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Schlacht um die Kleinstadt Liman
Lassen sich Putins Truppen schon wieder überrumpeln? 

Weitere Fortschritte im Osten: ukrainische Soldaten mit einer Drohne in der Nähe von Bachmut an der Donbass-Front.
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Lassen sich Wladimir Putins Truppen schon wieder überrumpeln? Nicht mal drei Wochen ist es her, dass die Streitkräfte der Ukraine ein Hunderte Quadratkilometer grosses Gebiet im Nordosten des Landes befreit haben – beziehungsweise dass sich die russischen Truppen von dort zurückgezogen haben. Militärfachleute waren zunächst skeptisch, ob die Ukrainer dieses Gelände auch wirklich halten können, schliesslich sind sie, rein numerisch, vermutlich immer noch nicht in einer nennenswerten Übermacht.

Nun lässt sich feststellen: Ja, die Ukrainer können ihre Gewinne halten. Und sie probieren sogar, noch weiter vorwärtszukommen. Das Ziel dieses nächsten Vorstosses: Liman, vor dem Krieg gerade einmal 20'000 Einwohner, gelegen etwa auf halber Strecke zwischen Charkiw nahe der russischen Grenze und dem bereits seit 2014 von prorussischen Separatisten beherrschten Luhansk. Eigentlich eine gewöhnliche Kleinstadt in der Oblast Donezk, militärisch aber ist Liman für die russischen Streitkräfte von grosser Bedeutung, seit sie es Ende Mai erobert haben. Liman ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, sowohl auf der Strasse als auch auf der Schiene. Hier begann Russlands Armee, grosse Teile des Materials umzuschlagen, das die Truppen in der gesamten Ostukraine brauchen.

Diesen Knoten- und Stützpunkt aber könnte Russland schon sehr bald verlieren. Mit ihrer Nordostoffensive in der zweiten Septemberwoche ist die ukrainische Armee quasi bis auf Sichtweite herangerückt. Im Westen und Süden steht sie am Fluss Siwerskyj Donez, jeweils nur wenige Kilometer vor der Stadt. Dazu stösst sie sogar im Osten der Stadt weiter vor, in Richtung Kreminna. Und in den vergangenen Tagen gelang es laut übereinstimmenden Angaben des ukrainischen Militärs, von Fachleuten sowie Berichten russischer Quellen, auch im Norden eine Kerbe in die russischen Verteidigungslinien zu schlagen.

Es ist zwar nicht ganz klar, wie weit die ukrainischen Truppen hier bisher wirklich gekommen sind. Aber viele Beobachter rechnen damit, dass die Ukrainer gerade mit einigem Erfolg versuchen, Liman einzukesseln, um es dann zu erobern. Das Magazin Forbes schreibt gar, Liman sei «der letzte Ort, an dem ein russischer Soldat gerade sein will».

Russische Militärblogger halten weitere Erfolge der Ukrainer für möglich

Ähnlich sind Kiews Truppen Anfang des Monats bereits um die Kleinstadt Balaklija vorgegangen, knapp 90 Kilometer weiter nordwestlich – erfolgreich. Dass dies auch im Fall Limans gelingen kann, halten inzwischen sogar kriegsbegeisterte russische Militärblogger für möglich: «Wenn die russischen Streitkräfte jetzt nichts unternehmen, ist so ein Szenario nicht weit entfernt», war am Wochenende etwa auf dem als gut informiert geltenden Telegramkanal «Rybar» zu lesen, der mehr als 850'000 Abonnenten hat. Diese Bloggerszene, die in Russland seit Kriegsbeginn enorm an Bedeutung gewonnen hat, dürfte schliesslich wissen, worum es geht: den nächsten Dominostein der russischen Invasionspläne, der fallen könnte und dann womöglich gleich die nächsten mitreisst.

Ein Stück weiter nördlich ist es den Ukrainern offenbar bereits gelungen, in Richtung Osten mehrere Brückenköpfe über den Fluss Oskil zu schlagen, hinter den sich der Gegner infolge der ukrainischen Offensive zurückgezogen hatte. Von diesen Stellungen aus setzen sie die Invasionstruppen weiter massiv unter Druck. Das Ziel hier dürfte wohl die Kleinstadt Swatowe sein – umso leichter zu erreichen, sollte die russische Garnison Liman fallen.

Schon die zurückliegende Nordostoffensive wurde in der Ukraine als fast monumentaler Erfolg gefeiert, es hiess, sie sei womöglich gar ein Wendepunkt für den gesamten Krieg. In weniger als einer Woche verloren Putins Invasionstruppen Hunderte Quadratkilometer Gelände, von Charkiw bis zum Oskil, knapp hundert Kilometer weiter östlich.

Zugleich hatte die Ukraine auch eine Art «Zwillingsoffensive» im Süden des Landes gestartet. Auch dort geht es nach ersten Durchbrüchen mittlerweile offenbar deutlich langsamer voran. Das ukrainische Militär hat eine Nachrichtensperre verhängt, aber immer wieder dringen Berichte durch über heftige Gefechte entlang der gesamten Südfront. Zudem bombardiert die Ukraine systematisch Infrastruktur in besetztem Gebiet, etwa Brücken über den Dnjepr, Munitionsdepots – oder, vor wenigen Tagen erst, einen Stützpunkt in Henitschesk, mehr als 150 Kilometer von der Front entfernt. Die Stadt liegt direkt an der von Russland annektierten Krim. Und die will der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij nach eigenem Bekunden ja auch zurückerobern. Auch wenn dieses Ziel in sehr, sehr weiter Ferne liegt.