Live1.-August-Ticker+++ «Ruhige» 1.-August-Nacht in der Deutschschweiz +++ Zwei Waadtländer Polizisten mit Böllern beschossen und verletzt
Die Frauen feierten auf dem Rütli, der SVP-Präsident irritierte mit einem Städte-Bashing und Joe Biden gratulierte der Schweiz. Alle Nachrichten zum Nationalfeiertag im Ticker.
Nachdem eine Bundesrätin und zwei Bundesräte am Samstag bereits ihre Bundesfeier-Ansprachen gehalten oder veröffentlicht haben, sind am Nationalfeiertag die übrigen Regierungsmitglieder ausser Ueli Maurer an der Reihe. Simonetta Sommaruga und Viola Amherd nehmen am Rütli der Frauen teil, welches dem 50-Jahr-Jubiläum des Frauenstimmrechts gewidmet ist.
Im Allgemeinen finden die 1.-August-Feiern am Sonntag in kleinerem Rahmen statt. Vielerorts wurde bereits am Samstag gefeiert. Verschiedene Städte wie Basel, Bern und Luzern verzichten wegen der Corona-Pandemie auf die grosse, zentrale Feier. Trotzdem werden im ganzen Land viele Rede gehalten – zum Teil auch per Video.
Generell ruhige 1.-August-Nacht – Zwei Waadtländer Polizisten verletzt
So ruhig wie noch selten zuvor haben sich der 1.-August-Abend und die nachfolgende Nacht präsentiert. So musste die Polizei weniger oft ausrücken als an vergangenen Nationalfeiertagen. In der Waadt wurden dennoch zwei Polizeibeamte im Einsatz verletzt.
Beim Löscheinsatz der Feuerwehr gegen kleinere Brände wurden in der Nacht auf Montag in Prilly bei Lausanne zwei Polizisten am Arm und an der Schulter verletzt, als sie mit Böllern beschossen wurden. In Lausanne musste ein gutes Dutzend kleinerer Feuer gelöscht werden, und auch in Yverdon-les-Bains kamen Ordnungshüter unter Beschuss, wie die Waadtländer Behörden am Montag mitteilten.
Als «aussergewöhnlich ruhig» bezeichneten Schutz und Rettung Zürich sowie die Feuerwehren im ganzen Kanton die 1.-August-Nacht. Es sei zu lediglich 26 Feuerwehreinsätzen gekommen, hiess es am Montag auf Twitter.
Die St. Galler Kantonspolizei rückte über das 1. August-Wochenende rund 25 Mal wegen Ruhestörungen aus, deutlich weniger als in den Vorjahren. Es kam vereinzelt zu Sachbeschädigungen durch Feuerwerk, wie es in einer Mitteilung vom Montag heisst. Verletzte wurden keine gemeldet.
Nasses und kühles Wetter sowie Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie hatten die Feierlaune bereits am Samstag und Sonntag vielerorts getrübt. In der ganzen Altstadt von Bern war das Zünden von Feuerwerk aus Sicherheitsgründen ohnehin verboten.
Und nun kommt Feuerwerk zum Nationalfeiertag auch auf das politische Parkett. Eine Gruppe von Privatpersonen, die im Bereich Tier, Mensch und Umwelt tägig sind, hat sich im Verein Feuerwerksinitiative organisiert. Sie wollen mit einer Volksinitiative eine starke Einschränkung von Feuerwerk mit Knalleffekten erreichen. Ein Initiativtext befinde sich in der letzten Prüfungsphase bei der Bundeskanzlei, teilte der Verein am Montag mit.
«Jetzt gehört das Rütli auch den Frauen»
Mehrere Hundert Frauen haben am Bundesfeiertag auf dem Rütli der Frauen gedacht, die für das Frauenstimmrecht gekämpft haben. Doch auch 50 Jahre nach dessen Einführung sei die Gleichstellung noch nicht erreicht, erklärten verschiedene Rednerinnen.
«Jetzt gehört das Rütli auch den Frauen», erklärte Alliance F, der Dachverband der Frauenorganisationen, zum Abschluss der 1.-August-Feier 2021. Die diesjährige Bundesfeier, das «Frauenrütli», unterschied sich deutlich von anderen Anlässen dieser Art. Statt Tradition waren Aufbruch und Veränderung angesagt. Die Nationalhymne wurde nicht mit dem althergebrachten Text gesungen, sondern mit dem neuen Text «Weisses Kreuz auf rotem Grund».
