Manor kündigt Lobby-Kooperation mit Migros und Coop
Interessenlage, Kosten- und Zeitgründe seien Anlass für den Austritt der Warenhauskette aus der Organisation. Doch laut Insidern steckt noch mehr dahinter.
Ein Warenhaus und zwei Supermärkte weniger, über 80 Stellen weg, und der Standort an der Zürcher Bahnhofstrasse ist geräumt: Die Warenhauskette Manor stellt sich neu auf. Wie Recherchen dieser Zeitung zeigen, tritt sie nun auch aus der Lobby-Organisation IG Detailhandel (IGDH) aus. Manor ist Gründungsmitglied und war der letzte angehängte Detailhändler, der weder zur Migros noch zu Coop gehört. Auf Anfrage bestätigt Manor, die Kündigung bei der IGDH Ende 2019 eingereicht zu haben. Ende März tritt die Warenhauskette offiziell aus der Interessengemeinschaft aus.
Valora und Charles Vögele verliessen die IGDH bereits 2015. Und ist Manor erst weg, zählt die Interessengemeinschaft, die vor 14 Jahren gegründet wurde, nur noch drei Mitglieder: Migros, Denner und Coop. Grund für den Mitgliederschwund soll laut Brancheninsidern die Dominanz der zwei Grossverteiler sein. Migros und Coop würden den Ton angeben und in erster Linie ihre eigenen Interessen vertreten. Den anderen Mitgliedern werde kaum Mitspracherecht eingeräumt. Denner ziehe als Migros-Tochter jeweils mit. Für Valora und Charles Vögele soll diese Dominanz damals ein Mitgrund gewesen sein, die IGDH zu verlassen, so ein Insider.
Manor gibt sich auf Anfrage versöhnlich und will nichts von Unstimmigkeiten wissen: «Dass es mal unterschiedliche Auffassungen gibt, ist klar, aber wir haben die Diskussion immer als konstruktiv erlebt und gemeinsame Interessen vertreten», sagt Unternehmenssprecher Fabian Hildbrand. Migros und Coop seien zwar dominant, Manor habe sich bei Entscheidungen aber nicht überstimmt gefühlt.
Weil die Warenhauskette sich aktuell in einer Transformationsphase befinde und zudem Mitglied im Detailhandels-Verband der Swiss Retail Federation (SRF) ist, habe man sich die Frage gestellt, wo man sich aufgrund der Unternehmensgrösse und Geschäftsfelder am besten vertreten fühlt. Bei der SRF sind weder Coop noch Migros dabei.
Zudem sei die Mitgliedschaft in der SRF und der IG auch eine Kosten- und Zeitfrage, sagt Hildbrand. Manor ist der einzige Händler, der noch in beiden Organisationen dabei ist. Jedes Mitglied zahlt einen bestimmten Beitrag. Manor gibt an, der IGDH im Jahr knapp unter 100'000 Franken zuzüglich Projektbeiträge und Spesen zu zahlen.
Interessen der grossen Detailhändler
Die Swiss Retail Federation bezeichnet sich selber als Vertreterin der «mittelständischen Detailhandelsunternehmen». Zu ihren über 40 Mitgliedern zählen unter anderem Aldi, Lidl und Volg. Ihnen kommen zahlreiche Dienstleistungen zugute: so zum Beispiel Anschlusslösungen für AHV- und Familienausgleichskasse, Branchenstudien oder Versicherungslösungen. «Ich denke, der grosse Unterschied zur IGDH ist, dass wir als typischer Branchenverband auftreten, sehr demokratisch aufgestellt sind und eine grosse Diversität an Mitgliedern haben», sagt Geschäftsführerin Dagmar Jenni.
Auch die IGDH bündelt die Interessen der Schweizer Detailhändler, fokussiert aber vorwiegend auf politische Dossiers. «Um spezifische Branchenthemen kümmern wir uns, sofern sie politisch verhandelt werden. Das gilt auch für Arbeitgeberthemen», sagt Geschäftsführer Patrick Marty. Man nehme an Vernehmlassungen teil, wenn nötig lobbyiere man auch im Parlament.
Entscheide würden in der IGDH immer einstimmig gefällt. Dass Migros und Coop eine grosse Marktmacht haben, sei aber unbestritten. So vertrete die IGDH vor allem die Interessen der grossflächigen Lebensmitteldetailhändler, sagt Marty. Das war für Valora Grund für den Austritt nach neun Jahren, heisst es auf Anfrage. «Die Themen der IG Detailhandel waren vor allem auf den grossflächigen Lebensmitteldetailhandel ausgerichtet. Valora ist fokussiert auf kleinflächige Standorte», sagt eine Sprecherin. Zum Verhältnis zu Migros und Coop wolle man sich nicht äussern.
Ausgewogenere Entscheidungen
Gar nicht erst Mitglied in der IGDH werden wollte der deutsche Discounter Aldi. «Bei der IG Detailhandel sind vornehmlich zwei Grossverteiler vertreten, die gleichzeitig den Detailhandel in der Schweiz dominieren. Uns ist keine ähnlich gelagerte Konstellation im Ausland bekannt», heisst es auf Anfrage. Es sei Aldi wichtig, in einem Branchenverband, der vielzählige Dienstleistungen bringt und die Branche heterogen vertritt, dabei zu sein. Seit 2013 ist der Discounter Mitglied der SRF. Eine heterogene Zusammensetzung führe oft zu einer grösseren Legitimation in der Vertretung und zu ausgewogeneren Entscheidungen, lässt der Discounter verlauten.
Auch für Lidl, der seit 2014 bei der SRF ist, war eine Mitgliedschaft in «weiteren Verbänden dieser Art» bisher kein Thema. Man habe sich für einen Beitritt entschieden, da man sich mit den Leitsätzen der SRF identifizieren konnte, der Verband gut vernetzt sei und eine breite Mitgliederbasis im gesamten Detailhandel aufweise, heisst es auf Anfrage.
Die IG Detailhandel bedaure den Austritt von Manor, sei durch ihn aber keineswegs geschwächt, sagt Patrick Marty. Es sei durchaus sinnvoll, die IGDH aufrechtzuerhalten. Auch wenn sie ab April faktisch nur mehr aus Migros und Coop besteht. «Sie repräsentiert immer noch einen sehr grossen Teil des Schweizer Detailhandels», sagt Marty, «und die Interessenlage ist weitgehend identisch.»
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