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Schweizer Erfolgsduo
Damit die Kosten für Stöckli nicht explodieren, gibt es in Odermatts Vertrag eine Klausel

12.04.2024; Engelberg; Ski Alpin - Maedienkonferenz Stoeckli, Marco Odermatt (SUI) 
(Claudio Thoma/freshfocus)
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Fuhr früher jemand mit Stöckli-Ski aufs Weltcup-Podest, hatten die Mitarbeiter in der Manufaktur im luzernischen Malters etwas zu feiern: Am Montag wurde ihnen dann jeweils ein Apéro serviert. Mittlerweile gibt es das nur noch ab und zu, sind Siege und Top-3-Ränge doch längst nicht mehr die Ausnahme, sondern vorab dank Marco Odermatt quasi garantiert.

Beni Matti, der langjährige Rennsportchef von Stöckli und heute im Verkauf des Unternehmens tätig, bedauert, dass mit der Tradition gebrochen wurde, «denn Erfolge sollten nie als selbstverständlich erachtet werden». Bei besonderen Ereignissen werde aber noch immer angestossen – auch schaut die Belegschaft im Ski-Manufakturladen in Malters gemeinsam manches Rennen. Es gibt viel zu jubeln.

Wie gross ist der Odermatt-Effekt für Stöckli?

Es kommt immer häufiger vor, dass Hobbyskifahrer in eine Filiale spazieren und den «Odi-Ski» verlangen. Selbstredend gibt es den echten Rennski nicht zu kaufen, damit können Freizeitsportler gar nicht fahren. Aber es gibt ähnliche Modelle. Der Effekt, den der beste Skifahrer der Gegenwart auslöst, ist vor allem beim Nachwuchs zu spüren, bei dem ein regelrechter Stöckli-Hype ausgebrochen ist. Das freut CEO Marc Gläser besonders, dürfte das doch nachhaltig sein: «Fährt ein Kind Stöckli, ist die Chance gross, dass es auch in Zukunft auf unsere Ski setzt.»

Wie gross der Effekt genau ist, den Odermatt auslöst, weiss man bei Stöckli nicht. Wirtschaftlich zeige sich das ohnehin verzögert, sagt Gläser: «Niemand kauft gleich einen Ski, nur weil Odermatt in Gröden gewonnen hat.» Vielleicht spiele das aber bei einer nächsten Kaufentscheidung eine Rolle.

Der Einfluss von Odermatt sei aber wohl kleiner als gemeinhin angenommen, glaubt Gläser. Schliesslich hat Stöckli vor allem den Export erhöht, mittlerweile gehen 70 Prozent der Ski ins Ausland. Der Fokus liegt vor allem auf Nordamerika, wo die Verkaufszahlen künftig von 16’000 auf 32’000 verdoppelt werden sollen. Der Skirennsport hat dort einen geringen Stellenwert, entsprechend klein ist dort der Odermatt-Effekt. Gläser sagt es so: «Es gibt viele Gründe, warum wir erfolgreich sind. Und einer davon ist Odermatt.»

Wie gross ist Stöckli heute?

Stöckli ist in den letzten Jahren gewachsen. Und wie. Als Gläser vor rund zehn Jahren die Geschäftsführung übernahm, wurden in Malters pro Jahr 35’000 Paar Ski produziert. Heute ist die Produktion auf 90’000 Paar ausgelegt, dieses Jahr werden 80’000 hergestellt. «Wir haben die Produktionsfläche fast verdoppelt und die Ski-Manufaktur signifikant modernisiert», sagt Gläser. Auch werden seit 2018 keine Mountainbikes mehr produziert. Das Unternehmen konzentriert sich seitdem auf sein Kerngeschäft: auf die Herstellung und den weltweiten Verkauf von Ski.

Marc Gläser, CEO von Stöckli, bei einer Medienkonferenz in Engelberg am 12. April 2024, umgeben von Ski und dem Stöckli-Logo im Hintergrund.

10 bis 20 Prozent könne Stöckli in den nächsten Jahren noch wachsen, glaubt Gläser. «Wir haben uns im Premium-Bereich etabliert, bei 100’000 Paar Ski pro Jahr sehe ich unsere Grenze.» Zum Vergleich: Die Österreicher von Atomic liegen bei etwa 400’000 Stück. Es gebe indes keinen grossen Druck, zu wachsen, sagt Gläser, «wir legen den Fokus auf die Rentabilität». Der Umsatz liegt bei über 60 Millionen Franken.

Warum ist Odermatt wichtig für Stöckli?

«Die Visibilität und Emotionalität, die Odermatt generiert, ist gewaltig», sagt Gläser. Wenn der Nidwaldner nach den Rennen seine Ski in die Kamera hält, freut das den CEO. Jüngst hat er sich beim Ausnahmeathleten persönlich bedankt, dass er Stöckli so oft positiv erwähne in Interviews. «Er sieht und schätzt, wie viel Aufwand wir für ihn und das Team betreiben.»

Entscheidend seien nicht nur die Erfolge der Stöckli-Athleten und -Athletinnen, es gehe auch um Image, um «Glaubwürdigkeit und Emotionalität». Nur weil jemand gut Ski fahre, werde er noch nicht automatisch zum Kandidaten für sein Unternehmen, sagt Gläser. Er interessiere sich vor allem für junge Athleten und Athletinnen, «etablierte Podestfahrer unter Vertrag zu nehmen, ist nicht unsere Strategie». Auch müssten potenzielle Fahrer und Fahrerinnen zur Marke passen.

