubt. In der Öffentlichkeit dürfen noch maximal 10 Menschen zusammenkommen, aus höchstens zwei Haushalten.

Im Unterschied zum Frühling bleiben dagegen Schulen, Kitas und Läden offen. Absoluten Vorrang hätten diesmal die wirtschaftlichen Aktivitäten und die Bildung, sagte Merkel. Auch Gottesdienste und Demonstrationen bleiben diesmal unter Auflagen erlaubt. Schnelltests sollen es überdies ermöglichen, dass Menschen in Alters- und Pflegeheimen nicht noch einmal von Besuchen ausgeschlossen werden.

Viel Geld für die Betroffenen

Laut Experten gehe es in der jetzigen Phase darum, 75 Prozent der üblichen Kontakte einzuschränken, erklärte Merkel. Deswegen habe man im Umkehrschluss praktisch alle Freizeitvergnügen verbieten müssen. «Wir halten das aber für richtig und für verhältnismässig.» Umfragen legen nahe, dass vermutlich eine Mehrheit der Deutschen diese Ansicht teilt: Jedenfalls finden höchstens 15 Prozent die bisherige Corona-Politik «übertrieben».

Um die Ausfälle für Gastronomen, Kulturveranstalter und andere Unternehmer abzufedern, greift der Staat nochmals tief in die Tasche: Die Betroffenen können bis zu 75 Prozent ihres letztjährigen November-Umsatzes als Ausfallentschädigung erhalten. In der Summe stehen dafür 10 Milliarden Euro zur Verfügung.

Diesmal geeint: Kanzlerin Angela Merkel zwischen den Vorsitzenden der Konferenz der Ministerpräsidenten, Michael Müller (SPD, Berlin, links) und Markus Söder (CSU, Bayern). 

Noch liegen die Infektionszahlen in Deutschland proportional weit unter jenen in den Nachbarländern Frankreich, Belgien, Niederlande oder der Schweiz. Sie sind aber zuletzt stark gestiegen, fast jeder Tag brachte neue Höchstwerte. Zuletzt näherten sich die täglichen Neuinfektionen rasant jenen 19’200, die Merkel Ende September für Weihnachten vorausgesagt hatte, «falls es so weitergeht wie bisher». Damals hatten ihr noch viele vorgeworfen, Panik zu schüren.

Die Neuinfektionen hätten sich zuletzt innert einer Woche verdoppelt, die Einweisungen auf Intensivstationen in zehn Tagen, sagte Merkel am Mittwoch. Diese exponentielle Entwicklung müsse man jetzt unbedingt unterbrechen, weil sonst die Kontrolle über das Infektionsgeschehen verloren gehe – und etwas später auch jene über die Lage in den Spitälern.

Machen die Gerichte mit?

Obwohl einzelne Bundesländer wie das rot-rot-grün regierte Thüringen und Parteien wie die FDP und die AfD vor einem erneuten «Lockdown» gewarnt hatten, stellten sich am Ende alle Ministerpräsidenten überraschend geeint hinter Merkel.

Die Frage ist nun eher, ob die Massnahmen, die ab 1. November deutschlandweit gelten sollen, auch von den Gerichten in den einzelnen Bundesländern gebilligt werden. In den vergangenen Wochen haben Verwaltungsgerichte quer durchs Land pauschale Einzelmassnahmen wie Beherbergungsverbote, Alkoholausschankverbote oder nächtliche Sperrstunden gekippt.

Viele Gerichte stellen an die Verhältnismässigkeit der Massnahmen gegen das CoronavVirus mittlerweile hohe Ansprüche und winken massive Einschränkungen der Grundrechte nicht mehr durch wie noch im Frühling. Ob die Justiz nun die gesundheitliche Lage und die behördlichen Gesamtkonzepte anders einschätzt als in den vergangenen Wochen, könnte am Ende darüber entscheiden, ob der jüngste Beschluss wirkt oder nicht.