Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Kommentar zu Kurz’ Rücktritt
Mann ohne Moral

Als Bundeskanzler ist Sebastian Kurz zurückgetreten, Schattenkanzler bleibt er.

Sebastian Kurz musste sich als Österreichs Bundeskanzler zurückziehen, aber er bleibt weiter an der Macht. Als Klubobmann, also als Fraktionschef im Parlament, hat er weiter die Fäden in der Hand und kann auch an den Regierungssitzungen teilnehmen. Ausserdem geniesst er nun parlamentarische Immunität. Chef seiner Partei, der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), bleibt er auch.

Mit Alexander Schallenberg hat er einen Nachfolger als Kanzler bestellt, der ihm treu ergeben ist. Der Diplomat hat keine innenpolitischen Erfahrungen und ist auch nicht in der ÖVP verankert – Kurz bleibt also Schattenkanzler. Er kann weiterhin die Geschicke der Politik Österreichs bestimmen und er könnte wieder an seine Position als Kanzler zurückkehren.

Es ist nicht Einsicht, die Kurz dazu gebracht hat, einen Schritt zur Seite zu treten. Er ist nach wie vor überzeugt davon, nichts Falsches getan zu haben; nur die eine oder andere Wortwahl sei überzogen gewesen. Damit waren wohl die unflätigen Bezeichnungen über seinen damaligen Parteichef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner gemeint, den der aufstrebende Kurz mit allen Mitteln beiseite räumen wollte. Dass das auch mit Hilfe gefälschter Umfragen geschehen sein soll, für die der Steuerzahler aufkam, vermutet die Staatsanwaltschaft. Das sind die strafrechtlich relevanten Vorwürfe der Untreue, der Bestechung und Bestechlichkeit.

Auch in Deutschland wurde Kurz oft bewundert

Politisch relevanter sind die in den Chats verborgenen Aussagen über Parteifreunde. Hier kam zum Vorschein, wie Kurz als damaliger Aussenminister bei Landeshauptleuten «gezündelt» hat, wie er es selbst formulierte. Das Ziel: Vorhaben der Regierung zu verhindern, etwa ein 1,2-Milliarden-Euro-Paket zur Finanzierung der Nachmittagsbetreuung von Kindern. Skrupellos hat Kurz alles getan, um an die Macht zu kommen. Er hat aktiv Projekte der Regierung torpediert, als deren Mitglied.

Für sehr viele Menschen in Österreich ist Kurz deshalb mehr als untragbar geworden. Das Bild, das sich aus den bekanntgewordenen Chats ergibt, zeigt einen Menschen, der keine Moral hat und dem Werte nichts bedeuten. Einen Politiker, der mit seinen Helfern seinen politischen Aufstieg ohne Skrupel vorbereitet und umgesetzt hat.

Kurz' Verbleib an den Schalthebeln der Macht verhindert auch eine Aufarbeitung der nun publik gewordenen Machenschaften. Die Regierungsarbeit kann zwar fortgesetzt werden, weil die Forderung der Grünen nach einer «untadeligen Person für das Kanzleramt» erfüllt wurde. Aber das System bleibt – auch das für Aufklärung nicht gerade förderliche sehr enge Verhältnis von Politik und Medien.

Auch in Deutschland wurde in politischen Kreisen und in den Medien der inzwischen 35-jährige Kurz bewundert und gefeiert: als junger, konservativer Politiker, der Wahlen gewinnt. Nun kennt man die Mittel dazu. Aus einer Lichtgestalt ist eine Schattenfigur geworden.