Porträts der Pionierinnen
Die Festgemeinde fuhr gemeinsam auf einem Schiff von Brunnen SZ über den Vierwaldstättersee zum Rütli UR. Angeführt von Standarten, auf denen Porträts von Pionierinnen der Schweizer Frauenbewegung prangten, zogen die Frauen, denen sich auch einige Männer angeschlossen hatten, hinauf auf die Wiese. Fanfarenklänge begleiteten den dank der vielen Regenschirme bunten Marsch.
Die Rütliwiese sah nicht nach 1. August aus: Festbänke fehlten, grillierte Würsten gab es keine. Auch staatsmännische Reden waren keine zu hören. Stattdessen gab es kurze Wortmeldungen von Frauen verschiedener Generationen.
Die 82-jährige Zürcher alt Nationalrätin Rosmarie Zapfl (Mitte) erinnerte daran, dass mit der Einführung des Frauenstimmrechts 1971 die Gleichstellung noch längst nicht erreicht war. Es habe viel Kraft, Geduld und Zeit gebraucht, bis die Mutterschaftsversicherung, die Fristenlösung oder das neue Eherecht geschaffen worden seien. Gesetze seien das eine, wichtig sei aber auch deren Umsetzung.
Erstmals zwei Bundesrätinnen
Zum ersten Mal überhaupt nahmen an der Rütli-Bundesfeier mit Simonetta Sommaruga und Viola Amherd zwei Bundesrätinnen teil. Frauen hätten viel verändert und würden die Gesellschaft prägen, sagte Sommaruga. Sie sagte auch, dass die drei Frauen im Bundesrat auch die Landesregierung prägen würden.
«Helvetia est en piste», sagte Amherd, und hob hervor, dass von den zwölf Medaillen, welche die Schweiz bislang an den Olympischen Spielen von Tokio gewonnen hat, neun auf das Konto von Frauen gehen. Auch sie dankte den Pionierinnen der Frauenbewegung, und sie forderte die junge Generation auf, diesen Kampf fortzusetzen.
Stellvertretend für die vielen Frauen, die sich in den vergangenen Jahrzehnten für die Sache der Frau eingesetzt haben, ehrte Alliance F vier Frauen aus den vier Sprachregionen. Die Ausgezeichneten waren per Los ausgewählt worden.
Erzählungen und Begegnungen
Im ersten Teil des «Frauenrütli» konnten die Besucherinnen und Besucher die Frauengeschichte entdecken. In drei Zelten wurden Erzählungen aus den verschiedenen Sprachregionen dargeboten, in zwei weiteren waren Begegnungen mit den beiden Bundesrätinnen möglich.
Wer mochte, konnte an einem grossen Gemälde arbeiten. Dieses wurde zum Abschluss der Feier auf dem Dach des Stalls auf dem Rütli enthüllt. Ferner konnten Wünsche zuhanden der Frauensession dargebracht werden.
Gastgeberin der Bundesfeier war die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG), die das Rütli verwaltet. SGG-Präsident Nicola Forster sagte, mit der diesjährigen Bundesfeier zur Einführung des Frauenstimmrechts werde «50 Jahre junge Demokratie» gefeiert.
Wegen Covid-19 war die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf 600 beschränkt worden. Zur Bundesfeier vom 1. Augst 2022 auf dem Rütli lädt die SGG den Eidgenössischen Schwingerverband (ESV) ein. Der ESV war bereits 2020 anlässlich seines 125-Jahre-Jubiläums eingeladen, doch musste die Feier wegen der Pandemie verschoben werden.
Chiesa irritiert mit Kampfansage
Was sind typische Elemente einer 1.-August-Rede? Das Beschwören des nationalen Zusammenhalts und die Auseinandersetzung mit der Willensnation Schweiz.
In hartem Kontrast dazu steht die Ansprache, die Marco Chiesa am Nationalfeiertag an die Wählerschaft seiner Partei gerichtet hat. Der SVP-Chef nutzte die Gelegenheit, um mit den «Luxus-Linken und Bevormunder-Grünen in den Städten» abzurechnen, die «abgehoben in ihren Blasen» lebten und «verächtlich auf die Landbevölkerung» herabschauten. Die Rede des 46-jährigen Tessiners gipfelte darin, dass er den links-grünen Städtern im Namen der SVP den «Kampf» ansagte. Die Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten.
Stefan Müller-Altermatt, Mitte-Nationalrat und Gemeindepräsident des 600-Seelen-Dorfs Herbetswil, twitterte: «Der Präsident der grössten Schweizer Partei verkündet am Nationalfeiertag öffentlich, dass seine Partei keinen Willen mehr hat zur Willensnation Schweiz. Mir fehlen die Worte. Echt.»
SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga kommentierte die Rede am Rande der Rütli-Feierlichkeiten, darauf angesprochen, kurz und knapp mit den Worten: «Die Stärke der Schweiz war immer der Zusammenhalt.»
Einen Appell fürs «Zuhören» lancierte FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter in ihrer eigenen 1.-August-Rede. Statt Gräben zu kultivieren, müssten Blockaden überwunden werden, sagte sie auf einem Bauernhof im luzernischen Hohenrain. Und ihr Regierungs- und Parteikollege Ignazio Cassis lobte die gelebte Solidarität als Markenzeichen der Schweiz. (red)
Trotz Regen und Corona: Bauernbrunchs ziehen zehntausende Gäste an
In der Schweiz haben am Nationalfeiertag trotz Regen und Corona-Auflagen zehntausende Menschen auf Bauernhöfen gefrühstückt. Über 200 Bauernfamilien luden dieses Jahr zum 1.-August-Brunch. Diese empfingen in den Kantonen Luzern und Freiburg auch zwei Bundesräte.
Landesweit hätten wohl gegen 70'000 Besucherinnen und Besucher an einem «Buurezmorge» teilgenommen, sagte Laura Berchtold vom Schweizerischen Bauernverband (SBV) der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie und der Schutzmassnahmen wurde die Zahl der teilnehmenden Betriebe um rund einen Drittel reduziert.
Um die erforderlichen Abstände zwischen den Menschen einhalten zu können, empfingen die einzelnen Bauernfamilien bei der 29. Ausgabe des 1.-August-Brunchs auch weniger Gäste als in normalen Jahren. Bei Veranstaltungen ohne Covid-Zertifikat durften sich gemäss den Vorgaben des Bundes drinnen maximal 250 Personen aufhalten, draussen waren 500 möglich.
Der diesjährige Brunch stand unter dem Motto «klein aber fein», wie der Bauernverband mitteilte. In zahlreichen Betrieben waren die Plätze bis auf den letzten Platz besetzt.
Bundespräsident Guy Parmelin liess sich das Bauernbuffet ebenfalls nicht entgehen. In strömendem Regen besuchte er einen Hof in Bouloz FR. Bundesrätin Kartin Keller-Sutter demonstrierte am Sonntag mit ihrer Teilnahme an einem Brunch in Kleinwangen LU ebenfalls die Unterstützung des Staates für die Bauern.
Gössi ruft zu Flexibilität auf
Die Parteispitzen von FDP und SVP haben sich zum Nationalfeiertag am Sonntag mit unterschiedlichen Voten an die Öffentlichkeit gewandt. FDP-Chefin Petra Gössi rief ihre Partei zu Flexibilität auf.
Gössi wandte sich in einer Video-Botschaft zum 1. August vor allem an ihre freisinnigen Parteimitglieder. Wie ein jahrhundertealter Baum müsse sich die FDP ständig dem veränderten Ökosystem anpassen, um nicht plötzlich um das Überleben kämpfen zu müssen. Es brauche Flexibilität und Lösungen für die wichtigsten politischen Probleme, sagte die 45-jährige Schwyzerin.
Als eine der grössten Herausforderungen für die Schweiz nannte Gössi die demografische Entwicklung. Es brauche echte Reformen bei der Altersvorsorge. Angesichts der Corona-Krise und dem ungeklärten Verhältnis zu Europa rief sie zudem zur Verteidigung der liberalen Wirtschaftsordnung mit entsprechenden Reformen auf.
US-Präsident Joe Biden gratuliert der Schweiz zum Nationalfeiertag
Der amerikanische Präsident Joe Biden hat der Schweiz zum Nationalfeiertag gratuliert. Bundespräsident Guy Parmelin hat einen entsprechender Brief von der US-Botschaft in Bern erhalten, schreibt der «SonntagsBlick».
In dem Brief richtet Biden seine besten Wünsche an die Eidgenossenschaft. Der 78-jährige US-Präsident lobt die Schweiz beinahe überschwänglich. Die Schweiz sei ein guter Freund und Partner der Vereinigten Staaten, heisst es im Briefkopf Bidens, den der «SonntagsBlick» veröffentlicht hat.
«Unsere Nationen sind vereint in unseren gemeinsamen demokratischen Werten, unserem Respekt für den Rechtsstaat und dem Engagement zum Schutz der Menschenrechte, aber auch durch unsere engen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen», schreibt Biden weiter.
