Zehn Fragen für Arbeitnehmer und ArbeitgeberLohn oder Entschädigung: Wer welche Ansprüche hat
Wer wegen der Corona-Krise keine Einkünfte mehr hat, soll entschädigt werden. Nicht in allen Fällen ist klar, wer für den Ausfall aufkommt.
Der Bund hat zahlreiche im Ausland gestrandete Touristinnen und Touristen in die Schweiz zurückholen lassen. Nach der Rückkehr müssen diese sich in Quarantäne begeben und können vorübergehend nicht an ihren Arbeitsplatz. Wer zahlt den Lohnausfall?
Ist die Person angestellt und kann nicht von zu Hause aus arbeiten, so ist die Arbeitgeberin grundsätzlich zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Denn wer sich wegen einer behördlichen oder ärztlichen Anordnung in Quarantäne begeben müsse, sei unverschuldet an der Arbeit verhindert, sagt Roger Rudolph, Professor für Arbeitsrecht an der Universität Zürich. Gemäss den Massnahmen des Bundes im Zusammenhang mit dem Coronavirus kann jedoch die Arbeitgeberin bei der AHV-Ausgleichskasse eine Erwerbsersatzentschädigung geltend machen. Alternativ kann die Arbeitnehmerin auch selbst diese Entschädigung bei der Kasse einfordern, im Gegenzug würde dann die Lohnzahlung durch den Arbeitgeber hinfällig oder reduziert. Die Erwerbsersatzentschädigung steht insbesondere auch den Selbstständigen zu.
Was ist mit den übrigen Touristen, die im Ausland festsitzen und nicht rechtzeitig nach Ferienende an den Arbeitsplatz zurückkehren?
Arbeitnehmende müssen in diesem Fall das Risiko selbst tragen. Das heisst, sie haben keinen Anspruch auf Lohnzahlung. «Das gilt auch dann, wenn sie an der Situation kein Verschulden trifft», betont Rechtsprofessor Rudolph.
Betriebe, die auf Geheiss der Behörden schliessen mussten, können ihre Angestellten in Kurzarbeit schicken. Was gilt für die Unternehmen, die nicht von der Schliessungsmassnahme betroffen sind: Kann etwa eine Elektrofirma ebenfalls Kurzarbeitsentschädigung beantragen, weil sie derzeit viel weniger Aufträge hat?
Das ist nur möglich, wenn die Firma belegen kann, dass die Auftragsbaisse auf die Ausbreitung des Coronavirus zurückzuführen ist. Nach Auskunft des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) haben die Behörden den Auftrag, solche Anfragen derzeit grosszügig zu prüfen. Gelingt dem Arbeitgeber der Nachweis nicht, muss er weiterhin selbst für die Löhne seiner Angestellten aufkommen. Er darf die Mitarbeitenden auch nicht kurzerhand in die Ferien schicken oder verlangen, dass sie kurzfristig Überstunden kompensieren.
Dürfen Putzfrauen in Privathaushalten weiterbeschäftigt werden?
Ja, auch da gibt es kein behördliches Verbot. Verzichtet ein privater Arbeitgeber freiwillig darauf, seine Reinigungskraft zu beschäftigen, gerät er in Arbeitgeberverzug und schuldet laut Arbeitsrechtsexperte Roger Rudolph weiterhin den Lohn. Anders ist es, wenn die Putzfrau aus Angst vor Ansteckung nicht mehr arbeiten will. In diesem Fall habe sie keinen Lohn zugute. Die blosse Furcht vor einer Ansteckung sei noch keine gerechtfertigte Arbeitsverweigerung, so Rudolph.
Haben berufstätige Eltern, die wegen geschlossener Schulen und mangels anderer Lösung ihre Kinder selbst betreuen müssen, Anspruch auf Lohnzahlung?
Ob die Arbeitgeberin den Lohn weiter zahlen muss, ist laut Experte Rudolph rechtlich umstritten. Er verweist auf ein Gerichtsurteil, das in einem ähnlichen Fall den Eltern keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung zugesprochen hat. Zumindest für die derzeitige Situation ist die Frage insofern geklärt, als betroffene Eltern eine Erwerbsersatzentschädigung beanspruchen können, vorausgesetzt, die Kinder sind jünger als 12 Jahre. Die Entschädigung deckt indes nur 80 Prozent des Lohns und ist zudem plafoniert. Falls der Arbeitgeber den Lohn von betreuenden Angestellten weiter zahlt, kann er die Entschädigung bei der AHV-Ausgleichskasse geltend machen.
Bekommen auch Selbstständige im AHV-Alter eine Entschädigung, falls sie wegen behördlicher Massnahmen nicht arbeiten können?
Ja. Nach Angaben der Ausgleichskasse des Kantons Zürich ist die Erwerbsersatzentschädigung nicht an ein bestimmtes Alter gebunden. Auch Personen im AHV-Alter haben demnach Anspruch darauf, egal ob sie bereits eine Altersrente beziehen oder nicht.
Über 65-Jährige gehören momentan zu den besonders gefährdeten Personen. Dürfen sie trotzdem weiter ausser Haus beschäftigt werden?
Ja, das ist möglich, sofern Homeoffice nicht infrage kommt. Die Arbeitgebenden müssen indes dafür sorgen, dass sie die Empfehlungen des Bundes betreffend Hygiene und sozialer Distanz am Arbeitsplatz einhalten. Ist weder Homeoffice noch Arbeiten vor Ort möglich, so haben die betroffenen Arbeitnehmenden gemäss der Verordnung des Bundes Anspruch auf bezahlten Urlaub. Das heisst, die Arbeitgeberin muss für den Lohn aufkommen.
Momentan können auch Firmeninhaber eine Entschädigung bekommen, wenn sie wegen Betriebsschliessung keine Einnahmen mehr erzielen. Gilt das auch für Inhaber von mittelgrossen Unternehmen mit mehreren Angestellten?
Ja. Betriebsinhaber können in solchen Fällen nicht nur für ihre Mitarbeitenden Kurzarbeitsentschädigung beantragen, sondern auch für sich selbst. Laut Auskunft des Seco müssen sie aber mit Lohnausweisen belegen, dass sie sich einen regelmässigen Lohn gewährt haben. Zudem ist die Entschädigung begrenzt auf 3320 Franken pro Monat für ein 100-Prozent-Pensum.
Ist es Arbeitnehmenden erlaubt, für die Zeit, in der sie auf Kurzarbeit gesetzt sind, eine Nebenbeschäftigung anzunehmen?
Das ist zulässig. Es genügt, wenn sie die Nebenbeschäftigung ihrem Arbeitgeber melden. Dieser muss seinerseits die Arbeitslosenkasse informieren. Die Kurzarbeitsentschädigung wird dann entsprechend gekürzt.
Kurzarbeit soll helfen, Kündigungen zu vermeiden und Arbeitsplätze zu erhalten. Ist es trotzdem erlaubt, während der Dauer der Kurzarbeit Angestellte zu entlassen?
Gleichzeitig während der Kurzarbeit Entlassungen auszusprechen, ist nach Angaben des Seco nicht zulässig. Plant der Arbeitgeber einen Personalabbau, muss er zuerst die Kurzarbeit bei den betreffenden Mitarbeitenden aufheben. Dann sind Kündigungen möglich, wobei die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist einzuhalten ist. Zudem schuldet der Arbeitgeber während der Kündigungsfrist den vollen Lohn.
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