Krieg gegen RusslandWesten liefert mehr schwere Waffen
Deutschland kündigt weitere finanzielle und militärische Unterstützung für die Ukraine an. Darunter sind auch Rüstungsgüter, die Deutschland bisher noch nicht zur Verfügung gestellt hat.
Angesichts der beginnenden Grossoffensive Russlands in der Ostukraine haben sich die westlichen Staaten am Dienstag zur Lieferung schwerer Waffen an das Land abgestimmt. US-Präsident Joe Biden hielt dazu eine Telefonkonferenz mit den Staats- und Regierungschefs verbündeter Staaten ab. Der deutsche Kanzler Olaf Scholz sagte am Abend, seine Regierung gehe mit dem ukrainischen Verteidigungsministerium eine Liste von Rüstungsgütern durch, die schnell von der deutschen Industrie geliefert werden können. Die Möglichkeiten, aus Beständen der Bundeswehr zu liefern, stiessen aber an ihre Grenzen.
Scholz nannte keine konkreten Waffensysteme, sagte aber, geliefert werden solle «auch das, was man in einem Artilleriegefecht einsetzen kann». Nach Informationen dieser Zeitung bereitet die Bundesregierung ein weiteres Paket vor, das die Qualität der bisher gelieferten Systeme deutlich übersteigt. Das Verteidigungsministerium hatte nach einer Abfrage bei der Industrie die von Scholz erwähnte Liste kurzfristig verfügbarer Waffensysteme und Ausrüstung erstellt. Darauf finden sich etwa Mörser mit einem Kaliber von 120 Millimetern und Maschinenkanonen, Radarsysteme zur Bodenüberwachung und zur Ortung feindlicher Stellungen sowie elektronische Störsysteme.
Das Lagezentrum Ukraine im Verteidigungsministerium soll die Angebote der Industrie mit Forderungen der ukrainischen Seite abgleichen. Eine «Bedarfsliste» soll dann Deutschland zur Entscheidung vorgelegt werden. Scholz kündigte an, die der Ukraine bereits zugesagte zusätzliche Finanzhilfe von einer Milliarde Euro für die Finanzierung solcher Lieferungen einzusetzen. «Da wird niemand warten müssen», sagte er.
Mit Blick auf die Forderungen aus der Ukraine nach der Lieferung von Panzern und Kampfjets stellte Scholz klar: «Deutsche Alleingänge wären falsch.» Er verwies darauf, dass auch die USA und andere europäische Nato-Staaten solches Grossgerät nicht lieferten, weil sie ähnlich wie Deutschland davon ausgingen, dass dieses ohne die nötige Ausbildung und Logistik nicht erfolgreich zum Einsatz gebracht werden könne. Zugleich stellte er Nato-Partnern in Osteuropa Unterstützung in Aussicht, wenn diese Waffensysteme sowjetischen Typs an die Ukraine abgeben, die dort bekannt sind und sofort eingesetzt werden können.
Zunehmender Kritik aus der Opposition, aber auch aus den Reihen der Ampel-Koalition hielt er entgegen, niemand solle die Geschlossenheit des westlichen Bündnisses infrage stellen, «aus keinen Erwägungen, auch keinen innenpolitischen». Das «schädigt nicht nur unser Land», sondern stärke überdies den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Scholz war zuvor zunehmend unter Druck geraten, sich klar zur Lieferung schwerer Waffen zu positionieren. Die USA hatten bereits die Lieferung von 18 Haubitzen angekündigt; ukrainische Ausbilder sollen laut dem Pentagon im Ausland in den Umgang mit den Artilleriegeschützen eingewiesen werden.
CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte noch vor der öffentlichen Stellungnahme des Kanzlers, es gebe Nato-Partner, die «längst weiter» seien als Deutschland. Man wisse, dass es «aus sehr vielen Nato-Staaten» bereits Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine gebe. «Was macht Deutschland?» – diese Frage werde inzwischen nicht nur hierzulande, sondern international gestellt, sagte Merz dem WDR. Vor mehr als sieben Wochen habe Scholz die Zeitenwende zur Überschrift seiner Regierungserklärung gemacht. Doch seitdem sei viel zu wenig passiert, «wertvollste Zeit» sei verloren gegangen.
Unionsfraktionsvize Johann Wadephul sagte, seine Fraktion erwarte, dass die Regierung entweder schwere Waffen «aus Beständen der Bundeswehr liefert oder Ausfuhrgenehmigungen an deutsche Rüstungsunternehmen erteilt». Beides geschehe bisher «unerklärlicherweise nicht», sagte Wadephul. Der Kanzler beschädige «damit die Vertrauenswürdigkeit unseres Landes und wird unserer Verantwortung gegenüber der Ukraine nicht gerecht». Die Union erwägt, einen eigenen Antrag im Bundestag dazu zu stellen.
Offen ist, ob Kiew Waffen von der Industrie noch rechtzeitig erhalten könnte, um sie zur Abwehr der russischen Offensive im Donbass zum Einsatz zu bringen, die am Dienstag begonnen hat. Allerdings geht Deutschland davon aus, dass die Ukraine auch noch in einigen Monaten Bedarf an modernen Waffensystemen haben dürfte, um sich gegen eine fortwährende Aggression Russlands oder eine Bedrohung nach einem möglichen Waffenstillstand zu rüsten. Das Geld aus Berlin könnte auch dafür genutzt werden. Dabei dürfte es dann auch um Systeme gehen, die kurzfristig nicht lieferbar sind, etwa zur Luftverteidigung.
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