Frankreichs rechte Medien«Baba» provozierte, bis es der Aufsicht zu viel wurde
Der Krawallsender C8 aus dem Konzern von Vincent Bolloré verliert seine Sendelizenz – unter anderem weil er Kampagne machte für Marine Le Pen.
Zu viel ist zu viel. C8, ein Sender aus dem Medienimperium des rechtsidentitären französischen Multimilliardärs Vincent Bolloré, verliert seine öffentliche Sendelizenz für das sogenannte digital terrestrische Fernsehen, das über eine Antenne empfangen werden kann. Ab Ende Februar 2025. Die zuständige Aufsichtsbehörde Arcom findet, C8 habe alle gesetzlich festgelegten Regeln für eine massvolle, faire und pluralistische Berichterstattung missachtet.
Lange schon, muss man dazu sagen, fast schon lustvoll, als fordere er den Staat heraus. «Das ist ein Erdbeben in der Medienlandschaft», schreibt die Zeitung «Le Parisien». Ist es das tatsächlich?
Zumindest erhebt sich zum ersten Mal eine Hürde auf Bollorés furiosem Weg zur Medienmacht. Nach einer Serie von Zukäufen in kurzer Zeit gehören dem Bretonen mittlerweile unter anderem das Bezahlfernsehen Canal+, dessen Gruppe und Streamingplattform, der Nachrichtensender CNews, die Sonntagszeitung «Journal du Dimanche», das Magazin «Paris Match» und der Radiosender Europe 1.
Talkformat mit ideologischer Schlagseite
C8 hiess früher Direct 8. Als Bolloré 2015 Canal+ übernahm, gehörte auch dieser kleine Kanal zum Portfolio. Er benannt ihn um und verwandelte ihn. In Frankreich ist C8 vor allem wegen einer krawalligen Sendung bekannt, sie heisst «Touche pas à mon poste!», etwa: Nimm mir meinen Fernseher nicht weg!
Zu Beginn war das eine Sendung über die Medien. Mit der Zeit wurde daraus ein politisches Talkformat mit klarer ideologischer Schlagseite – ganz rechts aussen. Zwei Stunden jeden Abend, live. Es erreicht zwei Millionen Zuschauer, manchmal auch drei Millionen.
Was davon gescriptet ist, weiss man nicht so genau
Durch die Sendung führt Cyril Hanouna, ein Starmoderator mit eigener Produktionsfirma. Bolloré hat ihn reich gemacht: Sein aktueller Vertrag läuft noch bis 2026, dotiert ist er mit 50 Millionen Euro. Wenn Hanouna freihat, fährt er am liebsten mit seinem Lamborghini durch Saint-Tropez.
In seiner Sendung steht er am Ende von zwei kurvigen Tischen, an denen seine «Chroniqueurs» sitzen, seine Journalisten, ein Dutzend. «Baba», so Hanounas Spitzname, ist der absolute Chef, er redet schnell und vulgär, rudert mit den Armen. Niemand widerspricht ihm. Hanouna hat Lieblinge unter seinen Journalisten, die anderen erniedrigt er mit Schimpftiraden. Was davon alles gescriptet ist und was nicht, weiss man nicht so genau.
Immer wieder riefen in den vergangenen Jahren schockierte Zuschauer bei der Arcom an. Einmal, weil Hanouna einer seiner Journalistinnen die Augen verbunden hatte und nach ihrer Hand fasste, die er dann auf sein Glied legte. Ein anderes Mal wegen eines schwulenfeindlichen Telefonscherzes, während der Sendung. Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo nannte er eine «Vollidiotin».
Hanouna entgleiste so oft, dass man annehmen muss, dass die Entgleisung Methode ist. Die Aufsichtsbehörde verhängte Geldstrafen für insgesamt 7,6 Millionen Euro gegen C8, fast alle gegen TPMP, so das berühmte Akronym seiner Sendung. Ein Rekord. Aber eben: Seine Quoten waren immer hoch, und dafür nahm Bolloré auch die Strafen und das hohe Defizit in Kauf.
Die Linke? Wird nur kritisiert
Vor allem aber stellte Hanouna seine Sendung ganz in den Dienst des Senderchefs und von dessen politischer Mission. Begonnen hat er damit während der Kampagne vor den französischen Präsidentschaftswahlen 2022. Vom Trash-Entertainment von früher blieb der Trash: Das Entertainment wurde durch Politik ersetzt.
Wie bei CNews debattierte man nun auch auf C8 nur noch über Immigration, Kriminalität und Identität. Themen und Gäste aus der extremen Rechten von Marine Le Pen waren in Hanounas Studio dermassen übervertreten, dass die Sendung wie eine Parodie wirkte. Die Linke dagegen wurde fortan nur noch kritisiert.
Eigentlich hatte die Arcom gar keine andere Wahl, so offensichtlich waren die Regelverstösse: Sie musste C8 die Lizenz entziehen. Aus ganz anderen Gründen verliert auch NRJ12 sein Senderecht. Eine Chance bekommen stattdessen nun Réels TV des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky und OFTV, der neue Fernsehkanal der grossen Regionalzeitung «Ouest France».
Le Pen klagt über angebliche Zensur
Hanouna aber bleibt auf Sendung. Nach der Sommerpause hat er ja noch ein halbes Jahr auf C8, wahrscheinlich wird das noch zügelloser sein als zuvor. Danach könnte TPMP zu CNews wechseln oder zu CStar oder zu Canal+. Bollorés Imperium ist reich an Alternativen.
Im Herbst geht auch Hanounas neue Sendung auf Europe 1 weiter. Und wer weiss: Vielleicht gibt ihm Bolloré dazu noch eine Kolumne im «Journal du Dimanche». Oder in «Paris Match». Marine Le Pen beklagt sich unterdessen schon mal: «Die Zensoren freuen sich darüber, eine pluralistische Stimme mundtot gemacht zu haben», sagt sie. Auch das passt ganz gut zur surrealen Parodie.
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