Angespannte Lage in WeissrusslandLukaschenko versetzt halbe Armee in Alarmbereitschaft
Der Befehl sei eine Reaktion auf Drohungen des Westens, erklärt der weissrussische Machthaber. Die Nato weist die Vorwürfe zurück.
Der weissrussische Präsident Alexander Lukaschenko hat einem Medienbericht zufolge die halbe Armee seines Landes in Kampfbereitschaft versetzt. Der entsprechende Befehl sei eine Reaktion auf Drohungen des Westens, meldete die amtliche Nachrichtenagentur Belta am Freitag. Die Nato habe Übungen an den Grenzen zu Weissrussland auf den Weg gebracht, wurde Lukaschenko zitiert. «Was soll ich tun?»
Die Nato hat Lukaschenkos Vorwurf wiederholt zurückgewiesen. Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte unterdessen Russland auf, die Souveränität von Belarus zu respektieren. Zu der Polizeitruppe, die der russische Präsident Wladimir Putin seinem Kollegen Lukaschenko notfalls zur Verfügung stellen will, sagte sie: «Ich hoffe, dass eine solche Truppe nicht zum Einsatz kommt.»
Die Menschen in Weissrussland müssten ihren eigenen Weg gehen können, erklärte Merkel in Berlin. Sie hätten Anspruch auf Demonstrationsfreiheit und Meinungsfreiheit, Rechte, für die sie mutig auf die Strasse gingen. «Das sollen sie eigenständig, ohne Einmischung von aussen aus jeder Richtung, auch realisieren können. Das ist unser Wunsch», erklärte die Kanzlerin.
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte Russland am Donnerstag zur Zurückhaltung in Weissrussland gemahnt. «Wir rufen Russland auf, die Souveränität und die territoriale Integrität eines unabhängigen Landes, von Belarus, zu respektieren», sagte er in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Die Nato tue dies. «Wir respektieren die Souveränität, und die Nato zieht kein Militär nahe der Grenze von Weissrussland zusammen.» Es sei Sache der Menschen in Weissrussland, über die Zukunft ihres Landes zu entscheiden.
Putins Offerte
Putin hatte Lukaschenko zuvor Polizisten für den Einsatz in seinem Land angeboten. Die Beamten sollten allerdings nur nach Belarus entsandt werden, wenn die Unruhen dort ausser Kontrolle gerieten. Es war das bisher stärkste Signal des Kreml, dass Russland zum Einsatz von Gewalt in dem Nachbarland bereit sein könnte. (Lesen Sie dazu auch unsere Analyse: Lukaschenko bleibt nur der Rücktritt).
Lukaschenko drohte unterdessen auch mit Gegensanktionen, sollten Strafmassnahmen gegen sein Land verhängt werden. Lukaschenko, der seit 1994 autoritär regiert, hat sich zum Sieger der Wahl vom 9. August erklärt. Die Opposition erkennt dies nicht an. Sie wirft ihm Wahlbetrug vor. Seither kommt es zu Massenprotesten. Tausende Demonstranten wurden festgenommen, zuletzt 260. Die EU erwägt Sanktionen wie Reiseverbote oder das Einfrieren von Vermögen.
Polen und Ukraine gehen auf Distanz zu Minsk
Weissrussland gerät indessen angesichts der umstrittenen Wiederwahl von Lukaschenko international zunehmend ins Abseits. Die Ukraine fror ihre Kontakte zu ihrem nördlichen Nachbarn ein, verurteilte wie zuvor die Europäische Union die Wahlen als weder frei noch fair und schloss Sanktionen nicht aus. «Wir pausieren alle Kontakte, bis sich die Lage dort stabilisiert», sagte Aussenminister Dmytro Kuleba am Freitag in Kiew. Es gebe keinen Grund, die diplomatischen Beziehungen völlig abzubrechen. Aber sein Land werde über Sanktionen entscheiden, sobald sich zeige, was die EU unternehme. Weissrussland reagierte laut der dortigen Nachrichtenagentur tut.by, indem es erklärte, keine Ratschläge von der Ukraine zu benötigen.
Polen wies unterdessen Mutmassungen Lukaschenkos als inakzeptabel zurück, wonach die Regierung in Warschau eine Übernahme von Teilen des östlich angrenzenden Weissrussland plane, falls sich die politische Krise in der ehemaligen Sowjet-Republik verschärfen sollte. «Niemand in Polen hat solche Absichten. Das ist Propaganda», sagte Präsidentenberater Krzysztof Szczerski im Radio. Am Donnerstag war aus Protest gegen die «unbegründeten Vorwürfe» bereits der weissrussische Botschafter einbestellt worden.
REUTERS/fal
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