Zeitnot vor WinterspielenGrosse Zweifel an Italien – Knatsch um Olympia-Bobbahn eskaliert
Noch existiert kein Eiskanal für die Winterspiele 2026 in Mailand/Cortina. Doch nun will die Regierung in der Rekordzeit von 13 Monaten einen bauen lassen. Das IOK ist erzürnt.

Als im vergangenen Sommer kein Unternehmen in Italien Interesse am Bau einer Bob-, Skeleton- und Rodelbahn für die Olympischen Winterspiele 2026 in Mailand/Cortina zeigte, blieb nur ein Ausweg: Übung abblasen. Das tat Giovanni Malago, der Präsident des italienischen Olympischen Komitees, im Oktober an der Session des IOK denn auch. Und das Internationale Olympische Komitee hatte kein Problem damit. Denn: Künftig sollen einzelne Sportarten auch ausserhalb eines Austragungslandes stattfinden können, wenn keine geeignete Infrastruktur vorhanden ist. Nicht länger sollen teure Anlagen gebaut werden, die nach den Spielen kaum genutzt werden und zu «weissen Elefanten» verkommen.
Doch nun ist alles wieder anders, und das IOK ist erzürnt. Denn das Eingeständnis Malagos hat am Nationalstolz der rechten Regierung in Rom gekratzt. Sollte Italien das erste Land in der Geschichte der Winterspiele werden, das nicht fähig ist, die kompletten Wettkämpfe zu organisieren? Matteo Salvini, der Vize-Regierungschef persönlich, schaltete sich ein. Er appellierte an die Ehre seiner Landsleute und sagte: Man werde eine Lösung finden.
Ein Neubau für 81,6 Millionen Euro
Am Freitag nun haben die Politiker mit einem Bauunternehmen in Parma einen Vertrag für den Bau eines 81,6 Millionen Euro teuren Eiskanals in Cortina unterschrieben. Zu bauen bis im März 2025. Fertig in gut einem Jahr also.
Cortina war bereits 1956 Austragungsort der Winterspiele gewesen, die Bobbahn von damals existiert allerdings nicht mehr. Und jene in Cesana, wo die Wettbewerbe der Spiele 2006 stattgefunden haben, zerfällt zusehends. Wegen mangelnden Interesses daran wurde sie nur sechs Jahre nach der Fertigstellung stillgelegt.
Bestimmt mit diesem Wissen im Hinterkopf kritisiert das IOK die Pläne eines Neubaus scharf und fordert von den Italienern einen Plan B, falls die Bahn nicht fertig werden sollte. Christophe Dubi, Exekutivdirektor der Spiele, sagte jüngst gegenüber dem Portal «Inside the Games»: «Unsere Position ist klar. Wir glauben, der Bau eines Kanals ist eine komplexe Angelegenheit, was Kosten, Nachnutzung und Einhaltung der Fristen betrifft. Wir favorisieren deshalb die Nutzung einer bestehenden Bahn.» Interessenten aus Österreich und Deutschland sind vorhanden, aber auch St. Moritz hat sich für die Übernahme der Wettkämpfe beworben.
13 Monate für 1445 Meter lange Bahn mit 16 Kurven
Der Kanal muss im März 2025 fertig sein, damit er vom IOK für die Spiele 2026 und zuvor stattfindende Testfahrten zugelassen werden kann. Dass das gelingt, bezweifeln das Internationale Olympische Komitee und die zuständigen Weltverbände. Nie zuvor sei ein Eiskanal in so kurzer Zeit gebaut worden. Weniger als zwei Jahre vor Eröffnung der Spiele ist noch nichts mehr als ein Projektplan vorhanden und hat das Bauunternehmen für die Konstruktion der 1445 Meter langen Bahn mit 16 Kurven und einem durchschnittlichen Gefälle von 8,5 Prozent 13 Monate Zeit.
Als die Bobbahn in Cesana 2004 fertiggestellt war, ergaben Testfahrten, dass drei der Kurven nicht befahrbar waren, so, wie sie gebaut worden waren. Es musste nachgebessert werden. Damals war Zeit dafür, die diesmal wohl fehlen würde. Doch Testfahrten sind Vorschrift und ohnehin viel wichtiger geworden seit dem tödlichen Unfall des georgischen Rodlers Nodar Kumaritaschwili im Training der Winterspiele 2010 in Vancouver.
Das IOK kritisiert nicht nur den engen Zeitplan, sondern auch den fehlenden Nachweis der Weiterverwendung der Anlage. Die Unterschrift unter den Bauvertrag dürfte deshalb nicht das Ende des Knatschs sein, sondern eher der Anfang. Und Plan B die Lösung.
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