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Stromversorgung in der Schweiz
Bei der Lex Windkraft ist Widerspruch unerwünscht

In der Schweiz soll die Gewinnung von Windenergie künftig stark ausgebaut werden: Anlage bei Saignelégier JU.
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Die Absage kam am 11. Januar. FDP-Nationalrat Jacques Bourgeois teilte Antoinette de Weck mit, die Anhörung zur geplanten Lex Windkraft finde ohne den Verband Freie Landschaft Schweiz statt. Bourgeois präsidiert die nationalrätliche Umweltkommission (Urek), die seit Montag tagt. De Weck ist Vizepräsidentin des Vereins. Es sei die Kommission gewesen, die so entschieden habe, schreibt Bourgeois in der E-Mail, die dieser Redaktion vorliegt. Als Präsident könne er dagegen nicht vorgehen.

Auch andere Organisationen wie die Stiftung Landschaftsschutz oder Birdlife sind nicht dabei, wie involvierte Personen bestätigen. Damit fehlt just in einer wichtigen Phase die Stimme dezidierter Windkraftkritiker. Voraussichtlich am Mittwoch wird die Kommission ihre definitive Version der Lex Windkraft verabschieden. Im November hat sie die Eckwerte festgelegt und publiziert. Erklärtes Ziel ist es, fortgeschrittene Projekte zum Bau von Windanlagen schneller als bislang umzusetzen.

Umstrittener Eingriff

Neu soll eine kantonale Instanz und nicht – wie heute üblich – die Standortgemeinde die Baubewilligung für ein Windparkprojekt erteilen. Beschwerden dagegen sind nur noch an eine kantonale Instanz zulässig – nicht mehr wie heute an mindestens zwei. Diese Instanz soll innerhalb von 90 Tagen entscheiden. Der Weiterzug ans Bundesgericht soll zudem nur noch erlaubt sein, wenn sich eine Rechtsfrage von «grundsätzlicher Bedeutung» stellt. Die beschleunigten Verfahren schliesslich sollen so lange laufen, bis in der Schweiz eine zusätzliche Windkraftproduktion von 1 Terawattstunde (TWh) realisiert ist; heute sind es 0,15 TWh. Zum Vergleich: Die Schweiz verbraucht pro Jahr gegen 60 TWh Strom, der Anteil der Windkraft ist also minim.  

Die Lex Windkraft markiert einen weiteren Versuch der Politik, die erneuerbaren Energien rasch auszubauen und damit die Stromversorgung im Inland zu stärken. Mit der Lex Alpinsolar hat das Parlament im letzten Herbst eine Vorlage für den Bau grosser Fotovoltaikanlagen in den Alpen für dringlich erklärt, in Rekordtempo durchberaten und sofort in Kraft gesetzt – freilich unter Nebengeräuschen. Zu reden gab insbesondere, ob die Lex Alpinsolar mit der Bundesverfassung vereinbar ist. Das Bundesamt für Justiz (BJ) kam zum Schluss, die Vorlage sei «verfassungsrechtlich vertretbar» – eine Einschätzung, der Rechtsexperten widersprachen.

«Das Volk verlöre das Vertrauen in die Politik, wenn die Verfassung erneut nicht eingehalten würde.»

Elias Vogt-Meier, Verband Freie Landschaft Schweiz

Mit der Lex Windkraft flammt die Kontroverse erneut auf. Scharfe Kritik kommt – wie schon im Herbst – von Alain Griffel. «Jegliche Eingriffe in die kantonale Organisations- und Verfahrensautonomie, etwa eine Beschränkung auf eine einzige Rechtsmittelinstanz, wären verfassungswidrig», sagt der Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Zürich. Ein Fragezeichen setzt Griffel hinter den Vorschlag, den Weiterzug von Fällen ans Bundesgericht einzuschränken. «Ob dies mit der Aarhus-Konvention vereinbar ist, müsste näher geprüft werden.» Die von der Schweiz unterschriebene Konvention zielt darauf ab, der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten einen möglichst umfassenden Zugang zu den Gerichten zu gewähren. 

Die Urek-Mitglieder wissen um Griffels Bedenken. Elias Vogt-Meier, der Präsident von Freie Landschaft Schweiz, hat sie letzten Freitag in einem Schreiben darauf hingewiesen. Darauf reagiert hat keines der 25 Mitglieder. Vogt-Meier sagt dazu: «Das Volk würde das Vertrauen in die Politik verlieren, wenn die Verfassung erneut nicht eingehalten würde.»

Rechtsexperte Griffel zeigt sich über die Pläne der Kommission «entsetzt», das Parlament agiere derzeit präzedenzlos. «Rechtsstaatlichkeit ist ein hohes Gut und muss gepflegt werden, sonst geht sie rasch zugrunde.» Zum Kern der Rechtsstaatlichkeit gehöre es, die Verfassung zu respektieren. Das sei in der Schweiz in erster Linie Aufgabe des Parlaments – dies umso mehr, als es National- und Ständerat wiederholt abgelehnt hätten, die Verfassungsgerichtsbarkeit auf Bundesgesetze auszudehnen, zuletzt im letzten Herbst. 

Bundesjustiz eingeschaltet 

Die Energiepolitikerinnen und -politiker indes scheinen von ihrem Plan überzeugt, wie Nachfragen zeigen. Es brauche nach der Solaroffensive einen weiteren Beschleunigungseffort, so der Tenor. Und: Man werde eine verfassungskonforme Vorlage präsentieren. Sicher ist: Das Bundesamt für Justiz stand mit der Kommission in dieser Frage bereits in Kontakt. Mit welchem Ergebnis, dazu sagt das Amt nichts. Die Urek wird sich zur Frage der Verfassungsmässigkeit erst äussern, wenn sie ihre definitiven Beschlüsse kommuniziert. 

Zweifel sind einzig aus der SVP zu hören. «Die betroffene Bevölkerung muss weiterhin die Möglichkeit haben, unerwünschte Projekte zu verhindern», sagt Nationalrat Christian Imark. Gerade bei der Windenergie sei eine deutlich grössere Skepsis zu spüren als etwa bei der Wasserkraft. Für Imark ist daher klar: Die Standortgemeinden müssen bei neuen Anlagen das letzte Wort haben. Sonst sei die geplante Vereinfachung der Verfahren nicht mehrheitsfähig.