Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Angriffiger Eishockey-Sportdirektor
«Es ist nicht mein Job, überall Applaus zu bekommen»

12.12.2023; Zuerich; Eishockey - Medientreffen Schweiz, Direktor Lars Weibel (SUI) 
(Claudio Thoma/freshfocus)
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Lars Weibel lehnte sich am Karjala-Cup in Tampere weit aus dem Fenster. «Es ist ganz klar, dass wir weiterfahren wollen mit Patrick Fischer», sagte der Verbandssportdirektor Anfang November im TV-Interview. «Für uns ist es keine Frage, dass er der richtige Mann ist. Aber ich kann das nicht allein entscheiden. Ich kann nur die Empfehlung abgeben.» Zur Erinnerung: In Finnland verloren die Schweizer alle drei Spiele und schossen zweimal kein Tor. Von Aufbruchstimmung konnte man nicht gerade sprechen.

Weibel habe einen taktischen Fehler begangen, hörte man danach aus Clubkreisen. Mit seiner Aussage habe er seine Zukunft mit jener von Fischer verknüpft. Doch der 49-Jährige hat sich in der heiss diskutierten Frage durchgesetzt. Das Nationalmannschafts-Komitee, dem auch er angehört, sowie der Verwaltungsrat mit dem neuen Präsidenten Stefan Schärer, der letztlich entscheidet, erteilten ihm den Auftrag, mit Fischer und dessen schwedischem Assistenten Tommy Albelin einen neuen Vertrag auszuhandeln bis und mit der Heim-WM 2026.

Weibel sagt: «Gut, können wir jetzt vorwärtsmachen. Hoffentlich finden wir bald eine Lösung, um Ruhe reinzubringen und Stabilität zu haben.» Aber natürlich habe er nicht freie Hand, müsse er sich an gewisse Vorgaben halten. Sollten die Schweizer unter Fischer auch in Zukunft partout keinen Viertelfinal gewinnen (wie seit 2019) oder sogar die K.-o.-Phase verpassen, darf eine Trennung nicht zu kostspielig werden. Die Ausgestaltung der Ausstiegsklauseln ist Verhandlungssache.

Nicht Weibel verpflichtete Fischer 2015 als Nationalcoach, sondern sein Vorgänger Raeto Raffainer. Doch Weibel und Fischer kennen sich gut. Sie spielten neun Saisons zusammen und wurden 1999 (mit Lugano) und 2002 (Davos) gemeinsam Meister. Das verbindet. Dass er auch deshalb an Fischer festhält, weil sie sich gut mögen, weist er indes scharf von sich: «Das muss ich wirklich dementieren. In der Schweiz haben fast alle einmal miteinander gespielt. Ich kann Fischer sehr gut hinterfragen und objektiv beurteilen. Am Schluss ist es ein Business. Und ich verhandle ja nicht mit ihm, sondern mit seinem Agenten.»

Ein Sieg für Weibel

Für Weibel ist die geplante Verlängerung mit Fischer ein grosser Sieg, auch wenn er dieses Wort nicht in den Mund nimmt. Ihm gehe es einzig und allein um die Entwicklung des Schweizer Eishockeys, betont er. Jene, die ihn vor einigen Monaten schon abgeschrieben hatten, machen nun die Faust im Sack. Es hiess hinter den Kulissen, der Ex-Handballer Schärer sei von den Clubs auch deshalb als neuer Verwaltungsratspräsident von Swiss Ice Hockey portiert worden, weil sie sich von ihm erhofften, dass er «aufräume». Konkret: die Trennung von Weibel forciere. Doch Schärer liess sich nicht instrumentalisieren.

12.12.2023; Zuerich; Eishockey - Training Schweiz, Trainer Patrick Fischer (SUI) mit Enzo Corvi (SUI) 
(Claudio Thoma/freshfocus)

Weibel war den Clubs auf den Schlips getreten, als er sich in der Debatte um die Erhöhung der spielberechtigten Ausländer in der National League klar dagegen positionierte. Nach der WM 2022 bezeichnete Weibel das Argument, man könne mit mehr Ausländern Kosten sparen, als «Augenwischerei». Aus Sicht des Nationalteams sei die Erhöhung von vier auf sechs Ausländer ein klarer Rückschritt.

Ungewollt in die Sportpolitik

Gerade in dieser Diskussion gewann Weibel an Profil. Zwar spricht er stets mit ruhiger Stimme, doch er sprach Klartext. Heute sagt er: «Ich habe meine Meinung in dieser Frage. Aber vielleicht habe ich sie einmal zu viel geäussert. Mein Learning daraus ist: Ich versuche, mich künftig ganz auf den Sport zu fokussieren. Ich kam ungewollt auf die politische Schiene. Zuerst wegen Corona, dann wegen der Ausländerfrage.» Man könnte das so interpretieren: Er möchte die Wortführer der mächtigsten Clubs nicht unnötig verärgern.

Weibel sagt aber auch, dass es nicht sein Job sei, überall Applaus zu bekommen. «Ich möchte zurückschauen und sagen können: ‹Ich habe alles getan für den Sport.› Und nicht: ‹Ich habe viele Freunde gewonnen.› Ich habe es gerne harmonisch. Aber manchmal geht das im Sport nicht. Ich muss mit gutem Beispiel vorangehen. Wir verlangen von unseren Spielern ja auch, dass sie Ecken und Kanten haben. Es heisst immer noch: Die Schweizer, das sind diese netten Kerle. Es wäre gut, würden wir auch einmal gehasst.»

Im Konzert der Grossen

Weibel spricht aus einer Position der Stärke. Nicht nur wegen Fischer, sondern auch, weil er den Vertrag mit der Euro Hockey Tour unlängst um drei Jahre bis 2027 verlängern konnte. Hineingerutscht waren die Schweizer vergangenes Jahr dank des Ausschlusses von Russland. Für das Nationalteam sind die Duelle mit den Grossen des europäischen Eishockeys von grossem Wert. Viermal im Jahr erfahren sie nun, wie hoch die Latte liegt. An Herausforderungen wächst man.

Dies erfuhr auch Weibel, als er im April 2019 als Sportdirektor des Verbands von Raffainer übernahm. Bald schon kam Corona und musste die Heim-WM 2020 abgesagt werden. Dann sagte sich die National League im Frühling 2022 los. Die Clubs sind die, die das Geld generieren und auch befehlen wollen. Weibel versucht, die Gesamtinteressen zu verteidigen.

Der Job sei viel herausfordernder als jener des Goalies, sagt er. Es gibt nicht nur Sieg oder Niederlage, sondern ganz viele unterschiedliche Interessen und Allianzen. «Ich bin froh, war ich zuerst Goalie und nicht umgekehrt», sagt er. «Jetzt bin ich älter und reifer und kann damit umgehen.»