Comics gegen CoronaMalen nach Qualen
Statt Comicfestival: Die Serie «Zeich(n)en aus dem Homeoffice» zeigt, wie man einen anderen Blick auf das (eigene) Alltagsgeschehen gewinnt.
Drei Wochen lang allein im Zimmer mit David Bowie? Das kann einem schon zu Kopf steigen, wie man am Beispiel des Berliner Comic-Künstlers Reinhard Kleist sieht. Der glaubte irgendwann, er wäre Ziggy Stardust: Bowies Bühnen-Alter-Ego aus seiner Glamrock-Phase in den Siebzigern.
Zumindest stellt der mit Büchern über Johnny Cash oder Nick Cave bekannt gewordene Zeichner es so dar, in seinem Comic, den er für die Web-Serie «Zeich(n)en aus dem Homeoffice» geschaffen hat. Darin sieht man ihn als den Alien-Rockstar Ziggy am Zeichenpult stehen und Songs wie «Life On Mars?» schmettern. Bis er sich nach ein paar Minuten Wahn, Glamour und Ekstase wieder in Reinhard Kleist verwandelt. Mit hängenden Schultern, zurück in der Realität.
Und die sieht so aus: Corona-Quarantäne. Was bedeutet, dass man auch als Comic-Künstler nicht mehr normal leben kann. Hinzu kommt, dass Lesungen, Workshops oder Festivals ausfallen, zu denen auch der für Juni geplante Comic-Salon in Erlangen gehört (der renommierte Max-und-Moritz-Preis soll immerhin verliehen werden). Dessen Macher haben nun die Serie «Zeich(n)en aus dem Homeoffice» gestartet, heisst: Sie haben befreundete Zeichner gebeten, ihnen «grafische Lebenszeichen» zur aktuellen Lage zuzusenden. Auf der Website des Comic-Salons sind ihre Beiträge zu finden.
«Platzhalterprobleme» lösen
Neben Kleist mit seinem Beitrag «Ich nach drei Wochen Selbst-Isolation-im-Atelier-David-Bowie-Zeichnen» gehört etwa Flix zu den beteiligten Künstlern. Der Zeichner, der bisher Themen wie «Faust» oder «Don Quichote» verhandelt hat, zeigt sich auf seiner Schwarz-Weiss-Zeichnung bei dem Versuch, sich gleichzeitig um die Arbeit und seine Töchter zu kümmern. Das gelingt ihm nur mithilfe einer dritten, mechanischen Hand, die für ihn den Zeichenpinsel führt.
Lisa Frühbeis präsentiert sich dabei, wie sie «Platzhalterprobleme» löst. Sie sitzt zuhause vor der Spielkonsole und nimmt am Telefon, wie es aussieht, jeden erdenklichen Job an. Und bei Birgit Weyhe halten menschliche und tierische Figuren Schilder mit durchgestrichenen Begriffen wie «Aufträge», «Essengehen», «Integration», «Offenheit» und «Reisen» in der Hand. Das einzige nicht durchgestrichene Wort heisst «Quarantäne».
Stilistisch weisen die Beiträge eine grosse Bandbreite auf: von schwarz-weiss bis knallig bunt, von abstrakt, reduziert bis expressiv und lebhaft malerisch, von «kindlich», lieblich bis düster, naturalistisch. Was sie allesamt auszeichnet, ist, dass alleine durch das individuelle, mit dem Stift oder Pinsel erfolgte Ins-Bild-Setzen der teilweise vertrauten Themen eine zweite, reflexive Ebene entsteht. Das heisst: Schon durch ihre Form fallen die Comics aus dem Wust an Texten, Essays, Blogs, Fotos und Fernsehbildern über Corona, die sich oft doch nur gegenseitig duplizieren, heraus.
Sie schaffen eine teils wohltuende, teils notwendige Distanz zum Alltagsgeschehen und machen dadurch einen anderen Blick auf dieses möglich. Und sie zeigen, worin die Stärken und Potenziale des Mediums Comic liegen. Einen Ausweg aus der Krise bieten die Zeichner nicht. Aber sie machen die Auseinandersetzung ein Stück leichter erträglich.
Hier gehts zur Web-Serie «Zeich(n)en aus dem Homeoffice» des Comic-Salons.
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