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Ein Star im Wallis
Mario Balotelli, der Mann für Brot und Spiele

Der besondere Moment in der Geschichte des FC Sion: Mario Balotelli wird von Trainer Paolo Tramezzani eingewechselt.
Foto: Jean-Christophe Bott (Keystone)
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Als beim Spiel zwischen dem FC Sion und dem FC Basel die 65. Minute läuft, ist es so weit. Eine Mondlandung ist es nun zwar nicht gleich, die über das Tourbillon kommt. Immerhin aber macht sich Mario Balotelli auf, die Super League erstmals mit seiner Anwesenheit zu beehren.

Er ist unübersehbar, mit seiner Statur und der Nummer 45 auf dem Rücken. Seine halbe Stunde auf dem Platz wird nicht gleich zur Erleuchtung. Dafür fehlt es ihm an der körperlichen Verfassung. Das kümmert keinen, der Sion zugetan ist. Die Walliser Spieler und Fans feiern ausgelassen ein 2:1 gegen ein miserables Basel.

Den Platz verlässt Balotelli mit nacktem Oberkörper. Er hat sein Leibchen in der Fankurve verschenkt. Wer sonst eines von ihm will, muss einen Monat darauf warten. Die ersten 400 waren im Fanshop schon wenige Stunden nach seinem Transfer vergriffen.

Einen Tag vorher, Frage an Christian Constantin: Wofür hat er Balotelli geholt? Um in den nächsten zwei Jahren Tore zu machen? Oder als Werbegag? «Um Pizza zu machen in der Porte d’Octodure», antwortet der Präsident und Besitzer des FC Sion. Sein schallendes Lachen zeigt, dass er zufrieden ist mit seiner Antwort. 

Die Porte d’Octodure ist das Nervenzentrum seines Unternehmens in Martigny. Und von hier meldet er, inzwischen ernsthaft, dass er natürlich Tore erwartet von Balotelli, aber auch, dass er die Mannschaft besser macht. Gerade den Jungen soll er helfen.

Balotelli ist dieser Spieler, der für das steht, was Constantin so gefällt, für Glamour, Aufgeregtheit, Verrücktheit, Extravaganz; für all das, wofür die Super League eben nicht steht. Balotellis Transfer also als Sensation für Sion? «Für Sion und die Liga», sagt Constantin. Balotelli soll für Erfolg und Unterhaltung stehen, für Brot und Spiele.

2 Millionen für Constantins teuersten Spieler

Am Mittwoch wird der Zuzug von Balotelli perfekt, um 17.59 Uhr, eine Minute vor Transferschluss. Am Donnerstag geht der Italiener in Riddes erstmals auf den Trainingsplatz. Im linken Ohr hängt weiterhin ein silbernes Kreuz. Das lässt darauf schliessen, dass er die Einheit noch nicht so ernst nimmt.

Am Nachmittag gibt er im Tourbillon eine Pressekonferenz, die Hose in militärischen Tarnfarben, das Leibchen schwarz wie der Schlapphut, auf dem das Bild eines Panthers zu sehen ist. Barthélémy Constantin begleitet ihn, Barthélémy ist der Sohn von Christian Constantin und Sportchef beim FC Sion. 

«Verrückt genug, zehn Wochen um einen Spieler zu kämpfen»: Sions Sportchef Barthélémy Constantin bei der Präsentation von Balotelli.
Foto: Jean-Christophe Bott (Keystone)

Der grosse Chef verzichtet auf ein Erscheinen. Er selbst versteht das nicht als Zeichen dafür, wie gross der Anteil seines Sohnes bei diesem Transfer ist. «Ich muss arbeiten», sagt er, «noch härter als sonst.» Einen Balotelli gibt es nicht gratis, und darum die Frage: Ist das finanziell überhaupt verantwortbar? «Schon einen Franken auszugeben, ist im Fussball nicht verantwortbar», sagt der Präsident.

Die Spekulationen, was Balotelli kostet, sind herumgeschwirrt. 3 Millionen für die Ablöse, 3 Millionen als Lohn oder doch nur die Hälfte? Constantin gibt sich verschwiegen. Der Lohn? «Ehrlich», sagt er, «da hat Balotelli uns sehr geholfen.» Die Ablöse? «Er ist mein teuerster Spieler.»

Balotelli ist der kostspieligste Zuzug für Sion, aber nicht der teuerste Transfer, den Constantin abschloss. Den machte er beim Verkauf von Matheus Cunha an Leipzig. «Bei Cunha waren das zehnmal mehr», präzisiert er. Ein Zehntel von 20,5 Millionen macht 2 Millionen für Balotelli, «ja», sagt Constantin.

Der Wunsch des Vaters und die Beharrlichkeit des Sohnes

Die Geschichte mit Sion und Balotelli beginnt Ende Mai. Sion bringt die Saison mit Ach und Krach als Siebter zu Ende, einen Punkt vor dem Barrageplatz. «Wir brauchen einen grossen Stürmer», sagt er Barthélémy. Und Barthélémy, kurz Barth, erstellt eine Liste mit Kandidaten. Edinson Cavani, der Uruguayer von Manchester United, steht drauf, auch Artem Dzyuba, ein ebenso gealterter Russe von St. Petersburg. Und als Dritter Balotelli, 32-jährig.

