Besuch des französischen StaatschefsMacrons riskante Wette im Libanon
Den Libanon zu Reformen bewegen, aber gleichzeitig nicht wie ein Kolonialherr auftreten: Präsident Emmanuel Macron zeigt bei seiner Reise ins ehemalige französische Mandatsgebiet eine Mischung aus Demut und Bestimmtheit.
Vom Flughafen direkt ins Wohnzimmer der Grand Dame der arabischen Musik: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron landete am Montagabend in Beirut – doch statt sofort den wenige Stunden zuvor auserkorenen Premier Mustapha Adib zu treffen, verlieh der Präsident der libanesischen Sängerin Fairouz zunächst den französischen Verdienstorden der Ehrenlegion. Es ist die ranghöchste Auszeichnung des Landes, erstmals gestiftet 1802 von Napoleon Bonaparte. Über seinen Besuch sagte Macron im Anschluss: «Fairouz gibt uns Hoffnung. Ich verspreche, dass wir zu einem besseren Libanon zurückkehren werden.»
Vor dem Haus von Fairouz erinnerten Demonstranten Frankreichs Präsidenten daran, was sie von ihm erwarten. «Kein Kabinett mit den Mördern», «Nein zu Adib!» und «Wir wollen Nawaf Salam!» Der 66-jährige Salam ist Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag, in ihm sieht die Protestbewegung einen möglichen Kandidaten für eine zivil geführte Regierung. Mit der Designation von Adib scheint diese Personalie nun unwahrscheinlich. In einem Interview mit dem Magazin «Politico» sagte Macron auf dem Flug nach Beirut, die Alternative Salam hätte nicht funktioniert, da er nicht genügend parlamentarische Unterstützung bekommen hätte. So soll die mächtige Hizbollah ein Veto gegen Salam eingelegt haben. Es ist vertrackt im Libanon, das weiss Macron. Er sagt deshalb auch: «Es ist eine riskante Wette, die ich mache, ich bin mir dessen bewusst. Ich lege das Einzige auf den Tisch, was ich habe: mein politisches Kapital.»
Besuch in einem Zedernwald
Für Macron bedeutet sein Engagement im Libanon auch die Möglichkeit, das weltpolitische Gewicht Frankreichs zu betonen. «Wir müssen weiterhin versuchen, die gesamte internationale Gemeinschaft zu mobilisieren», sagte Macron. Er erklärte sich bereit, in Paris im Oktober eine weitere Konferenz zu organisieren, auf der finanzielle und logistische Hilfe für den Libanon koordiniert werden soll. Das offensive Engagement des französischen Präsidenten läuft dabei stets Gefahr, als paternalistische Geste der früheren Kolonialmacht gesehen zu werden, der ibanon wurde 1920 unter französischem Mandat gegründet. An diesem 1. September jährt sich die Entstehung des damals Grosslibanon getauften Staates zum hundertsten Mal. Macron beging dieses Jubiläum mit einem Besuch in einem Zedernwald, dessen Schutz Frankreich mitfinanziert. Statt eine Rede zu halten, beschränkte er sich darauf, einen Baum zu pflanzen. Die Libanesen seien für die Franzosen «wie Brüder» hatte Macron zuvor auf Twitter geschrieben, auch auf Arabisch. Eine Formulierung, welche die Gleichberechtigung der beiden Länder betonen soll. Die klaren Ansagen an die Politik kombiniert Frankreichs Präsident mit Zuneigungsbekundungen an Land und Bevölkerung.
Hausaufgaben für Libanesen
Ganz so demütig trat der französische Präsident dann aber nicht auf. Für den späten Dienstagnachmittag war ein Treffen mit den wichtigsten politischen Führern des Landes geplant, das zweite innerhalb weniger Wochen. Im Vorfeld sollten diese ihre Ansichten zur Entwicklung des politischen Systems darlegen, schriftlich, wohlgemerkt. Der libanesisch-britische Architekt und Satiriker Karl Sharro twitterte dazu, Macron gebe den libanesischen Politikern zwischen seinen Besuchen «Hausaufgaben». Das sei «rührend». Macron würde das wohl anders formulieren. Er bringt seinen politisch-diplomatischen Balanceakt im Libanon auf folgende Formel: «Fordern, ohne Einfluss zu nehmen.» Ein Konzept mit eingebautem Widerspruch. Schliesslich hat Macron der libanesischen Politik einen Fahrplan vorgelegt, der unter anderem Neuwahlen innerhalb der kommenden sechs bis zwölf Monate möglich machen soll.
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