Loterie RomandeGrosser Jackpot geknackt: «Serial Players» schlugen auch schon im Ausland zu
Professionelle Lottospieler gaben systematisch Tausende Tipps ab. Frühere Beispiele zeigen, wie in ähnlichen Fällen Millionengewinne ausbezahlt wurden.

- Die Loterie Romande hat eine Untersuchung eröffnet, um das Vorgehen von sogenannten «Serial Players» zu durchleuchten.
- Unternehmen haben sich darauf spezialisiert, alle Lose eines Spiels zu kaufen, um den Jackpot zu knacken. Dabei gehen sie legal vor.
- Eine Recherche zu einem Fall in Texas enthüllte ihr Vorgehen.
Zum Teil sprachen sie Englisch, sie traten selbstbewusst auf, waren vernetzt und extrem gut vorbereitet – das sind die Informationen, die zu den «Serial Players» vorliegen, die es vergangene Woche auf ein Spiel der Loterie Romande abgesehen hatten. Dieser Gruppe ist es wahrscheinlich gelungen, den Jackpot von fast 3 Millionen Franken zu knacken und weitere Nebengewinne einzuheimsen. Die Spieler hatten einen Grossteil oder sogar alle der 1 Million möglichen Kombinationen des Joker-Spiels gespielt.
Gemäss Informationen, die dieser Redaktion vorliegen, deutet vieles darauf hin, dass die Wette dieser Spieler aufgegangen ist. Wobei es nicht so wirkte, als würden sie es zum ersten Mal machen. Die Loterie Romande führt in Genf nun eine Untersuchung durch, um zu verstehen, wie die «Serial Players» vorgegangen sind.
Ob die Vorbereitungen für diese spektakuläre Aktion im Ausland getroffen wurden, ist ungewiss.
25,8 Millionen Dollar für den sicheren Gewinn
Im April 2023 hatten Spieler eine Lotterie im US-Bundesstaat Texas mit einem 95-Millionen-Dollar-Jackpot überrannt und 99 Prozent der verfügbaren Lose gekauft. Ihre Ausgaben für die Lose, um den Jackpot zu knacken, beliefen sich auf 25,8 Millionen. Nach den Abzügen betrug ihr Gewinn rund 57,8 Millionen Dollar. Der Fall wurde erst im Herbst 2024 dank einer umfassenden Recherche des «Houston Chronicle» publik.
Eine eigens dafür in den USA gegründete und in New Jersey registrierte Briefkastenfirma hatte mithilfe eines Investors die Lose gekauft und anschliessend eingelöst. Laut der texanischen Zeitung wurde die Operation jedoch von Europa aus von zwei Firmen mit Sitz in Malta und London orchestriert. Beide werden von zwei Australiern mit viel Erfahrung im Geldspielgeschäft geführt.
Das britische Unternehmen ist auf Gruppenwetten spezialisiert, das maltesische bietet Online-Lotteriespiele an. Ihr Plan wurde vollkommen legal durchgeführt. Ein früherer Versuch in Connecticut im Jahr 2019 war gescheitert.
«Das im texanischen Fall involvierte Netzwerk operiert international und beobachtet Lotterien auf der ganzen Welt. Diese hochintelligenten, professionellen Spieler halten nach den seltenen Momenten Ausschau, in denen die Lotterien ausgenutzt werden können», sagt Philip Conneller, Journalist bei Casino.org, einer US-Plattform, die Nachrichten über Glücksspiele genau verfolgt.
«Sie warteten auf die mathematisch günstige Gelegenheit, alle Lose zu kaufen. Offensichtlich verfügten sie über die nötige Liquidität und genügend Mittel, um Millionen Lotterielose zu bestellen, was die lokalen Vorschriften zuliessen.»
Abgesehen vom richtigen Zeitpunkt bieten sich bestimmte Spielarten für ein solches Vorgehen besonders an. Die Strategie besteht darin, nicht allzu beliebte Lotteriespiele zu finden, die auch nicht unbedingt über den höchsten Jackpot verfügen. Logisch, denn je weniger Spielerinnen und Spieler, desto geringer ist das Risiko, den Gewinn teilen zu müssen.
Ausserdem sollten genügend Verkaufsstellen zur Verfügung stehen, um schnell wetten zu können. Die Regeln der Lotterie müssen zudem bekannt sein, um Anfechtungen durch den Spielbetreiber zu vermeiden.
Findige Informatiker sahnen ab
Ein anderes Beispiel weist erstaunliche Ähnlichkeiten mit dem Romandie-Fall auf. Im Jahr 2011 berichtete der «Boston Globe», dass Spieler beim Cash-Winfall-Spiel, das dem Joker sehr ähnlich ist, eine sichere Gewinnstrategie gefunden hätten. Ab einem Jackpot von 2 Millionen Dollar wurde das Spiel lukrativ, denn die Gewinne der «kleinen» Spielscheine, mit denen ein kleiner Teil des Jackpots geknackt wird, stiegen ab dieser Schwelle stark an.
