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Leichathletik-EM in Rom
Eine magische Nacht mit vier Medaillen – die Schweizer brillieren

Silver medalist Ditaji Kambundji of Switzerland celebrates during thewomen's 100 meters hurdles final at the European Athletics Championships, in the Olympic stadium, in Rome, Italy, Saturday, June 8, 2024. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)
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Was war das für ein EM-Abend für die Schweizer Leichtathletik in Rom! In seiner Fülle einmalig, in der Ausbeute sowieso, kaum je zuvor kämpften in gleich fünf Finals Schweizer Ausnahmeathleten – und gewannen vier Medaillen. Für Jason Joseph war es die längst ersehnte, für Dominic Lobalu nach seiner Odyssee schlicht der Traum.

Ditaji Kambundji – 100 m Hürden: Bestzeit, U23-Rekord und Silber

Sie ist an diesem «Super Saturday» der grösste Schweizer Trumpf. Als Führende der europäischen Saisonbestenliste ist Ditaji Kambundji nach Rom gereist. Schon beim dritten Wettkampf lief sie Anfang Mai in 12,49 Sekunden zum Sieg – nicht irgendwo, sondern beim Diamond-League-Meeting in Doha.

Aber das alles ist keine Garantie für eine Medaille. Darauf wies Kambundji vor der EM bewusst hin. «Alles, was du vorher gemacht hast, zählt nicht mehr, musst du vergessen.» Bewusst wird der 22-Jährigen das im Halbfinal, als sie in 12,79 «nur» die sechstschnellste Zeit läuft – und die Französin Cyréna Samba-Mayela mit 12,43 eine Ansage macht.

Doch wie ihre Schwester verfügt sie über die Fähigkeit, im entscheidenden Moment noch einen Zacken zuzulegen. Und wie sie das in Rom tut! Auf Bahn 8 – wie vor zwei Jahren in München, wo sie mit Bronze ihre erste Medaille auf Elite-Stufe holte – sprintet sie zu Silber. In 12,40 stellt Kambundji neben der persönlichen Bestzeit und einem Schweizer Rekord auch einen europäischen U-23-Rekord auf. Nur Samba-Mayela ist noch um neun Hundertstel schneller.

Als Ausnahmetalent gilt Kambundji seit langem. Erst vor vier Jahren hat sich die frühere Mehrkämpferin auf den Hürdensprint spezialisiert. Ihre Entwicklung ist beachtlich. Gegenüber 2022 hat sie ihren Bestwert nun um drei Zehntel gesenkt. Sie habe im Winter unter Claudine Müller in Basel extrem viel an der Technik gearbeitet, hielt Kambundji unlängst fest. «Das hat Stabilität gegeben. Nun kann ich das Rennen flüssiger angehen und in der zweiten Hälfte besser laufen.» Gesagt, getan.

Jason Joseph – 110 m Hürden: Mit einem Wimpernschlag zu Bronze

Bronze medalist Jason Joseph of Switzerland celebrates during the men's 110 meters hurdles final at the European Athletics Championships, in the Olympic stadium, in Rome, Italy, Saturday, June 8, 2024. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)

Es ist ein ordentliches Nervenspiel im Stadio Olimpico, und das gilt besonders für die Hürdensprinter. Schon im Halbfinal werden sie nach einem Fehlstart zurückbeordert, allerdings erfolgt das Signal dazu reichlich spät. Aber etwas Gutes hat das Ganze: Jason Joseph wird in diesem Moment bewusst, dass er mehr tun muss, so wird er das später erzählen.

Im Final wiederholt sich das Spiel, wieder müssen die Athleten nach einem Fehlstart zurück in die Blöcke. Der Start gelingt Joseph danach erneut nicht wunschgemäss, aber er vermag sich massiv zu steigern und sprintet in 13,43 zu Bronze – mit dem Hauch von zwei Hundertsteln Vorsprung auf den Franzosen Raphaël Mohamed. Gold holt der Italiener Lorenzo Simonelli in 13,05.

Zufrieden ist Joseph damit zunächst nicht, weil er viel schneller laufen kann (13,08). Schon länger ist er davon überzeugt, unter die magische Grenze von 13 Sekunden sprinten zu können. Aber da ist auch die Vorgeschichte zu dieser EM. Nur einen Wettkampf konnte er bestreiten, Anfang Mai in Basel. Nachdem er sich dort auch über 100 m versuchte, musste er das Rennen abbrechen, seither plagte er sich mit muskulären Problemen am Hamstring herum. Dass ihm unter diesen Umständen gleichwohl der Sprung auf das EM-Podest gelingt – nach dem bitteren 4. Platz von München – ist deshalb beachtlich.

Simon Ehammer – Weitsprung: Bronze und ein gröberes Dilemma

Simon Ehammer of Switzerland in action during the men's long jump final at the European Athletics Championships, in the Olympic stadium, in Rome, Italy, Saturday, June 8, 2024. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)

Als dann Olympiasieger und Weltmeister Miltiadis Tentoglou im fünften Sprung auf 8,65 m segelte, schien klar: Das war der Goldsprung. Er war es, und Simon Ehammer vermochte auch den frenetisch gefeierten Einheimischen Mattia Furlani (8,38 m) nicht mehr zu überholen. Doch in diesem hochstehenden Wettkampf hat der Appenzeller mit den 8,31 m weder Gold noch Silber verloren, sondern Bronze gewonnen – seine zweite Medaille in diesem Jahr nach dem Hallen-Gold im Siebenkampf.

