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Massive Kritik an Christine Lambrecht
Deutsche Verteidigungs­ministerin sorgt mit Video für Rücktritts­forderungen

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Mit der Kommunikation des Regierungshandelns ist es so eine Sache. Der deutsche Kanzler hat immer wieder damit zu kämpfen, aber was Christine Lambrecht zum Start in das neue Jahr produziert hat, brockt Olaf Scholz mit Wucht die nächste Debatte über die Eignung der Verteidigungsministerin ein. Er hatte sie zuletzt gegenüber der «Süddeutschen Zeitung» als «erstklassige Verteidigungsministerin» bezeichnet. Ob er dieses Urteil auch 2023 aufrechterhalten wird?

Robert Habeck hat Massstäbe gesetzt mit kurzen authentischen Videos. Es ist nicht überliefert, was Lambrecht bewogen hat, es auch mal etwas unkonventioneller zu versuchen. In Zeiten eines Krieges mitten in Europa steht sie am Silvesterabend auf einem Platz in Berlin, die Haare windumweht – immer wieder pfeifen im Hintergrund Raketen umher, blitzen rot und golden auf.

Lambrecht ist kaum zu verstehen – und stellt den Krieg in der Ukraine dann auch noch in einen positiven Kontext, zumindest für sie selbst. «Mitten in Europa tobt ein Krieg. Und damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte, viele, viele Begegnungen mit interessanten und mit tollen Menschen. Dafür sage ich ein herzliches Dankeschön.»

Ein Sprecher ihres Ministeriums ist am Montag in der Bundespressekonferenz bemüht, das Video herabzustufen – es wird als ein über Instagram verbreiteter Privatbeitrag deklariert. Für das Video seien auch keine Ressourcen des Ministeriums verwendet worden. Eine Anfrage zu den Beweggründen der Ministerin und dem ungewöhnlichen Aufnahmeort im Berliner Böllerlärm und Raketenschein bleibt unbeantwortet.

Die SPD-Riege fällt mit breitem Schweigen auf

Ob die Aufnahme angesichts des Kriegs in der Ukraine angemessen sei, das neue Jahr zu begrüssen? «Die Worte der Ministerin im Video stehen für sich. Es ist nicht an mir, das zu kommentieren», sagt der Ministeriumssprecher. Die Affäre um den Mitflug des Sohnes im Helikopter zu einem dienstlichen Termin vor dem Sylt-Urlaub, das laute Grummeln in Ministerium und Bundeswehr über die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt, die Probleme bei der Umsetzung der Milliardenanschaffungen – Lambrecht gelingt es bisher kaum, positive Akzente zu setzen.

Die SPD-Riege fällt mit breitem Schweigen zum Video auf, das Kanzleramt will es nicht kommentieren – und die Union legt Scholz einen raschen Wechsel auf dieser Schlüsselposition nahe. «Das verstörende Video vom Silvesterabend zeigt erneut, dass Frau Lambrecht keine Einstellung zu dem bekleideten Amt findet», sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johann Wadephul (CDU).

«Das Video hat dem Kanzler pünktlich zu Jahresbeginn in Erinnerung gerufen, dass er ein drängendes Personalproblem hat.» Es sei bezeichnend, dass dieses Video mit Lambrechts eigener Befindlichkeit beginne, «statt mit dem Dank und der Anerkennung für die Soldatinnen und Soldaten».

Von der Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt, so Wadephul, erwarte man in der Lage Entscheidungsstärke und Orientierung. Stattdessen hapere es bei der Verwendung der grössten jemals der Bundeswehr zur Verfügung stehenden Finanzmenge.

Die Beschaffung neuer Waffensysteme sei von Pannen geprägt – zuletzt musste auf den Einsatz des Puma-Schützenpanzers für die schnelle Eingreiftruppe der Nato verzichtet werden, deren Führung Deutschland mit Jahresbeginn übernommen hat. Die Bundeswehr stellt rund 8000 Männer und Frauen für die Truppe, die in maximal 72 Stunden bereit sein muss, um dorthin verlegt zu werden, wo das Verteidigungsbündnis sie gerade benötigt.

«All das bestärkt den Vertrauensverlust»

Der CDU-Verteidigungsexperte und frühere Berufssoldat Roderich Kiesewetter warnt davor, jetzt zu sehr über das Video zu diskutieren. Er sieht generelle Probleme und eine mangelnde Bereitschaft bei Lambrecht, mit der Rüstungsindustrie enger zusammenzuarbeiten. «Frau Lambrecht muss endlich aufzeigen, wie sie die Zeitenwende in der Bundeswehr umzusetzen gedenkt.»

Das 100 Milliarden Euro umfassende Sondervermögen für die Bundeswehr als Antwort auf den russischen Krieg in der Ukraine sei durch die Inflation bereits auf 83 Milliarden Euro abgeschmolzen. Insgesamt seien auch erst rund zehn Milliarden Euro für Ausgaben fest verplant, vor allem für die amerikanischen F-35-Kampfjets als Tornado-Nachfolge. Hinzu kämen beim Heer die als nicht einsatzbereit gemeldeten Puma-Panzer.

«All das bestärkt das Misstrauen und den Vertrauensverlust, der sich leider in Europa und international gegenüber Deutschland festsetzt», kritisiert Kiesewetter. Auch wenn es Lambrecht persönlich schwerfalle, sie müsse häufige und regelmässige Treffen mit der Rüstungsindustrie abhalten, «um die desaströse Ausstattungs- und Beschaffungslage in den Streitkräften zu beheben und die Produktion von Munition und Ersatzteilen wie Waffensystemen für die Ukraine zu beschleunigen».