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Meinung

Frappé fédéral
Loser-Jositsch, Gender-Aeschi, Grummel-Noser

SP-Ständerat Daniel Jositsch bei der Stimmabgabe für den sozialdemokratischen Bundesratssitz. 
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Wir haben in der Schweiz zwar keine Königsfamilie wie die Briten, aber wir haben den Bundesrat. Das Siebnergremium sorgt, analog zum Haus Windsor auf den Britischen Inseln, für Glamour, Skandale und Klatsch. Storys um neue Familienmitglieder erfreuen sich naturgemäss der grössten Beliebtheit. Anstelle von Eva Herzog, die den Hochadel des Bundeshauses repräsentiert, wird nun die Outsiderin Elisabeth Baume-Schneider in die exklusivste Sippe des Landes aufgenommen. Jetzt kann die Schweiz wohl die britische Aufregung besser nachvollziehen, als der blaublütige Thronfolger Prinz William vor ein paar Jahren die Bürgerliche Kate Middleton ehelichte. 

Die sogenannten Hearings in den Parteifraktionen sind der vielleicht eigentümlichste Teil des Wahlrituals: Die Bundesratskandidatinnen und -kandidaten müssen Menschen, die komplett andere Positionen vertreten als sie selber, davon überzeugen, sie in die Regierung zu wählen. Die besten Chancen hat dabei, wer mit Charme aufwarten kann. Dem Vernehmen nach ist das vor allem Baume-Schneider bei der SVP gut gelungen. Gefragt nach ihrer Haltung zur Armee, sorgte die Sozialdemokratin mit ihrer Antwort jedenfalls für Lacher: Ihr sei aufgefallen, dass ihr Ehemann Pierre-André Baume während seiner Dienstzeit jeweils deutlich mehr Alkohol konsumiert habe.

Hearings mit Sozialdemokratinnen machen aus hartgesottenen Rechten natürlich keine Linken. Ein bisschen abfärben tun sie möglicherweise aber doch. Das zeigte sich bei Thomas Aeschi, der bei seinem Medienauftritt nach der SVP-Fraktionssitzung am Dienstag plötzlich das generische Femininum anwandte. Obschon die SVP gern gegen «linken Gender-Gaga» und übertriebene Gleichstellung ätzt, sprach Fraktionschef Aeschi die überwiegend männliche Journalistenschar allein mit «Geschätzte Damen» an. 

Einen lustigen Versprecher hatte Aeschi überdies, als er am Wahlmorgen im Plenarsaal Werbung für die SVP-Bundesratskandidaten Albert Rösti und Hans-Ueli Vogt machte: Er hielt Rückschau auf die Geschichte seiner Partei – und nannte als deren Gründungsdatum versehentlich das Jahr 2017. Unter allgemeiner Heiterkeit stellte Aeschi anschliessend die Falschangabe richtig: 1917 war das gemeinte Datum. Im Amtlichen Bulletin der Parlamentsdienste, das die Debatten jeweils protokolliert, ist die amüsante Episode freilich ausgemerzt. Aeschi wird dort direkt mit der korrekten Zahl zitiert. Dass die Parlamentsdienste die Voten aus den Debatten geglättet und geschönt wiedergeben, ist längst bedauernswerter Usus. Vielleicht lohnte es sich, die Voten des abtretenden Finanzministers Ueli Maurer aus der laufenden Budgetdebatte nachzulesen: Man wäre kaum überrascht, wenn das Bulletin die von Maurer angekündigten Defizite zwecks Imagepolitur in Überschüsse verwandeln würde.

«Der Jositsch bekommt von uns nie mehr eine Stimme», erklärte eine grollende Genossin nach der Wahl.

Neben Baume-Schneider war es vor allem SP-Ständerat Daniel Jositsch, der am Mittwoch für eine Überraschung sorgte. Er kam im ersten Wahlgang für die Sommaruga-Nachfolge auf satte 58 Stimmen. Diese dürften von Bürgerlichen stammen, die mit dem offiziellen SP-Ticket unzufrieden waren. Jositsch machte sogar in den nachfolgenden Wahlgängen noch Stimmen – wohl auch weil er es unterliess, explizit seinen Verzicht zu erklären. Der verhinderte Kandidat übte damit stille Rache an seiner Partei, die seine Ambitionen frühzeitig unterbunden hatte. «Der bekommt von uns nie mehr eine Stimme», erklärte eine grollende Genossin nach der Wahl. Gut möglich also, dass die erwähnten 58 Stimmen quasi die Hochwassermarke von Jositschs Bundesratskarriere darstellen.

Es gab Verlierer(innen) an diesem Mittwoch, es gibt aber vor allem eine grosse Siegerin: die ländlich-bäuerliche Schweiz. Die beiden Neugewählten Rösti und Baume-Schneider sind biografisch der Landwirtschaft verbunden. Passend zu diesem Wahlausgang beglückte am Nachmittag eine Alphorn-Gruppe den Bundesplatz mit ihren Klängen. Wäre da als Stimmungskiller nur nicht der Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser gewesen, der die Heidi-Idylle mit einem knurrigen Tweet kommentierte: «Einmal mehr Alphörner statt Innovation im Bundeshaus».