Das rief findige Informatiker auf den Plan: Mithilfe von Statistiken ermittelten sie, dass mit einem Einsatz von 100’000 Dollar ein sicherer Gewinn winkte, und bei einer grösseren Anzahl Lose noch viel höhere Summen. Allerdings musste schnell gehandelt werden, um so viele Spielscheine wie möglich kaufen zu können. Das Spiel wurde dann von einer kleinen Gruppe von Spielern innerhalb weniger Tage überrannt, wie die französische Nachrichtenseite «Slate» berichtete.
Zu ihrem Leidwesen bekam der Bundesstaat Massachusetts schliesslich Wind von der Sache und begrenzte den Verkauf von Spielscheinen auf 5000 Dollar pro Geschäft, was dieses strategische Vorgehen erheblich erschwerte. Drei Spielergruppen soll es aber gelungen sein, sich vor Inkrafttreten dieser Beschränkung zu bereichern.
Zur Geldwäsche ist die Lotterie ungeeignet
Weisen grosse Geldbeträge wie im texanischen Fall auf organisiertes Verbrechen hin? Die hohen gespielten Bargeldbeträge können Fragen aufwerfen. Doch Philip Conneller sagt, solche Aktionen seien nicht der beste Weg, um zwielichtige Geschäfte zu verschleiern, würden sie doch immer ein grosses Medieninteresse auf sich ziehen. Vielmehr sei es unerlässlich, sich an alle Vorschriften zu halten.
Er betont ausserdem, dass diejenigen, die in Texas operierten, auch mehrere legale und regulierte Glücksspielunternehmen betreiben würden. Es gebe keinen Grund zur Annahme, dass sie in Geldwäscherei verwickelt seien.
Nach einer Untersuchung hatten sich die Verantwortlichen der texanischen Lotterie dazu entschieden, die Gewinne auszuzahlen. Daraufhin waren die Regeln geändert worden, um Nachahmer zu verhindern.
In der Schweiz läuft das Spiel weiter
Davon ist am Sitz der Loterie Romande in Lausanne derzeit nicht die Rede. Von Panik innerhalb der Institution zu sprechen, sei vermessen, sagt Direktor Jean-Luc Moner-Banet, es gehe vielmehr um «Verantwortung»: «Gemäss unserer Sorgfaltspflicht müssen wir sicherstellen, dass all unsere Vorschriften eingehalten wurden, einschliesslich derjenigen zum Geldwäschereigesetz.»

«Nimmt man an einem unserer Spiele teil, erklärt man sich mit den damit verbundenen Bestimmungen einverstanden», sagt er, «man geht einen Vertrag ein.» In den Joker-Regeln heisst es unter anderem: «Auf Verlangen der Loterie Romande sind die Spielerinnen und Spieler verpflichtet, die vom Bundesgesetz über die Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung sowie der Verordnung über die Sorgfaltspflichten der Spielveranstalterinnen geforderten Informationen zur Verfügung zu stellen. Diese betreffen insbesondere die Identität der Spielerin oder des Spielers und/oder der wirtschaftlich berechtigten Person und/oder die wirtschaftlichen Hintergründe einer Geschäftsbeziehung oder einer Transaktion.»
Mit anderen Worten: Der glückliche Gewinner muss möglicherweise angeben, woher die verspielten Beträge stammen. Wie diese Redaktion Anfang Woche von Kioskbetreiberinnen erfahren hatte, waren am Wochenende zuvor mit prallen Geldumschlägen und Mobiltelefonen ausgerüstete Spieler aufgekreuzt, die nacheinander alle gewünschten Kombinationen spielten. Jeder Einsatz wurde ordnungsgemäss bezahlt.
«Solange nicht anders bewiesen, sind diese Personen unschuldig», sagt Jean-Luc Moner-Banet, «wir möchten nicht vorverurteilen. Doch die Auszahlung der Gewinne werden wir vollumfänglich überprüfen.»
Aller Wahrscheinlichkeit nach verfügte diese Gruppe über 2 Millionen Franken in bar, um auf das Joker-Spiel zu setzen, wobei die Einsätze normalerweise bei 2 bis 6 Franken pro Person liegen. Für die Loterie Romande ist das keine Schwachstelle, sondern ein Merkmal des Spiels: «Es gibt nur eine Million mögliche Kombinationen. Wenn man über die nötigen Mittel und die Zeit verfügt, um alle durchzuspielen, gewinnt man», räumt der Direktor ein, «doch man ist nicht unbedingt der einzige Gewinner.»
Momentan sieht er keinen Grund, das Spiel zu ändern oder einzustellen: «Es kann weiterhin problemlos betrieben werden.» Es bleibt abzuwarten, ob die laufenden Ermittlungen etwas daran ändern werden.
Aus dem Französischen übersetzt von Marina Galli
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