«Odermatt etwa passt perfekt», sagt Gläser, «er verkörpert den modernen Schweizer: bodenständig, authentisch, sympathisch und doch enorm ehrgeizig und professionell.» Waren früher die slowenischen Stars Tina Maze und Ilka Stuhec oder die Deutsche Viktoria Rebensburg die Repräsentantinnen der Marke, sind das heute vor allem Schweizer. Neben Odermatt etwa Thomas Tumler, die Speedhoffnungen Alexis Monney, Marco Kohler und Lars Rösti oder Nicole Good, Jasmina Suter und Noémie Kolly.

Wie viel kostet das Engagement?

Detaillierte Zahlen, wie viel Odermatt Stöckli kostet, werden nicht kommuniziert. Das Budget der Rennabteilung beträgt drei Millionen Franken pro Jahr. Darin enthalten sind auch die Kosten für Odermatt: zum einen Fixzahlungen und Erfolgsprämien, zum anderen Leistungen, die etwa das Testteam erbringt.

«Vom Servicemann bis zu mir: Wir alle arbeiten daran, dass Odermatt erfolgreich sein kann», sagt Gläser. Deshalb glaubt er auch, dass der 27-Jährige langfristig bleibt, auch wenn Grossfirmen vielleicht mehr Geld bieten würden. «Es gibt zurzeit keinen Grund, unser Winning-System aufzulösen. Er kann sich auf uns verlassen, und wir geben täglich unser Bestes, damit er seine Ziele erreichen kann. Das sind Dinge, die wichtiger sind, als ein paar 10’000 Franken mehr zu verdienen.»

Damit man sich in Malters noch über jeden Erfolg Odermatts freuen kann, ohne mit Sorgen auf das Budget zu schauen, ist im Vertrag ein Kostendach festgeschrieben. Ist dieses erreicht, bekommt Odermatt keine zusätzlichen Erfolgsprämien mehr. Natürlich hat der Nidwaldner mit seinen vielen Siegen in den letzten Jahren dieses Kostendach stets erreicht.

Wie hat die Zusammenarbeit begonnen?

Marco Odermatt ist 12 und fährt auf Rossignol-Ski, als er das Gefühl hat, die Latten würden nicht richtig laufen. Er bittet seinen Kollegen Kean Mathis, dessen Stöckli-Ski ausleihen zu dürfen. Die Bindungen werden neu montiert – und sofort fährt Odermatt eine Trainingsbestzeit. Gemäss Ex-Rennsportchef Beni Matti war er 1,5 Sekunden schneller als zuvor. Odermatt ging heim und fragte, ob er auch solche Ski haben könne. «So stark hat er nie zuvor um etwas gebettelt», erzählt Vater Walter Odermatt.

Marco Odermatt und sein Rennchef Beni Matti im Gespräch nach der Ski-WM-Abfahrt der Männer 2023 in Courchevel.

Ein paar Tage später borgt sich Odermatt nochmals Mathis’ Material. Er fährt damit ein Nachwuchsrennen in Sörenberg – und gewinnt. Es kommt zum Vertrag mit Stöckli, Odermatt kriegt jeweils zwei Paar Slalom- und Riesenslalom-Ski, die Speed-Ski muss er Ende Saison wieder zurückgeben.

Schon nach seinem ersten Junioren-WM-Titel 2016 erhält er mit Chris Lödler einen eigenen Servicemann, mittlerweile gehört auch Ivo Zihlmann zum Team, er präpariert die Speed-Ski des Vielfahrers, testet vor jedem Rennen rund 20 Paar.

Matti sagt, Odermatt sei ein Geschenk für alle Mitarbeiter: «Er gibt extrem gute Rückmeldungen und spürt sofort, wenn etwas nicht passt, oder eben auch, wenn es passt.» Odermatt sei fordernd, aber auch sehr angenehm im Umgang, sagt Matti. «Er weiss genau, was er braucht. Während der Besichtigung eines Laufs weiss er nach zwei Toren, ob das Material passt.»

Warum galt Stöckli einst als «Damen-Ski»?

Seit 1994 ist die Marke im Rennsport vertreten, es brauchte mehrere Gesuche, um in den Ski-Pool des Schweizer Skiverbandes aufgenommen zu werden. Urs Kälin war der erste Athlet, der Podestplätze lieferte. Auf Stöckli-Material vertrauten später auch Paul Accola, Marco Büchel, Didier Plaschy, Ambrosi Hoffmann oder Tobias Grünenfelder. Über Letzteren schrieb der «Blick» einmal, sein Entscheid für den Schweizer Skifabrikanten würde ihn um eine erfolgreiche Karriere bringen.

Tina Maze aus Slowenien bei der ersten Runde des Riesenslaloms der Damen beim FIS Alpine Ski-Weltcup-Finale in Méribel am 22. März 2015.

Grünenfelder fuhr zwischen 2003 und 2011 auf Stöckli, «bei einigen Verhältnissen funktionierte es sehr gut, bei anderen waren wir damals nicht konkurrenzfähig», sagt der Elmer. Er habe zwar einen gut dotierten Vertrag erhalten, alles in allem aber seien die Ressourcen viel kleiner gewesen als heute. «Es ist verblüffend, was für eine Entwicklung das Unternehmen gemacht hat», sagt der heute 47-Jährige.

Grünenfelder sagt, Stöckli habe früher als «Damen-Ski» gegolten, was mit den Erfolgen von Fabienne Suter, Ilka Stuhec, Viktoria Rebensburg und vor allem Tina Maze zusammenhing. Die Seriensiegerin war gewiss ein Segen für die Firma, in ihrer Heimat aber wurde der Ski aus dem Hochpreissegment nicht rege verkauft. Mittlerweile befindet sich Stöckli auch im Ski-Pool der Amerikaner und Norweger. In den letzten Jahren kamen auch diverse Österreicher auf Stöckli zu, die Aufnahme in den Ski-Pool von Ski Austria ist aber zu teuer.