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Der Bund zieht den Kürzeren
Ein Gericht rettet die Löcher im Emmentaler

Nahaufnahme eines Käselaibs mit grossen Löchern, der mit einem grossen Messer geschnitten wird.
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Der Käsestreit ist fürs Erste entschieden: Auch mit der Beigabe von Heublumenpulver bleibt der Emmentaler ein waschechter Emmentaler. Das hat das Bundesverwaltungsgericht so bestimmt.

Sehr zur Freude der Sortenorganisation Emmentaler Switzerland, die das Urteil herbeigeführt hat. Die Lobbyorganisation des Grosslöchrigen sieht nichts weniger als ein Schweizer Kulturgut gerettet. «Wir freuen uns sehr», lässt sich Direktor Urs Schlüchter in einem Communiqué zitieren. Es sei wichtig, zu pflegen und zu schützen, was das Land ausmache.

Verloren hat dagegen das Bundesamt für Landwirtschaft. Es wollte das Heublumenpulver nicht zulassen, weil sonst der originale Emmentaler AOP Gefahr laufe, zum standardisierten Industrieprodukt zu werden.

Die Reise nach St. Gallen

Wie weit die Meinungen der Sortenorganisation und des Bundesamts auseinanderlagen, zeigte sich im letzten Juni. Beide Seiten waren damals zu einer ersten Verhandlungsrunde nach St. Gallen gereist, wo sie dem Gericht den eigenen Standpunkt persönlich darlegten.

Entzündet hatte sich der Streit an der verbesserten Hygiene beim Melken: Weil die Milch heute viel reiner ist als früher, findet das bei der Reifung im Käsekeller freigesetzte Kohlensäuregas kaum mehr Stellen, an denen es sich sammeln kann. In der Folge werden die Löcher immer kleiner. Und immer weniger.

Dem Emmentaler drohte, das zumindest war die Befürchtung der Sortenorganisation, das Erkennungsmerkmal schlechthin abhandenzukommen.

So wirkt das Heublumenpulver

Das Heublumenpulver könne dem entgegenwirken, führte der Anwalt der Sortenorganisation im Gerichtssaal aus. Wissenschaftlich sei ja erwiesen, dass die Probleme mit den Löchern von den fehlenden Heupartikeln in der Milch herrührten.

Dem hielt die Vertreterin des Bundesamts für Landwirtschaft entgegen, Emmentaler von guter Qualität habe sich bislang auch ohne das Pulver herstellen lassen. Dass es den Zusatz brauche, sei überhaupt nicht belegt. Die künstliche Beigabe führe im Gegenteil dazu, dass der Emmentaler AOP zu einem standardisierten Industrieprodukt werde, und das wolle man nicht.

In den Augen des Bundesamts wäre mit einer gröberen Filtration der Milch ein ähnlicher Effekt möglich wie mit dem Heublumenpulver. Worauf wiederum der Anwalt der Sortenorganisation den Mahnfinger hob: Diese Alternative sei mit Risiken bei der Hygiene verbunden.

Bundesverwaltungsgericht argumentiert

In ihrem Urteil folgen die Richterinnen und Richter mehr oder weniger der Sortenorganisation. Für sie steht fest, dass nur das Heublumenpulver den gewünschten Effekt bringt. Mehrere Publikationen der Forschungsanstalt Agroscope hätten dies so belegt.

Die Beigabe widerspricht in den Augen des Gerichts den Anforderungen der AOP-Produktion auch deshalb nicht, weil sich das Problem erst seit etwa zwanzig Jahren stellt. Entsprechend gebe es gar keine Möglichkeit, die Sache auf traditionelle Art anzugehen.

Käsestücke und Messer auf einem Schneidebrett in der Dorfkäserei Seeberg, fotografiert am 29.11.2022 von Raphael Moser.

Rückschritte in der Melktechnik oder Hygiene hinzunehmen, argumentiert das Gremium weiter, sei erst recht keine Alternative, und: Beim Emmentaler AOP seien schon heute mehr Hilfsstoffe erlaubt als bei den anderen Schweizer Käsesorten mit Gütesiegel. Das Heupulver als weiteres Mittel stelle deshalb die Authentizität nicht infrage, zumal es nicht beigegeben werden müsse, sondern nur beigegeben werden könne.

Den Löchern als typisches Erkennungsmerkmal misst das Gericht grosses Gewicht bei. In einer Befragung hätten immerhin 93 Prozent der Interviewten angegeben, mit den Löchern automatisch den Emmentaler zu verbinden, so das Urteil.

Käsestreit kann weitergezogen werden

Derweil sichert die Sortenorganisation den Konsumentinnen und Konsumenten in ihrer Mitteilung zu, als Heublumenpulver nur «ein biozertifiziertes und natürliches Produkt» verwenden zu wollen.

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Es kann innert dreissig Tagen ans Bundesgericht weitergezogen werden.