Meinung zur Monopolklage gegen FacebookLöblich, aber nicht nutzerfreundlich
Instagram und Whatsapp sollen wieder selbstständig werden, finden US-Behörden. Die Einsicht kommt spät. Zu spät.
Die US-Regierung und 48 Bundesstaaten klagen gegen Facebook. Der Social-Media-Gigant habe seine Monopolmacht dazu missbraucht Konkurrenz im Keim zu ersticken. Als mögliche Massnahme schlägt die Klage vor, Facebook zum Verkauf einzelner Unternehmen wie Whatsapp oder Instagram zu zwingen.
Das ist zuerst mal ein mächtiges und wichtiges Signal. Gerade Facebook hat sich in den letzten Jahren mit einer aggressiven Übernahme- und Kopierstrategie Konkurrenz vom Leib gehalten und sich so seine Spitzenposition im Social-Media-Markt gesichert und ausgebaut. Der Kauf von Instagram 2012 für eine Milliarde Dollar (aus heutiger Sicht ein Schnäppchen) und Whatsapp zwei Jahre später für das 20-Fache hat sich der Konzern die zwei vielversprechendsten Konkurrenten einverleibt.
Kaufen oder kopieren
Andere Konkurrenten – allen voran Snapchat – liessen sich zwar (trotz mehrerer Angebote) nicht kaufen – aber kopieren. Die heute in allen Diensten ubiquitären Story-Funktionen stammen ursprünglich von Snapchat. Mit der Lancierung einer ähnlichen Funktion in allen Facebook-Diensten endete der kometenhafte Aufstieg von Snapchat. Aktuell sieht man ähnliche Tendenzen im Umgang mit dem neusten aufstrebenden Social-Media-Star Tiktok. (Lesen Sie dazu auch: Die Meilensteine auf dem Weg zur Social-Media-Dominanz.)
Dass die USA das nun nicht mehr gut finden, ist erfreulich. Aber die Erkenntnis kommt viel zu spät. Schon 2012 und 2014 war offensichtlich, was Facebook mit den Übernahmen von Instagram und Whatsapp vorhat und wohin die Reise geht. Überall wurden die Deals durchgewinkt. Die EU hat nachträglich Facebook immerhin dafür gebüsst, dass sie bei der Whatsapp-Übernahme «fälschlicherweise» versprochen hatten, dass die Nutzerdaten nicht mit denen von Facebook vermengt würden (Facebook muss 110-Millionen-Busse zahlen).
Mit dem vielen Geld wird Facebook eine unliebsame Entscheidung der US-Gerichte so lange wie möglich blockieren.
Solche Bussen tun einem Unternehmen wie Facebook freilich nicht weh. Wie bei den anderen Techgiganten spielt auch bei Facebook-Managern (bei den Aktionären schon) Geld eine sekundäre Rolle. Sie haben so viel davon, wie wir Wasser aus dem Wasserhahn.
Und mit dem vielen Geld wird Facebook eine unliebsame Entscheidung der US-Gerichte so lange wie möglich blockieren. Währenddessen werden die Dienste Instagram und Whatsapp immer enger ins Facebook-Konglomerat verwoben.
Facebook ist näher dran, ein allumfassendes Kommunikationsnetzwerk zu erschaffen, als die Telecomfirmen.
Und da kommen wir zum alles entscheidenden Punkt: Was Wettbewerbshütern, Datenschützern, Konkurrenten und immer mehr Politikern ein Graus ist, ist für die Nutzerinnen und Nutzer dieser Dienste das pure Gegenteil. Jahrelang haben (auch wir in dieser Zeitung) geklagt, dass das SMS von vielen Messenger-Silos abgelöst wird (Zu viele Dienste wollen das SMS beerben). Tatsächlich ist Facebook näher dran, ein allumfassendes Kommunikationsnetzwerk zu erschaffen, als die Telecomfirmen mit ihrem offiziellen SMS-Nachfolger RCS oder andere private, staatliche oder gar gemeinnützige Organisationen.
Das ist das grosse Dilemma all dieser Klagen gegen die Techkonzerne: Die Nutzerinnen und Nutzer werden da nicht automatisch laut Beifall klatschen. Denn: Niemand will fünf verschiedene Messenger, niemand will wieder x unterschiedliche Suchmaschinen nutzen, niemand will seine Apps in x verschiedenen Appstores zusammensuchen, und alle hassen wir die Cookiewarnungen unten an Websites. Genau darauf setzen die Techgiganten.
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