Ausdrücklich würdigt der US-Präsident die Guten Dienste der Schweiz im Iran, wo eidgenössische Diplomaten seit 40 Jahren die Interessen der USA wahrnehmen. Biden bedankt sich erneut, dass die Schweiz das Gipfeltreffen zwischen ihm und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Genf ausgerichtet habe. Die Schweiz leiste einen unschätzbaren Beitrag zur globalen Diplomatie und zum Frieden.
Cassis: Solidarität und Pluralität als Schweizer Markenzeichen
In einer virtuellen 1. August-Ansprache hat sich Aussenminister Ignazio Cassis von Bangkok aus an die Auslandschweizer in Thailand gewandt. Es sei seine erste Nationalfeiertags-Rede im Ausland, sagte Cassis am Sonntag. Die gelebte Solidarität und die Pluralität seien Markenzeichen der Schweiz.
Cassis war am frühen Sonntag (Schweizer Zeit) in der thailändischen Hauptstadt Bangkok eingetroffen, wie er im Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte. Cassis ist bis Freitag auf diplomatischer Mission in Thailand, Laos und Vietnam. Für die Landsleute in Thailand hielt der Bundesrat fest, es gebe die weit von Asien entfernte geografische Schweiz. Es gebe aber auch die Schweiz im Herzen.
Und die Schweiz sei mit ihrer Diversität, ihren Landessprachen, ihrer Pluralität einzigartig in der Welt. Auf den Respekt vor dem anderen, der das Recht auf eine andere Meinung hat, dürfe sie stolz sein. Deshalb wolle er den Nationalfeiertag mit Auslandschweizerinnen und -schweizern in Thailand, Malaysia, Kambodscha, Laos und Myanmar begehen. Speziell den Landsleuten in Myanmar drückte er die Hoffnung aus, dass sich die politische Lage stabilisiert.
Seine aktuelle Reise führe ihn in Länder mit unsicherer Covid-19-Situation. Er versicherte dem thailändischen Volk die Solidarität der Schweiz im Kampf gegen die Pandemie. Dafür sandte die Humanitäre Hilfe des Bundes bereits 100 Beatmungsgeräte und über eine Million Antigentests nach Bangkok.
Im Rahmen der Covax-Initiative übergab die Schweiz vier Millionen Impfdosen, die auch für Auslandschweizer gedacht sind, welche sich gemäss Cassis in Kambodscha und Laos impfen lassen können. Für die Impfung der Auslandschweizer will sich der Bund weiter einsetzen, wie Cassis versicherte.
Keller-Sutter ruft zum Zuhören auf
Bundesrätin Karin Keller-Sutter hat an den Feierlichkeiten zum 1. August die Vielfalt der Schweiz betont. Diese gehöre zum Land, sagte sie in ihrer Rede auf einem Bauernhof im luzernischen Hohenrain. Statt Gräben zu kultivieren, müssten Blockaden überwunden werden, um gemeinsam neue Wege zu finden.
Sie habe in den vergangenen Wochen viel gehört von Gräben – zwischen Stadt und Land, Jung und Alt, Mann und Frau. Natürlich gebe es in der Schweiz unterschiedliche Lebenswelten, Bedürfnisse und verschiedene Ansichten. Das sei nicht neu, sondern Ausdruck der Vielfalt der Schweiz, sagte die Justizministerin gemäss Redetext vor Brunch-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern.
Die Herausforderungen der Schweiz könnten nicht gemeistert werden, indem ein neuer Kulturkampf heraufbeschworen werde, sagte die Bundesrätin. Die Schweiz könne diese nur gemeinsam bewältigen. Als Herausforderung nannte Keller-Sutter nicht nur die Corona-Pandemie, sondern auch die Digitalisierung «mit all ihren Chancen und Risiken» sowie die Sicherung der Altersvorsorge, des bilateralen Wegs und der natürlichen Lebensgrundlagen.
«Wir müssen in der Lage sein, einander zuzuhören und die Meinungen der anderen zu respektieren», sagte die Bundesrätin. Man müsse gerade auch Andersdenkenden das Gehör schenken, auf sie eingehen und gemeinsam Lösungen finden. In persönlichen Begegnungen, wie es jetzt wieder möglich sei, sei es leichter, einander zuzuhören.
Berset setzt auf Zuversicht und sozialen Zusammenhalt
«Die Schweiz hat sich in der Krise bewährt», sagt Bundesrat Alain Berset in seiner Rede zum 1. August. Doch die Krise sei noch nicht ausgestanden. Der Gesundheitsminister setzt auf Eigenverantwortung und sozialen Zusammenhalt, denn Zwang ist für ihn keine Option.
