Medienkonferenz mit der VerteidigungsministerinAmherd: «Die Armee ist nicht zahlungsunfähig»
Viola Amherd hat vor den Medien die Armeebotschaft 2024 vorgestellt. Sie betonte, die Armee zahle all ihre Rechnungen.
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In den letzten Wochen stand die Armee wegen ihrer Finanzen in den Schlagzeilen.
Nun stellte Verteidigungsminsterin Viola Amherd die Armeebotschaft 2024 vor.
In diesem Rahmen äusserte sie sich auch zu angeblichen und drohenden Finanz- und Fähigkeitslücken.
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Zusammenfassung
Die Ausgaben für die Armee sollen 2025 bis 2028 knapp 26 Milliarden Franken beantragen. Der Bundesrat beantragt einen entsprechenden Zahlungsrahmen. Für Armeematerial und Immobilien will er in vier Jahren 4,9 Milliarden Franken zur Verfügung stellen.
Diese knapp fünf Milliarden Franken sind für die Beschaffung von Armeematerial über vier Jahre, das Rüstungsprogramm 2024 und das Immobilienprogramm des Verteidigungsdepartements 2024 gedacht, wie das Verteidigungsdepartement (VBS) am Mittwoch mitteilte. Von 2024 bis 2027 will er 3,52 Milliarden Franken für Armeematerial zur Verfügung stellen.
Das Rüstungsprogramm 2024 umfasst Verpflichtungskredite von 490 Millionen Franken. Damit werden die Bodentruppen mit einer neuen Lenkwaffe ausgerüstet. Zudem will der Bundesrat teilmobile Sensoren beschaffen, um Luftfahrzeuge besser erkennen, orten, verfolgen und identifizieren zu können.
Zwei weitere Verpflichtungskredite dienen der Ausstattung der bestehenden Rechenzentren VBS und der Anbindung von Hauptsystemen. Ein weiterer Verpflichtungskredit ermöglicht den Werterhalt des Schulungsflugzeugs PC-7. (sda)
Vergleich zu renovierungsbedürftigem Haus
Weil immer wieder Fragen dazu kommen, weshalb man denn nun schon neue Ausgaben plane, wenn die alten Verpflichtungen noch nicht bezahlt seien, greift Viola Amherd zu einer Metapher: Es verhalte sich wie bei einem Hausbesitzer, der sein Haus sanieren wolle. Er könne dies im Voraus planen. Wenn dann aber weniger Lohn hereinkomme als geplant, dann müsse man halt priorisieren: Beispielsweise zuerst die Küche renovieren, weil die in einem besonders schlechten Zustand ist. Ähnlich verhalte es sich bei der Armee. Mit diesem Vergleich endet die Pressekonferenz.
Sorge wegen Lücken
Ist es nicht fahrlässig, Fähigkeitslücken in Kauf zu nehmen? Viola Amherd sagt, Rüstungsbeschaffungen seien nun einmal nicht von einem Tag auf den anderen möglich. Wichtig sei, dass man die Sache nun an die Hand nehme. Ein Medienschaffender macht darauf aufmerksam, dass die Schweiz ein Problem hätte, wenn sie um 2030 herum im Falle eines Gefechts ohne Artillerie oder Kampfpanzer dastünde. Der Rüstungschef verweist auf die Wichtigkeit der Armeebotschaft, die heute verabschiedet wurde. So könnten Verpflichtungskredite eingegangen werden, die dann ab 2028 oder 2029 zahlungswirksam werden.
Vorschlag von Deloitte
Das Parlament soll strategisch mehr eingebunden werden, hiess es an der Pressekonferenz. Ob der Bundesrat dies deshalb beschlossen habe, weil das Parlament aus seiner Sicht beim Armeebudget falsch entschieden haben, fragt eine Journalistin. Viola Amherd verneint. Sie habe kurz nach Amtsantritt einen Auftrag an das Beratungsunternehmen Deloitte vergeben, wie man die Rüstungsaufträge punkto Zeit und Qualität optimieren könne. Ein Vorschlag sei gewesen, eine fähigkeitsbasierte Armeebotschaft zu erstellen, die es dem Parlament erlaube, sich strategisch mehr einzubringen.
