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Regierungskrise in Österreich
Kanzler Kurz hofft auf Fortsetzung der Koalition mit den Grünen

Nach Razzia: Sebastian Kurz steht in der Alpenrepublik mächtig unter Druck.
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Österreichs konservativer Kanzler Sebastian Kurz will seine Koalition mit den Grünen trotz der Korruptionsvorwürfe gegen ihn fortsetzen. «Ich hoffe, dass wir weiterhin stabile Verhältnisse in unserem Land haben», sagte Kurz (ÖVP) vor Journalisten und spielte den Ball an die Grünen, die seine Handlungsfähigkeit in Frage gestellt hatten. «Wenn die Grünen also nicht mehr diese Zusammenarbeit fortsetzen wollen und sich andere Mehrheiten im Parlament suchen wollen, dann ist das zu akzeptieren.»

Politiker der Grünen hatten zuvor signalisiert, dass sie die Zusammenarbeit mit den Konservativen fortsetzen würden, falls Kurz sich zurückzieht. Doch die ÖVP-Minister in der Regierung erteilten diesem Plan eine Absage. «Eine ÖVP-Beteiligung in dieser Bundesregierung wird es ausschliesslich mit Sebastian Kurz an der Spitze geben», betonten sie in einer gemeinsamen Erklärung.

Am Dienstag ist eine Sondersitzung des Nationalrats geplant, in der die Opposition einen Misstrauensantrag gegen Kurz einbringen will.

Grünen-Chef: Nicht zur Tagesordnung übergehen

Der Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler erklärte am Mittwoch, dass «wir nicht zur Tagesordnung übergehen können, die Handlungsfähigkeit des Bundeskanzlers ist vor diesem Hintergrund infrage gestellt. Wir müssen für Stabilität und Ordnung sorgen.»

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Auch wenn Österreichs 35-jähriger Regierungschef den Ermittlungen «gelassen» entgegensieht und jede Schuld bestreitet, ist die Dimension von einer neuen Brisanz: Nicht nur er, sondern auch sein engstes Umfeld – sein Medienberater, sein Chefstratege, ein Pressesprecher – sind im Visier der Fahnder. «Das kann sich jetzt gut und gern zum Endgame auswachsen», sagte der Politikberater Thomas Hofer am Donnerstag. Die mächtigen Landesfürsten der ÖVP würden jetzt sicher über personelle Alternativen zu Kurz nachdenken.

Am Mittwoch hatten Fahnder im Kanzleramt, in der ÖVP-Zentrale, im Finanzministerium und in einem Medienhaus Datenträger, Server, Handys und Laptops gesichert. Kurz und sein Team sollen ein österreichisches Medienhaus für geschönte Umfragen mit mehr als einer Million Euro aus Steuermitteln bezahlt haben. Sowohl Kurz als auch das Medienhaus bestreiten die Vorwürfe vehement.

Die Grünen als Koalitionspartner der ÖVP ergriffen am Donnerstag die Initiative. Ihr Vorstoss, sich nun mit anderen Parlamentsparteien beraten zu wollen, setzt die ÖVP unter Entscheidungsdruck. Die Opposition ist sich einig wie selten. «So kann das nicht weitergehen in unserem Land», sagte die Chefin der liberalen Neos, Beate Meinl-Reisinger. Die Affäre müsse der Startschuss für eine andere Kultur sein. «Ein Tag Null eines neuen Österreich», forderte die Liberale.

In einer gemeinsamen Linie will die Opposition zwar nicht an der Unschuldsvermutung gegenüber einem Beschuldigten rütteln, hebt aber auf die politische Verantwortung ab. Kurz beschädige bei einem Verbleib das Amt und den Ruf Österreichs, heisst es.