Berset zeigt sich in seiner am Samstag veröffentlichten Rede zum 1. August zuversichtlich – das Land werde sich auch nach dieser Krise bewähren. Die vielbeschworene Solidarität sei in den letzten 18 Monaten getestet worden. Man habe harte Erfahrungen gemacht und gelernt mit Unsicherheit umzugehen.
«Doch wir können mit Zuversicht die nächsten Herausforderungen angehen», denn «wir übernehmen Verantwortung im Kampf gegen das Virus». Trotz hitziger Debatten und viel Leid gehe die Gesellschaft gestärkt aus dieser Krise hervor, es sei die Solidarität, die die Schweiz stark mache.
Zu Beginn der Pandemie habe man zu drastischen Mitteln greifen müssen, um den ersten Schock abzudämpfen. Auch damals habe der Bundesrat stets auf die Eigenverantwortung der Leute gesetzt und damit auf den Gemeinsinn, «der unser Land stark gemacht hat».
Dies gelte auch für das Covid-Zertifikat: «Jede und jeder von uns soll selber entscheiden können, ob er oder sie dieses brauchen will oder nicht. Nur mit Eigenverantwortung und Wahlmöglichkeit kann echter sozialer Zusammenhalt entstehen – Zwang ist keine Option». Der Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen müsse für alle gewährleistet sein, so Berset.
Die Pandemie habe Flexibilität, Bescheidenheit und Selbstbewusstsein abverlangt, «all das werden wir auch künftig brauchen». Alles spreche dafür, auch «heute mit Optimismus und Mut die Herausforderungen anzupacken, mit denen wir uns konfrontiert sehen».
Man solle nicht in die Defensive gehen und sich an das Erreichte klammern, sagte Berset. Er verwies auf frühere Generationen. Diese hätten sich unter ähnlichen Umständen nicht an der «Vergangenheit festgeklammert wie an einer Boje in unruhigem Wasser». Sie hätten «unser Land neu positioniert, damit es zu den Gewinnern von morgen gehört» und ihr Bestes gegeben, damit die Schweiz erfolgreich bleibt, gerade auch in schwierigen Zeiten.
Parmelin: Werte von gestern sind Werte von morgen
Bundespräsident Guy Parmelin hält am Samstag und Sonntag nicht weniger als vier 1. August-Ansprachen. Den Auftakt machte er am Samstagabend in Herzogenbuchsee BE. Die Schweiz sei durch harte Arbeit, Mut, Zuversicht und gegenseitige Hilfe geworden, was sie ist, sagte er. Mit diesen Werten solle sie auch in die Zukunft schreiten.
Dieses Rezept bewähre sich seit 730 Jahren, erklärte Parmelin in seinen Ansprachen an den Bundesfeiern. Die Covid-19-Pandemie habe viele aus dem Gleichgewicht gebracht. Ihnen wolle er sein Mitgefühl ausdrücken. Und jenen danken, die sich im Gesundheitswesen oder zu Hause selbstlos für ihre Nächsten einsetzten.
Er denke aber auch an die jüngsten Unwetter. Die dabei gezeigte Solidarität und das Engagement der Bevölkerung bewundere er enorm. Das sage er bewusst an einem Tag, an dem sich die Schweiz auf ihre Grundwerte und ihren Nationalstolz besinne.
Von Stolz zu erzählen wirke seltsam, fuhr Parmelin gemäss Redetext fort. Das seien sich die Schweizerinnen und Schweizer nicht gewohnt und behandelten entsprechende Gefühle eher diskret. Aus vielen Gesprächen wisse er aber, dass die Bevölkerung durchaus glücklich und stolz sein könne.
Als Bundespräsident habe er erleben dürfen, wie das internationale Genf das Spitzentreffen zwischen Joe Biden und Wladimir Putin würdevoll organisiert hatte. Glücklich und stolz dürfe das Land auch auf seine Fussball-Nationalmannschaft an der Europameisterschaft sein. Und auch Olympia biete Anlass zum Stolz.
Leider sei aber auch zu beobachten, dass das Auf und Ab der Pandemie die Schweiz am gelassenen Blick in die Zukunft hindere. Dennoch hofften alle, das Schlimmste sei vorbei und damit die schwere Zeit der Einschränkungen zentraler Werte.
Aufgabe der Politikerinnen und Politiker sei es, das Land zusammenzuhalten, Vertrauen zu schaffen, Begeisterung zu wecken. Als Bundespräsident sei ihm der Zusammenhalt besonders wichtig.
Fehler gefunden?Jetzt melden.