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Meinung

Mamablog
Warum manche Ideen ins Altpapier gehören

Cheerful siblings having pizza at home
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Als meine Kinder klein waren, hatte ich eine Fülle von Ideen, wie unser zukünftiges Leben aussehen könnte. Was ich eines Tages für sie kochen würde. Welche abenteuerlichen Ausflüge, Ferien und Reisen wir zusammen unternehmen würden. Ideen, was mir in ihrer Erziehung besonders wichtig wäre. Zu all diesen Themen schnitt ich Artikel und Inserate aus Zeitungen und Zeitschriften aus, die ich in thematisch geordnete, fein säuberlich beschriftete Ordner ablegte.

Ordner voller Träume

Im Ordner mit der Aufschrift «Ferien» fanden sich zum Beispiel ein Vorschlag für ein Eseltrekking in den Pyrenäen, ein Aufruf für einen Familien-Sozialeinsatz im ecuadorianischen Hochland und ein Maiensäss ohne Strom und Wasser. Der Ausflugsordner liess sich auch nicht lumpen und quoll über vor Ideen: mehrtägige, kindgerechte Wanderungen, Wildkräuter sammeln im Emmental oder Museumsbesuche bis tief in den französischen Jura. Und dann war da noch der Kochordner, randvoll mit äusserst vollwertigen Rezepten, die angeblich allen schmecken sollten – idealerweise spielend leicht.

Heute, 14 Jahre später, habe ich die Ordner wiedergefunden, beim Ausmisten vor dem Streichen der Wohnung. Die Mammutwerke lagen verstaubt im hintersten Winkel des Regals. Ich liess mich mit ihnen ins Sofa fallen, blätterte sie durch und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Denn ehrlich gesagt: Kaum etwas davon haben wir je realisiert. Nicht weil es schlechte Ideen gewesen wären, sondern weil uns das Leben dazwischenkam. Denn Kinder sind vom ersten Schrei an kein theoretisches Modell, sondern eigene Wesen mit eigenen Bedürfnissen. Ich selbst startete in die Schwangerschaft mit der Vorstellung, eine Supermutti zu werden, und landete dann Schritt für Schritt, Windel für Windel bei der «Good-enough-Mutter». Ich begriff, dass weniger oft mehr ist und dass meine eigene Kraft der grösste Schatz der Mutterschaft ist. Dass sich die Dinge manchmal völlig anders entwickeln als gedacht – und dass genau darin das Abenteuer Familie liegt, wenn man gut im Sattel sitzt und den wilden Ritt mitreitet, statt starr an alten Idealen festzuhalten.

Loslassen macht Platz für echte Abenteuer

Und die abenteuerlichen Reisen? Bald wurde klar, dass wir alle am glücklichsten waren, wenn wir Jahr für Jahr auf denselben piemontesischen Bauernhof fuhren – eine Adresse immerhin, die tatsächlich aus meinem Ordner stammte. Dafür blieben die pyrenäischen Esel ungeritten, der Sozialeinsatz in Ecuador und die Einsamkeit des Bündner Maiensäss unerlebt.

Auch beim Kochen musste ich bald einsehen, dass die Geschmacksnerven meiner Kinder in einer ganz anderen Welt lebten als meine. Und nein, ich hatte weder Zeit noch Lust – wie im Ordner vorgeschlagen –, aus Gemüse lustige Figuren zu schnitzen, um ein paar Vitamine mehr in den – während einiger Jahre doch sehr einseitig gestrickten – Schlund meiner Kinder zu schmuggeln. Aus den theoretischen und idealisierten Vorstellungen der Mutterschaft wurde das pralle Leben. Und rückblickend bin ich froh darüber – denn gerade in diesem Abweichen von alten Denkmustern wurde es so richtig spannend.

Trotzdem schlich sich heute ein Hauch von Sentimentalität ein, als ich die vergilbten Ordner schliesslich ins Altpapier schmiss. Den Zwerg-Bartli-Weg? Den werden wir nie gemeinsam gehen. Das Puppenmuseum? Bleibt unbesucht. Die Kräuter im Emmental? Werden von anderen bestaunt und gepflückt. Vieles war möglich, anderes nicht. Einmal mehr geht es darum, loszulassen. Nicht die Kinder, sondern die Ideen und Vorstellungen, die ich einst mit ihnen verbunden habe.

Erschaffen und wieder loslassen – der ewige Kreislauf der Elternschaft. Mal schmerzlich, mal beglückend. Und doch immer zugunsten des Lebens selbst, wenn man überholte Konzepte loslässt und sich von der Lebendigkeit leiten lässt – ohne die Grundpfeiler aus den Augen zu verlieren.

Das hier ist mein letzter Mamablog. Auch hier ruft das Leben nach Neuem. Es war mir eine Freude, von Ihnen in meinen Gedanken begleitet zu werden. Und ich bin dankbar dafür, dass Sie diese immer wieder mit Ihren eigenen bereichert haben.

Für all das danke ich Ihnen von Herzen. Hebed Sies guet.