Eklat am Flughafen FrankfurtLufthansa entschuldigt sich für antisemitische Kollektivstrafe
Nachdem jüdische Passagiere keine Masken getragen hatten, wurden alle «erkennbaren Juden» am Weiterflug gehindert. Die späte Entschuldigung sorgt nun für weitere Empörung.
Die Lufthansa hat sich sechs Tage nach einem Eklat am Flughafen Frankfurt für den Flugausschluss von jüdischen Passagieren entschuldigt. Die gewählten Worte sorgen nun aber bereits für neue Empörung, wie auch der Umstand, dass sich die Fluglinie mit der Entschuldigung mehrere Tage Zeit liess.
Geschehen war der Vorfall bereits am vergangenen Mittwoch, dem 4. Mai. Offenbar waren mehr als hundert jüdische Passagiere auf Pilgerreise und flogen dazu von New York via Frankfurt nach Budapest. Gemäss Medienberichten hielten sich einige der orthodoxen Juden nicht an die geltende Maskenpflicht im Flugzeug. Als Konsequenz verweigerte die Lufthansa aber nicht nur den Maskenverweigerern den Weiterflug, sondern «allen erkennbaren Juden».
Eine sichtlich überforderte Lufthansa-Mitarbeiterin musste den «vom Management» getroffenen Entscheid auch jenen wütenden Passagieren mitteilen, die sich an die Regeln gehalten hatten, nun aber aufgrund ihres Aussehens bestraft wurden. Die verhängte Kollektivstrafe sorgte im Internet für Empörung. Und der Umstand, dass die Passagiere von Polizisten mit Maschinengewehren empfangen wurden, trug auch nicht zu einer Deeskalation bei.
Sechs Tage für eine Entschuldigung
Die Lufthansa reagierte lange Zeit nicht auf die Vorwürfe, selbst nachdem deutsche Medien breit über den Eklat und die antisemitische Kollektivstrafe berichteten. Erst sechs Tage nach dem Vorfall, als auch israelische und US-amerikanische Medien darüber berichteten und der Shitstorm in den sozialen Medien immer grösser wurde, veröffentlichte die Fluggesellschaft ein Statement.
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Die «ausdrückliche Entschuldigung» bestätigt den Vorfall der Kollektivstrafe erstmals vonseiten der Lufthansa. Sie bedauert demnach, dass «der grösseren Gruppe die Weiterreise nicht ermöglicht wurde, anstatt diese Entscheidung auf einzelne Personen zu beschränken».
Es gebe bei Lufthansa keine Toleranz für Rassismus, Antisemitismus oder Diskriminierung, heisst es im Statement. Zudem: «Wir entschuldigen uns bei allen Gästen nicht nur dafür, dass sie nicht reisen konnten, sondern auch dafür, dass ihre persönlichen Gefühle verletzt wurden.»
«Die Lufthansa-Spitze sollte sich entschuldigen und klar und unmissverständlich Stellung beziehen.»
Praktisch zeitgleich mit dem Statement der Lufthansa veröffentlichte Uwe Becker, der Antisemitismusbeauftragte des Bundeslands Hessen, in dem Frankfurt liegt, seine Forderung nach einer Entschuldigung. Offensichtlich sei allein wegen ihres erkennbaren Glaubens eine ganze Gruppe von Menschen für etwas verantwortlich gemacht worden, das offensichtlich nur einzelne Reisende betraf, heisst es darin.
«Das ist diskriminierend und keine Bagatelle, und umso mehr sollte sich auch die Unternehmensspitze persönlich in der Verantwortung sehen, sich für diesen Vorfall zu entschuldigen und klar und unmissverständlich Stellung beziehen.»
Breite Kritik an «halbherziger Nicht-Entschuldigung»
Eine klare und unmissverständliche Stellungnahme vermissen allerdings viele Internetnutzer im Statement der Lufthansa. Die erst sechs Tage nach dem Vorfall nachgereichte Entschuldigung sorgt deshalb aufgrund der Wortwahl für noch mehr Empörung. Die Fluglinie verzichte offenbar bewusst darauf, die Ereignisse klar zu benennen, es gebe keinen Hinweis, dass es sich um jüdische Passagiere handele und man sich für Antisemitismus entschuldige, heisst es in Antworten auf den Lufthansa-Tweet. Wer nichts vom Vorfall wisse, komme aufgrund des Statements nicht darauf, dass jüdische Passagiere diskriminiert wurden.
Stattdessen entschuldige sich Lufthansa dafür, dass die «persönlichen Gefühle» der Fluggäste verletzt wurden. Damit werde der Vorfall individualisiert, anstatt klar zu benennen, dass Antisemitismus vonseiten der Airline und des Bodenpersonals ausging, schreiben mehrere Twitter-Nutzerinnen und -Nutzer. Das wirke nur zynisch und verschleiere letztlich den antisemitischen Übergriff am Flughafen Frankfurt. «Das ist doch um einiges grösser als nur eine Verletzung der persönlichen Gefühle», heisst es in einem Tweet.
Für Ärger sorgt auch, dass Lufthansa die betroffenen Passagiere als eine «grössere Gruppe» bezeichnet. Im Flug von New York nach Frankfurt gab es gemäss Berichten mehrere Reisegruppen und auch individuell reisende jüdische Passagiere. Dass die Lufthansa diese nun alle als «eine Gruppe» nenne, zeige eigentlich, dass das Problem nicht verstanden wurde. Ein anderer Nutzer weist auf Twitter darauf hin, dass Lufthansa auch nicht alle christlichen, muslimischen, weissen oder dunkelhäutigen Passagieren als «eine Gruppe» behandle.
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Fast schon für Belustigung sorgt im Internet der Umstand, dass Lufthansa offenbar nicht mal das kleine Einmaleins der Entschuldigung beherrsche, wie es in mehreren Antworten auf den Tweet der Airline heisst. So könne man sich nicht selbst entschuldigen, sich also selbst die Schuld nehmen, sondern lediglich bei den Betroffenen um Entschuldigung bitten.
Stimmen aus den USA fragen ernsthaft, ob dies in Deutschland als Entschuldigung durchgehe, bei ihnen würde eine Firma mit so einem Schreiben nicht durchkommen, es werde ja nicht mal erwähnt, dass es um jüdische Passagiere ging.
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Ein Nutzer schreibt trocken: «Was passierte, ist unentschuldbar. Wir verstehen die Entschuldigung, aber die grobe Behandlung durch die Mitarbeitenden war unnötig.» Dabei sorgten nicht nur die haarsträubenden Erklärungen des Bodenpersonals für Unverständnis, sondern auch, dass die jüdischen Passagiere abgesondert und von bewaffneten Polizisten bewacht wurden.
Auf das Statement der Lufthansa sind innert wenigen Stunden mehr als tausend Antworten eingegangen. Die überwiegende Mehrheit der Tweets deutet darauf hin, dass die Airline mit dieser «halbherzigen Nicht-Entschuldigung», die Sache nur noch schlimmer gemacht hat. Die Stellungnahme sei nicht akzeptabel, Lufthansa solle es nochmals probieren, lauten die netteren Antworten. Andere fordern sogar gleich die Entlassung der Person, die für diese «PR-Katastrophe» verantwortlich sei.
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