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Direktverkauf von Lebensmitteln
Sie wollen die Markt­macht der Gross­verteiler brechen

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Bio ist teuer. Aber nicht deshalb, weil die Bauern viel mehr Geld als Entschädigung für den höheren Aufwand erhalten. Im Gegenteil: Coop und Migros zahlen den Produzenten für Bio zwar einen Aufpreis. Aber wirklich lohnend wird der Biolandbau dadurch kaum. Zu diesem Schluss kam 2023 eine Analyse von Mathias Binswanger, Volkswirtschaftsprofessor an der Fachhochschule Nordwestschweiz.

Hier will nun das Projekt Lokal+Fair des Vereins Faire Märkte Schweiz ansetzen, dessen Vizepräsident Binswanger ist. Auf einer eigens dafür diesen Sonntag aufgeschalteten Website sollen den Konsumentinnen und Konsumenten schweizweit immer mehr Betriebe vorgestellt werden, die ihre Produkte selbst verkaufen. So etwa Bauernhöfe mit einem Hoflädeli, aber auch Restaurants, die beispielsweise einen Teil ihrer Waren direkt beim Bauern oder bei der Bäuerin um die Ecke beziehen, oder Gemeinden, die bei ihren Anlässen auf lokale Produkte setzen.

Produzentinnen und Abnehmer vernetzen

Ziel ist es auch, die Betriebe untereinander zu vernetzen. Ein Restaurant soll so seine lokalen Produkte finden und ein Bauernhof seine lokalen Abnehmer und Abnehmerinnen. Dabei werden die teilnehmenden Betriebe gratis vom Verein mit passenden Werbemassnahmen unterstützt.

Helfen soll ein nationaler Direktvermarktungstag am 14. September, bei dem sich die beteiligten Unternehmen präsentieren und Degustationen anbieten können. «Mit der Plattform soll dafür gesorgt werden, dass mehr von der Marge bei den Produzenten bleibt», sagt Stefan Flückiger, Präsident von Faire Märkte Schweiz. Zudem werde die Umwelt geschont, weil die Lebensmittel weniger transportiert werden müssten.

Dass der Direktverkauf von Lebensmitteln in der Schweizer Landwirtschaft ein Thema ist, bestätigt eine Erhebung des Bundesamtes für Statistik aus dem Jahr 2021. Demnach haben im Jahr 2020 mehr als 60 Prozent der Landwirtschafts­betriebe ihr Angebot diversifiziert, hauptsächlich durch die Direktvermarktung. In den zehn vorausgegangen Jahren habe sich die Anzahl der Betriebe mit einer Direktvermarktung ihrer Produkte zudem verdoppelt.

Den Produzenten kommt entgegen, dass regionale Produkte gefragter sind denn je: Ihr Marktanteil 2022 betrug gemäss einer Studie der Hochschule für Wirtschaft Zürich 8,2 Prozent am gesamten Schweizer Lebensmittelumsatz. Von 2015 bis 2022 wuchs der Umsatz um durchschnittlich 9 Prozent.

Biobauer sieht Projekt kritisch

Einer der potenziellen Teilnehmer des Projektes Lokal+Fair ist Biobauer Martin Klaus vom Hof Grossegg bei Burgdorf BE. Er hinterfragt dieses aber gleichzeitig auch kritisch, denn Klaus kennt die Tücken der Direktvermarktung: «Ein Problem für uns kleine Betriebe ist die Arbeitsbelastung.» Wer selbst den Rohstoff produziere und ihn auf dem Hof verarbeite, sei mehr als genug ausgelastet und habe oft keine Zeit für eine professionelle Vermarktung und Logistik, sagt Klaus.

Und damit ein Direktvermarkter selbst ein attraktives Sortiment anbieten könne, würden Produkte von Partnerbetrieben aufgenommen werden, die mit der nötigen Verkaufsmarge dann aber wiederum meist zu teuer würden.

Zusätzlich sei man auf die «indirekte» Direktvermarktung angewiesen, also den Verkauf über kleine Dorf- oder Bioläden. «Doch für diese ist es zu aufwendig, ihr Sortiment über einzelne Betriebe in der Region selbst zusammenzustellen und alles mit diesen individuell zu vereinbaren», sagt der Biobauer.

In der Konsequenz würden sie trotzdem mit einem Grosshändler zusammenarbeiten, beispielsweise mit der Genossenschaft Biofarm. «Und die regionalen Direktvermarkter haben gegen deren Sortiment, Preise und Logistik wenig Chancen» sagt Klaus.

In den letzten Jahren, so Klaus, habe es schon unzählige Projekte für die Direktvermarktung von lokalen Produkten gegeben. «Auf diesen Plattformen haben wir mitgemacht, viel verkauft habe ich so aber noch nicht.» Als Beispiel nennt er Biomondo, den Online-Marktplatz von Biosuisse. Das Problem sei dabei immer das gleiche: Die Plattformen würden es nicht schaffen, für die Konsumentinnen und Konsumenten ausreichend sichtbar zu sein.

Post scheiterte mit ihrem Marktplatz

Ob dies nun der neuen Plattform Lokal+Fair gelinge, müsse sich noch zeigen. Klaus’ Einschätzung bestätigt das Beispiel von Local Only, einer Art digitaler Hofladen der Post, der Ende März wieder eingestellt wurde. Local Only sollte die Frage beantworten, «wie gross das Bedürfnis nach einem digitalen Marktplatz für frische, lokale Produkte in der Schweiz ist», schreibt die Post. Die Erfahrungen von mehr als einem Jahr im Markt hätten gezeigt, dass die Nachfrage zu gering sei. «Zu wenige Produzenten und Konsumenten haben von diesem Angebot Gebrauch gemacht.»

Mehr Hoffnung setzt Biobauer Klaus auf ein anderes Projekt; jenes des Vereins Coloc, eine Art Nachbarschaftsladen mit regionalen Erzeugnissen in der Stadt Bern. Dort arbeite man gerade am Ansatz, ein automatisiertes, digitales System zu entwickeln, bei dem alle beteiligten Erzeuger ihre Produkte plus die vorhandene Menge registrieren könnten. Die Läden könnten so die Produkte von uns Direktvermarktern unkomplizierter einkaufen. Klaus sagt: «Das wäre ein richtiger Fortschritt.»