Der Verdacht der Staatsanwaltschaft gegen den Kanzler selbst ist klar formuliert: «Sebastian Kurz ist die zentrale Person: sämtliche Tathandlungen werden primär in seinem Interesse begangen», heisst es in der Durchsuchungsanordnung. Alle beteiligten Personen «mussten sich dem übergeordneten Ziel – ihn zur Position des Parteiobmanns und in weiterer Folge des Bundeskanzlers zu führen und diese danach abzusichern – unterordnen», so die Ermittler.

Die «Familie» besteht aus einem Zirkel

Der Aufstieg von Kurz ist eng mit seinem kleinen Team aus absolut loyalen Vertrauensleuten verbunden. Die «Familie», wie sie sich in den aufgetauchten Chats nannte, besteht aus dem Zirkel, gegen den nun ermittelt wird, sowie einigen weiteren Getreuen.

Kurz gilt als jemand, der gern die Kontrolle hat – und so wurde unter seiner Kanzlerschaft die «Message-Control» im Kabinett vorexerziert. Regierungsmitglieder schienen sich kaum von vorbereiteten Drehbüchern lösen zu dürfen. Kurz ist aber auch jemand, der Ratschlägen zuhört und sie annimmt. Umso wichtiger war die Rolle seines Teams für ihn.

Es gibt unterschiedliche Szenarien, wie es weitergehen könnte. So wäre nach einem erfolgreichen Misstrauensantrag im Parlament der Bundespräsident am Zug. Das Staatsoberhaupt könne einen neuen Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin ernennen, verweist der Politologe Peter Filzmaier auf die Verfassung. «Es muss nicht automatisch Neuwahlen geben», sagte er.

Aus einer Wahl würde nicht unbedingt die ÖVP als Verliererin und die anderen Parteien als Gewinner hervorgehen, gab Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle zu bedenken. «Ich bin nicht sicher, wie das ausgeht», sagte sie. Der bislang beliebte Kurz könnte von seinen Anhängern als Märtyrer gesehen werden. Und die Grünen könnten sich nicht darauf verlassen, mit den zuletzt angeschlagenen Sozialdemokraten und den liberalen Neos eine stabile Koalition zustande zu bringen.

Eine grosse Belastungsprobe für das Land

Die Ermittlungen gegen Kurz sind so oder so eine grosse Belastungsprobe für die Alpenrepublik. «Das Verfahren steht ja erst am Anfang, die zehn Beschuldigten wurden noch nicht einmal einvernommen», sagt Filzmaier. Damit drohe eine jahrelange Diskussion darüber, ob der Regierungschef sich schuldig gemacht habe oder nicht. Eine verschärfte Polarisierung der Gesellschaft sei schon jetzt absehbar, sagt der Politologe.

Die Vorwürfe von manipulierten und geschönten Umfragen lassen auch die Branche nicht ruhen. Der Verein der Chefredakteure erklärte: «Die in den Justizunterlagen beschriebenen Zustände sind unethisch, unmoralisch und verwerflich. Medienkonsumenten wurden dadurch getäuscht, der Ruf der Medienbranche beschädigt», betonten sie am Donnerstag in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Es gebe für Inserate keine redaktionelle Gegenleistung. Vielmehr existierten in den allermeisten Medienhäusern rote Linien und eine strikte Trennung zwischen Redaktion und Anzeigenabteilung.

Dass sich Kurz die Aussicht auf Siege etwas kosten lässt, machte schon der Wahlkampf 2017 deutlich. Auf dem Weg ins Kanzleramt verstiess die ÖVP deutlich gegen die Wahlkampfkostengrenze. Die Partei gab rund 13 Millionen Euro aus, erlaubt war den Parteien ein Betrag von jeweils sieben Millionen Euro. Das war allerdings keine Premiere, schon 2013 hatte die ÖVP mehr ausgegeben als vorgesehen.

Es sei durchaus logisch, dass Kurz im Augenblick nicht zurücktreten wolle, meint Filzmaier. «Er weiss, dass es in absehbarer Zeit kein Rückfahrticket gibt.»

/fal