Kolumne «Miniaturen des Alltags»Meine Neugier kostet mich 240 Franken – im Monat
Einen eingeschriebenen Brief bei der Post abholen, ohne zu wissen, von wem er stammt? Manchmal sollte man dies besser nicht tun.
![Am Schalter den Abholschein und die ID vorlegen, die Quittung unterschreiben – und schon ist das Schicksal besiegelt.](https://cdn.unitycms.io/images/6OLXeJFyq6nB5x7zQNWdGV.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=43ZpmftBmbU)
Vielleicht geht es vielen Menschen ähnlich: Findet man im Briefkasten einen Abholschein für einen eingeschriebenen Brief, erschrickt man einen kurzen Moment. Man beginnt sogleich zu grübeln: Erwarte ich einen wichtigen Brief? Oder kündigt sich hier etwas Schlimmes an?
Genau diese Fragen arbeitete ich innerlich auch dieses Mal ab, als ich neulich einen gelben Zettel der Post im Briefkasten entdeckte. Eine böse Vorahnung beschlich mich dabei. Vor kurzem war in der Siedlung, in der ich wohne, eine mehrmonatige energetische Sanierung abgeschlossen worden: neue Fassade mit besserer Wärmedämmung, neue Fenster, Wärmepumpe statt Ölheizung – alles wunderbar.
Würde mir nun die Verwaltung einen Teil der Kosten überwälzen und mir in Form einer Mietzinserhöhung die Quittung präsentieren? Soll ich deshalb – ein fieser Gedanke – den Abholschein einfach ignorieren und den Brief nicht bis zum aufgedruckten Datum abholen? Oder würde mir so am Ende eine freudige Überraschung entgehen, weil der Brief etwas ganz anderes, nämlich unverhofft Schönes, enthält?
Trotz aller Vorsicht obsiegt am Schluss die Neugier sowie die Hoffnung, dass alles gut wird. Auf der Post zeigt sich dann aber schnell: Besser wäre es gewesen, auf das erste Bauchgefühl zu hören. Meine Neugier kommt mich teuer zu stehen: Der Brief ist tatsächlich von der Verwaltung, und ich zahle ab April sage und schreibe 240 Franken mehr Miete pro Monat. Ein kleiner Trost: Wahrscheinlich hätte ich mich dem auch nicht entziehen können, wenn ich den Brief nicht abgeholt hätte.
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