Zahlungs- vs. Verpflichtungskredit
Viele Fragen zielen darauf ab, wie es sein kann, dass nun ein Verpflichtungskredit von 3,52 Milliarden Franken eingegangen werden kann, wenn doch jetzt bereits Verpflichtungen von 800 Millionen in kommende Jahre verschoben werden müssen. Rüstungschef Urs Loher betont immer wieder, es gebe einen Unterschied zwischen Verpflichtungs- und Zahlungskrediten. Erst wenn man den Zahlungskredit habe, könne man schauen, wie viel man effektiv ausgeben könne.
Beispiel für Fähigkeitslücke
Eine Journalistin will wissen, was die erwähnten «Fähigkeitslücken» genau bedeuteten. Ob man einem «Armee-Dummy» erklären könne, was in einer Bedrohungssituation nicht erfüllt werden könnte? Süssli nennt als Beispiel die Artillerie M9, diese komme ungefähr 2028 oder 2029 ans Lebensende. Da komme es zu Einschränkungen, wenn diese nicht direkt ersetzt werden könne.
Reaktion auf geleaktes Papier
Süssli wird darauf angesprochen, warum er letzte Woche eine Pressekonferenz gegeben und Alarm geschlagen habe, wenn es doch gar keine Probleme gebe. Viola Amherd antwortet an Süsslis Stelle: Man habe auf die Berichte in den Medien reagiert und gewisse Sachen «richtiggestellt». «Weil ein Papier geleakt wurde, das eine Planung dargestellt hat, mussten wir dazu Stellung nehmen.»
Missverständliche «Liquiditätsprobleme»
Eine Journalistin zeigt sich verwundert darüber, dass letzte Woche noch von einem Liquiditätsengpass gesprochen wurde und nun plötzlich «alles gut» sein soll. Amherd antwortet, offenbar verstünden nicht alle dasselbe unter dem Begriff «Liquiditätsprobleme». Wenn man darunter verstehe, dass die Armee die Rechnungen nicht mehr bezahlen kann, dann habe man kein Liquiditätsproblem. Allerdings bräuchte man mehr Mittel, um schneller vorwärtszugehen in der Planung.
Neue Dienstpflichtmodelle?
In einer weiteren Antwort sagt Amherd, man sei derzeit daran, neue Dienstpflichtmodelle zu prüfen. Dazu gehöre auch die Frage, ob es eine Ausdehnung brauche. Diese Arbeiten seien am Laufen und sollen noch dieses Jahr abgeschlossen werden. Süssli ergänzt, man habe grundsätzlich genug Rekruten. Allerdings gebe es zu viele, die vor Abschluss der Dienstpflicht aus der Armee «abgehen». «Wenn das Tischtuch zu klein ist, nützt es nichts, den Tisch grösser zu machen», so Süssli.
«Es gibt keine Traumarmee»
Was Viola Amherd tun könnte, wenn sie «aus dem Vollen schöpfen» könnte und die Armee so aufstellen könnte, wie sie will, wird die Bundesrätin gefragt. Sie antwortet, eine «Traumarmee» gebe es nicht. Ziel müsse aber sein, die Verteidigungsfähigkeit zu stärken. Ihr Traum sei es schon, dass das möglichst rasch geschehe, so die Verteidigungsministerin.
2030 oder 2035?
Ob es da nicht sinnvoller wäre, die Armeeausgaben bereits bis 2030 auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) aufzustocken, wie es ursprünglich angedacht war, will ein weiterer Journalist wissen. Amherd betont, sie antworte als Mitglied der Kollegialregierung. Und da sei man zum Schluss gelangt, dass es Sinn mache, dafür den Zeitraum bis 2035 ins Auge zu fassen.