Anfang Juni trifft der Walliser Sportchef in Monaco Vincenzo Raiola, den Cousin des verstorbenen Beraters Mino Raiola. Dabei lässt er den Namen Balotellis fallen, «das ist nicht realisierbar», bekommt er zu hören. Er lässt nicht locker, wie er im «Nouvelliste» erzählt. Er bittet um ein persönliches Treffen mit dem Spieler. Raiola sagt: «Du weisst, dass das teuer wird.» Barth entgegnet ihm, dass er es ernst meint.

Am 29. Juni kommen Vater und Sohn Constantin in Brescia mit Balotelli zusammen, da besitzt er ein Penthouse. Sie reden mit ihm nicht über Geld, sondern über seine Erwartungen und Wünsche. Barth erklärt ihm: «Ich möchte meinem Vater wieder ein Vergnügen bereiten, wenn er ins Stadion kommt.» Wie die Constantins vorgehen, gefällt Balotelli. Schnell hat er «zu 98 Prozent» seine Wahl getroffen. Er möchte ins Wallis.

Ein italienischer Sender berichtet vom Interesse Sions an Balotelli. Barth bittet seinen Vater, das nicht zu bestätigen. Kurz darauf liest er online, was der Vater sagt: «Es ist wahr.» Ein CC lässt sich eine solche Chance nach Aufmerksamkeit nicht entgehen.

Genüsslich erzählt er jetzt auch die Episode aus dem Sommer 2010, als er auf Sardinien Balotelli erstmals traf. Zufälligerweise verbrachten sie am selben Ort Ferien und nahmen an einem Plauschmatch teil. Bei der einen Mannschaft spielte Balotelli, der mit 20 vor dem Wechsel von Mailand nach Manchester stand, bei der anderen hütete Constantin das Tor, 53-jährig. 

«Nach dem Spiel kam er zu mir», sagt Constantin, «und er fragte: Für welche Mannschaft spielst du in der Ligue 1 in Frankreich?» Balotelli musste Humor gehabt haben. Constantin hat jedenfalls heute noch seinen Spass daran.

Jetzt also Balotelli und Sion. Der Spieler mit dem speziellen Ruf, den José Mourinho während der gemeinsamen Zeit bei Inter Mailand als «unführbar» bezeichnete. Und Roberto Mancini während der gemeinsamen Jahre bei Manchester City als «verrückt». Der im Badezimmer Feuerwerk abbrannte, mit Dart-Pfeilen nach Juniorenspielern warf oder vor ein Frauengefängnis fuhr, um sich einmal zu erkundigen, wie es da so aussieht.

Balotelli will kein Star sein, er will nur Fussball spielen

Er hatte alles für eine grosse Karriere, den Körper und das Können, und er gewann mit Inter die Champions League, mit Man City die Meisterschaft, und mit Italien stand er 2012 im EM-Final, auch dank seiner grossartigen Tore im Halbfinal gegen Deutschland. Nur eines spielte ihm einen Streich: der eigene Kopf.

Gross ist seine Karriere in den letzten zehn Jahren nicht mehr verlaufen, obschon es Clubs wie Milan und Liverpool mit ihm versuchten. Er war danach in Nizza und Marseille, landete bei Brescia und mit Monza in der Serie B, bevor er vor einem Jahr bei Adana Demirspor bis 2024 unterschrieb. Und dieser Vertrag in der Türkei wird zum Hindernis, als die Constantins bei ihm vorsprechen.

Wochenlang bewegt sich nichts, Barth Constantin gibt nicht auf. Bis es ihm am Montag gelingt, Balotelli ins Wallis zu holen. Der Vater findet eine Lösung mit Adana und realisiert einen Transfer, den so nur Sion zustande bringt. «Ich weiss nicht, ob nur wir das schaffen», sagt der Sportchef, «aber wir sind verrückt genug, zehn Wochen um einen Spieler zu kämpfen.»

Der feine Heber und seine Folgen: Basels Arnau Comas kann Balotelli nur noch mit einem Foul stoppen und wird dafür verwarnt.
Foto: Fabrice Coffrini (AFP)

Vater Constantin kümmert sich nicht darum, welchen Ruf Balotelli hat, welche Gerüchte und Vorurteile über den Charakter ihn verfolgen. Balotelli sagt an seiner PK: «Mein Ruf interessiert mich nicht. Er entsteht wegen Details, wegen Fehlern oder Aussagen von Leuten, die mich nicht kennen. Die Menschen, die für mich zählen, wissen, wie ich bin.» Und wie ist er? «Ich bin kein Star, ich mag es einfach, Fussball zu spielen.»

Gegen Basel verliert er ein paar Bälle, er schiesst zweimal aus der Distanz, erzwingt eine Verwarnung für einen Basler. Und er ist nahe dran, als Giovanni Sio in der 89. Minute das Siegtor erzielt. Mit dem Torschützen schlendert er nach dem Schlusspfiff Arm in Arm über den Rasen.

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