Natürlich hatte sich der 24-Jährige nach seinem Flug in der Qualifikation auf 8,41 m mehr erhofft gehabt. Doch wiederholen lässt sich solches nicht einfach so, zumal auf dieser ungewohnten Bühne über der Rundbahn, die aber für alle gleich federnd war.

8,31 m und 8,41 m – wenngleich nur in der Qualifikation – versetzen ihn in ein gröberes Dilemma: Zehnkampf oder Weitsprung an den Spielen in Paris, oder gar beides? Ehammer sagt: «Ich schaue, wie meine Wettkämpfe bis Ende Juni verlaufen, und was sich im Zehnkampf tut. Dann entscheide ich.» Tentoglou wurde 2021 mit 8,41 m Olympiasieger. In Rio 2016, London 2012 und Peking 2008 hätte Ehammers Bestweite von 8,45 m immer Gold bedeutet.

Dominic Lobalu – 5000 m: Im ersten Rennen für die Schweiz Bronze

Bronze medalist Dominic Lobalu of Switzerland celebrates during the men's 5000 meters final at the European Athletics Championships, in the Olympic stadium, in Rome, Italy, Saturday, June 8, 2024. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)

Und dann ging er eine Runde vor Schluss wieder in die Spitzengruppe und zog es einfach durch. Dominic Lobalu, der Läufer mit seiner verrückten Geschichte, erfüllte sich in seinem ersten Rennen auf internationaler Ebene für die Schweiz seinen Traum: eine Medaille. In 13:21,61 Minuten war es die bronzene, gegen Jakob Ingebrigtsen hatte er keine Chance, den Briten Mills jedoch hätte er noch fast überholt. Seis drum! Nun strahlt das Glück halt bronzen.

Vielleicht waren für den 25-Jährigen gerade die letzten zehn Tage Ansporn und Inspiration dafür gwesen. Dem herausragenden 5000-m-Rennen in Oslo, in dem er in 12:50,90 Markus Ryffel den Schweizer Rekord entriss, liess er in Stockholm ein ebenso gutes folgen. Und als er sich erholt hatte, war sein nächstes Engagement nicht eines auf der Bahn, sondern eine Einladung ans Swiss Economic Forum in Interlaken. Dieses hatte sich das Motto «When The Going Gets Tough», wenn die Situation schwierig wird, gegeben. Mit Trainer Markus Hagmann trat er dort vor Politik und Wirtschaft auf und erzählte über seinen schwierigen Weg in die Schweiz. Und noch ist dieser nicht zu Ende: Noch hat Lobalu vom IOK nicht die Zusage, auch in Paris für die Schweiz starten zu dürfen.

Annik Kälin – Siebenkampf: Undankbare Vierte und die Qual der Wahl

Annik Kaelin of Switzerland reacts during the javelin throw as part of the women's heptathlon at the European Athletics Championships, in the Olympic stadium, in Rome, Italy, Saturday, June 8, 2024. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)

Zuletzt war es ein Krimi, ein Dreikampf um Silber und Bronze, an der Spitze war Siebenkampfkönigin Nafissatou Thiam (BEL) längst enteilt. Daran änderte auch das 800-m-Rennen nichts mehr, sie gewann mit 6848 Punkten. Doch für Annik Kälin ging es noch um alles – um die zweite Medaille nach 2022.

Nach einem guten, aber nicht überragenden ersten Tag brillierte sie mit einem Exploit im Weitsprung: Schweizer Rekord mit 6,84 m, damit hievte sie sich von Platz 6 auf 4. Mit dem Speer (45,46 m) gelang die platzmässige Verbesserung nicht. Und als sie über 800 m hätte einiges gutmachen müssen, hatte die 24-Jährige die Kraft nicht mehr. Sie kam in 2:16,17 Minuten ins Ziel, und die 6490 Punkte bedeuteten den undankbaren Rang 4. Sie blieb damit nur 25 Punkte unter ihrer Bestleistung, und ja, sie ist im selben Dilemma wie Ehammer: Siebenkampf oder Weitsprung in Paris? Im Weitsprung gehört sie nun auch zu den Top Ten der Welt (ihr EM-Wettkampf folgt ab Dienstag erst noch).

Heute zwei Chancen: Das Halbmarathon-Team und Mujinga Kambundji

Nach dem «Super Saturday» geht es am Sonntagmorgen gleich weiter mit Schweizer Medaillenchancen. Als Tadesse Abraham 2016 in Amsterdam Gold im Halbmarathon gewann, führte er auch das Schweizer Team zum Titel. Neben ihm treten Neo-Marathonläufer Matthias Kyburz und Patrik Wägeli an, auch er Spezialist über die 42 km. Und der Vierte ist Julien Wanders, der Europarekordhalter dieser Distanz.

Am Abend dann starten Mujinga Kambundji und Salomé Kora im 100-m-Halbfinal (21.05), – Kora scheint in Bestform, Kambundji, Silbergewinnerin von 2022, hat schon einmal aufs Hauptziel 2024 verwiesen: Paris.