Temporäre Lücken
Ein weiterer Journalist will wissen, ob mit dieser Armeebotschaft «das Heer gerettet» sei. Viola Amherd antwortet, das Heer müsse nicht gerettet werden. Aber selbstverständlich kämen wichtige Systeme an ihr Lebensende – und die müssten ersetzt werden. Dadurch könne es temporäre Lücken in der Leistungsfähigkeit geben. Man werde nie alles haben können.
Keine Projekte gestoppt
Nun können die anwesenden Journalistinnen und Journalisten Fragen stellen. Ein Medienschaffender fragt, ob Projekte gestoppt worden seien. Rüstungschef Urs Loher verneint.
«Friedensdividende«
Für 2035 stünden rund 20 Milliarden mehr zur Verfügung als in der ursprünglichen Planung vor Ausbruch des Ukrainekriegs. Sicherheitspolitisch sei die Lage aber natürlich schwierig. Es sei ein Fakt, dass die Armee nach dem Fall der Berliner Mauer geschwächt worden sei. «Diese Friedensdividende gibt es auch in anderen Ländern.» Diese Lücke könne kurzfristig nicht geschlossen werden.
Überhänge «üblich»
Die aktuelle Situation sei nicht aussergewöhnlich. Es habe in den letzten Jahrzehnten immer einen Überhang an Projekten gegeben. 2024 werde der Überhang sogar unter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre liegen.
«Die Armee ist nicht zahlungsunfähig«
Nun nimmt Amherd auf die Berichte zur finanziellen Situation der Armee Bezug. Sie betont: «Erstens: Die Armee ist nicht zahlungsunfähig. Zweitens: Es wurden nicht mehr Rüstungsgüter bestellt, als bezahlt werden können. Drittens: Der als Finanzloch kolportierte Betrag ist nichts anderes, als die Differenz der Planungen im Vergleich zu den verfügbaren Mitteln.»
Schutz gegen Cyberangriffe
Weiter soll die Informatikinfrastruktur der Armee erneuert und besser gegen Cyberangriffe geschützt werden. Ein weiterer Verpflichtungskredit ermöglicht den Werterhalt des Schulungsflugzeugs PC-7.
Neue Lenkwaffe
Mit dem Rüstungsprogramm 2024 beantragt der Bundesrat Verpflichtungskredite in der Höhe von 490 Millionen Franken. Damit sollen die Bodentruppen mit einer neuen Lenkwaffe ausgerüstet werden. Dies, um gepanzerte Ziele und Schlüsselobjekte auf weite Distanz bekämpfen zu können. Zudem will der Bundesrat teilmobile Sensoren beschaffen, um Luftfahrzeuge besser orten, verfolgen und identifizieren zu können.
Alles abgedeckt, aber nicht «Spitze»
Der Bundesrat schlägt eine Variante vor, in der auf die bekannten Bedrohungsszenarien reagiert werden kann und in der auch die Erkenntnisse aus dem Ukrainekrieg einfliessen. Damit könnten sämtliche der aufgedeckten Fähigkeitsbereiche abgedeckt werden. Gleichzeitig betont Amherd, es sei mit den verfügbaren Mitteln nicht realistisch, in allen Bereichen «Spitze» zu sein.
Zehn Fähigkeitsbereiche
Der Bundesrat hat laut Amherd zehn Fähigkeitsbereiche definiert, in denen sich die Armee in den nächsten Jahren entwickeln soll. Darunter etwa: Führung und Vernetzung, Wirkung gegen Ziele in der Luft, Wirkung gegen Ziele am Boden, Wirkung im Cyberraum, Logistik, Sanität und Luftmobilität. Der Beschluss ermögliche dem Parlament, die strategische Ausrichtung der Armee zu bestimmen. Im Zentrum stehe die Frage, auf welche Bedrohungsszenarien sich die Armee ausrichten soll. «In der Vergangenheit fehlte diese Gesamtsicht in der Armeebotschaft», so Amherd.
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