Twitter-Konkurrenz Threads setzt aufs UnpolitischeMark Zuckerberg will Threads zu einem «freundlichen Ort» machen
Der Verzicht auf Nachrichten, Debatten und Nazi-Vergleiche solls richten und eine unproblematische Plattform mit gut verkäuflichem Werbeplatz ermöglichen. Klappt das?
Es ist nicht ganz klar, wie viele Menschen sich bei Druck dieses Textes schon bei Mark Zuckerbergs neuem Twitter-Klon Threads angemeldet haben werden, doch es werden viele sein, gemäss Meta mindestens 100 Millionen. So viele jedenfalls, dass Social-Media-Berater und Nachrichtenredaktionen langsam nervös werden: Wann kann man endlich vom neuen Twitter-Killer sprechen?
Das eigentlich Bemerkenswerte ist die Art und Weise, wie der Konzern die Menschen von seinem Klon überzeugen möchte. Man konzentriere sich definitiv darauf, Threads «zu einem freundlichen Ort zu machen», sagt etwa Meta-Chef Mark Zuckerberg kurz nach dem Start. Wie er das erreichen will? Vor allem durch den Verzicht auf Nachrichten und politische Debatten. Man werde Inhalte dieser Art zwar in den internen Ranking-Methoden nicht aktiv herabstufen, aber die Nutzer auch nicht dazu ermutigen.
Die sonst üblichen Fact-Checking-Mechanismen sind bei Threads ausser Kraft gesetzt.
Das Ziel sei es gar nicht, Twitter zu ersetzen. Sondern einen öffentlichen Raum für Gemeinschaften zu etablieren, die an einem weniger verärgerten Diskurs interessiert seien. Als Beispiele nennt er Sport, Mode, Unterhaltung, Musik und so weiter. War das also schon immer die offensichtliche Lösung? Statt Klimakrise und Angriffskrieg der endgültige Rückzug ins Private und Banale. Wer darauf verzichtet, seine Kontaktliste von Instagram zu importieren, ist auf Threads jedenfalls mit den puren Empfehlungen des Algorithmus konfrontiert. Bei der Ausspielung ist der kleinste gemeinsame Nenner das höchste Gut, es handelt sich um das digitale Äquivalent der Gentrifizierung. Verlässlich, aber eben auch sterbenslangweilig.
Es scheint fast, als versuche Meta, sich langsam, aber sicher aus der Verantwortung zu stehlen für den Diskursverfall, der auf Facebook seinen Anfang nahm. Dabei ist die von oben verordnete Abkehr von der Politik natürlich selbst schon wieder ein politischer Schritt und entbindet die Führungsriege von Threads nicht von der Verantwortung für die Auswirkungen der Inhalte, die auf ihrer Plattform stattfinden.
Adam Mosseri, im Unternehmen für Instagram und damit auch für die neue App zuständig, erklärte die Motivation hinter der Entpolitisierung so: «Aus der Sicht einer Plattform ist jedes zusätzliche Engagement oder jeder zusätzliche Umsatz, den sie (Nachrichten und Politik, Anm. d. Red.) bringen könnten, die Überprüfung, die negative Stimmung oder die Integritätsrisiken, die damit einhergehen, überhaupt nicht wert.»
Schon in den ersten Tagen aber verlief der Diskurs auf Threads ungefähr so, wie man das bislang kannte.
Nutzer, die sich gegenseitig Nazi-Vorwürfe um die Ohren hauen, stören offenbar vor allem deshalb, weil sie die Monetarisierung erschweren. Schon in den ersten Tagen aber verlief der Diskurs auf Threads ungefähr so, wie man das bislang kannte. Da die sonst bei Meta üblichen, ohnehin schon rudimentären Fact-Checking-Mechanismen dort ausser Kraft gesetzt sind, erschienen bald Beiträge über satanistische Milliardäre und andere Wahnkonstrukte, Rechtskonservative fühlten sich mal wieder gecancelt, und viele von ihnen lobten Twitter unter der Führung Elon Musks. Gemäss eigener Aussage werden sowohl Donald Trump Jr. als auch die Taliban dem Original noch eine Weile erhalten bleiben.
Fehler gefunden?Jetzt melden.