Neues PhänomenMehrere Luchse ohne Ohren im Jura gesichtet – Forscher sind besorgt
Im Kanton Jura sind Luchse unterwegs, die Missbildungen aufweisen. Für die Tierpopulation in der Region verheisst dies nichts Gutes.
Im Februar fotografierte der Tierfotograf Alain Prêtre in der Nähe der französisch-schweizerischen Grenze im Jura. Auf den Bildern zu sehen ist ein Luchs. Bei genauem Hinsehen fällt auf: Dem Tier fehlen die Ohren.
Es handelt sich dabei um eine angeborene Missbildung, die Experten bereits bekannt ist. «Er wurde 2021 geboren und ist eines von drei Geschwistern», erklärt Fridolin Zimmermann von der Kora-Stiftung, welche die Entwicklung der Luchse in der Schweiz erforscht, gegenüber der Zeitung «ArcInfo».
Die Tiere seien erstmals im September 2021 in Frankreich gesichtet worden, im Februar 2022 dann im Waadtländer Jura und im Oktober 2023 schliesslich in La Chaux-du-Milieu. Alle drei würden dieselben Fehlbildungen aufweisen. «Das lässt vermuten, dass es sich um eine angeborene Fehlbildung handelt», so Zimmermann weiter.
Ein neues Phänomen
Das sei ein neues Phänomen, und es gebe noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber. Die Experten sind jedenfalls alarmiert und beunruhigt. Denn die Anomalie könnte eine Art Hinweis auf den Verlust der genetischen Vielfalt innerhalb der Art in der Juraregion sein. In den 1970er- und 1980er-Jahren wurden die Luchse im Jura wieder angesiedelt. Dies geschah mit sehr wenigen Tieren. Deshalb «leidet diese Population unter zunehmender Inzucht», so Zimmermann.
Eine erneute Wiederansiedlung des Luchses in dem Gebiet ist zwar aktuell kein Thema. Die Stiftung wird die Situation aber genau überwachen.
«Luchs könnte im Juramassiv aussterben»
Tierfotograf Prêtre, der selbst Ehrenpräsident des Vereins «Defend the Wolf» ist, geht sogar noch einen Schritt weiter. Wilderei, Jagd und Unfälle im Strassen- und Zugverkehr würden die genetische Verarmung der Art erheblich beschleunigen, sagt er. «Wenn nichts unternommen wird, könnte der Luchs im Juramassiv in den nächsten 30 Jahren aussterben», warnt Prêtre.
Er fordert die Behörden zum Handeln auf. Man müsse neue Tiere aussetzen, um frisches Blut in die regionale Population zu bringen. Gegen die Auswilderung von neuen Tieren haben auch die Experten nichts einzuwenden. Ein solches Vorgehen würde aber eine sorgfältige Vorbereitung erfordern.
«Diese Initiative muss unbedingt aus einer Einigung zwischen allen Interessengruppen hervorgehen», so Zimmermann. Ein gesellschaftlicher und politischer Konsens sei von grösster Bedeutung. Die Wiederansiedlung müsse zudem in einer Region erfolgen, in der es noch freie Gebiete für Luchse gebe.
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